Energiekonzern Gazprom:Machtdemonstration aus Moskau

Der Rohstoffkonzern Gazprom will den europäischen Gasmarkt mit dem Start der Milliardenpipeline South Stream dominieren. Das Rohstoff-Drama droht mit einem Debakel für Brüssel zu enden: Nach SZ-Informationen prüft der deutsche Energiekonzern RWE nun seinen Rückzug aus Westeuropas Pipeline-Projekt Nabucco, mit dem die Abhängigkeit von Moskau verringert werden sollte.

Markus Balser

Gazprom to invest billions on gas project for Asian markets

Zwei Feldherrn, ein Plan: Gazprom-Chef Miller und Russlands Präsident Putin beugen sich über Pläne für den Energiemarkt. 

(Foto: Alexey Nikolsky/dpa)

Alexej Miller ist kein Mann der vielen Worte. Der stämmige Mann mit der leisen Stimme tritt nur selten öffentlich auf. Dann aber setzt Russlands mächtigster Manager seine Botschaften mit der Geradlinigkeit einer Gas-Pipeline. So wie an diesem Mittwoch: In Moskau verkündete der Gazprom-Chef, sein Energiekonzern baue den Einfluss in Deutschland aus und steige ins Geschäft mit Endkunden ein. Nur Stunden später wollte Wirtschaftslenker Miller in Mailand für den nächsten Paukenschlag sorgen: Er traf sich mit seinen Partnern von BASF und Italiens Energieriesen Eni, um den Start der Milliardenpipeline South Stream zu beschließen.

Es sind die Stunden einer Machtdemonstration aus Moskau: Selten zuvor hat der russische Konzern dem Westen so deutlich Grenzen aufgezeigt. Und selten hat er so unverhohlen klar gemacht, was das Kreml-nahe Unternehmen trotz aller Gegenwehr aus Brüssel plant: Den europäischen Gasmarkt stärker zu dominieren - und damit auch den strategischen und politischen Einfluss Moskaus auf Westeuropa auszubauen. Staatschef Wladimir Putin hat eine einfache Strategie: Von der Förderung von Energie bis zum Verkauf will er die Kontrolle halten. Deshalb baut er Rosneft zum größten Ölproduzenten der Welt auf, deshalb soll russisches Gas vor allem in Röhren russischer Staatsfirmen fließen.

Spitzentreffen von Gazprom, BASF und Eni

Beim Treffen der Spitzen von Gazprom, BASF und Eni in Mailand ging es nach Angaben der beteiligten Unternehmen nur noch um die Details der Finanzierung. Der Baubeginn des 17 Milliarden Euro teuren Projekts sei bereits für Anfang Dezember geplant. Dann soll Russlands Präsident Putin die Arbeiten an der Pipeline im Süden des Landes mit einem feierlichen Spatenstich starten - eine Entscheidung, die den gesamten Energiemarkt Europas durcheinanderwirbeln könnte. Denn die EU hat darauf gesetzt, dass sich Westeuropas Pipeline-Projekt Nabucco durchsetzt.

Doch der letzte Akt in dem Rohstoff-Drama droht mit einer Niederlage für Brüssel zu enden. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung prüft der wichtigste Nabucco-Planer, der deutsche Energiekonzern RWE, seinen Rückzug aus dem Projekt. RWE-Manager hätten auf EU-Ebene signalisiert, man halte einen Ausstieg für möglich, heißt es in Brüssel. Noch 2012 soll eine Entscheidung fallen. Demnach hält RWE das Projekt derzeit für kaum wirtschaftlich und zweifelt an der Finanzierbarkeit. Zudem fehlen für den Bau die Zusagen wichtiger Lieferländer.

Dabei hatte Westeuropa große Hoffnungen: Nabucco sollte zwei Kontinente verbinden - ohne Unterbrechung von Aserbaidschan bis kurz vor Wien. Eine Verbindung über sechs Ländergrenzen und fast 4000 Kilometer hinweg. Nabucco galt als eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte der Europäischen Union. Es sollte die Abhängigkeit von Moskaus Staatskonzern Gazprom - und damit vom machtbewussten Putin - verringern. Gas sollte aus Zentralasien vorbei an Russland direkt nach Europa fließen. EU-Energiekommissar Günther Oettinger hatte sich genauso für das Projekt stark gemacht wie Kanzlerin Angela Merkel.

Kann Gazprom einen ganzen Kontinent in die Zange nehmen?

Führende europäische Energiepolitiker warnen wegen des bevorstehenden Starts von South Stream vor der wachsenden Macht Gazproms. In Nordeuropa will der Konzern die Ostseepipeline ausbauen - setzt sich Miller auch beim Zugang zu Gas aus Zentralasien im Süden des Kontinents durch, könnten aus Partnern Abhängige werden. Kann Gazprom wirklich einen ganzen Kontinent in die Zange nehmen?

Das Gazprom-Logo, die blaue Flamme, steht inzwischen für ein weitverzweigtes Reich aus mehr als 400.000 Angestellten, 160.000 Pipeline-Kilometern, geschätzten tausend Tochterfirmen und einem Umsatz von 120 Milliarden Euro. Etwa ein Drittel seines Erdgases bezieht Europa schon heute aus Russland. Erhöht sich der Anteil, wäre nicht mehr auszuschließen, dass Gazprom größeren Einfluss auf die Preise bekommt. Russlands Staatspräsident Putin versuche, über die Energiepolitik so mächtig zu werden wie einst die UdSSR, das alte Sowjetreich - so warnte kürzlich der verschreckte EU-Kommissar Oettinger. Zudem knöpft sich die EU derzeit den größten Gaskonzern der Welt in einem Wettbewerbsverfahren wegen des Verdachts überhöhter Preise vor.

Noch mehr Sorgenfalten?

In der Energiepolitik dürften die Sorgenfalten der EU noch größer werden: Gazprom sicherte sich am Mittwoch in einem milliardenschweren Tauschgeschäft mit dem Chemiekonzern BASF erstmals auch den Zugang zum Endkundengeschäft auf dem deutschen Gasmarkt. Dadurch stockt Gazprom seinen Anteil an Gasspeichern und Gashandelsunternehmen in Deutschland auf. So gehört etwa die Kasseler Wingas bald komplett den Russen. Die BASF-Tochter Wintershall erhält dafür knapp über 25 Prozent an den Blöcken IV und V der Achimov-Formation des Urengoi-Gasfelds in Westsibirien. Man fördert also mit.

Berlin sieht den Vorstoß offenbar kritisch und behält sich ein Veto vor: "Die Bundesregierung wird die Transaktion im Rahmen ihrer außenwirtschaftlichen Möglichkeiten prüfen", sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Dies ist bei strategisch wichtigen Energieunternehmen möglich. Doch Miller sieht sich offenbar noch immer nicht am Ziel. Ende Oktober war der Manager nach SZ-Informationen erneut nach München gereist, um im Gespräch mit Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) den Bau von Gaskraftwerken vor allem in Süddeutschland auszuloten. Kommt da bald der nächste Deal? Dabei beschränkt sich der Expansionsdrang der Russen keinesfalls nur auf Gas. So plant der staatliche Öl-Konzern Rosneft nun sogar eine eigene Großbank.

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