Energie:Staatsnetz statt Stromnetz

Die Bundesregierung hätte gerne eine eigene Gesellschaft für die deutschen Stromleitungen. Doch wem die "Deutsche Netz AG" gehören soll, weiß derzeit keiner.

M. Bauchmüller u. H.-W. Bein

Viel Aufsehen hat das zweite Konjunkturpaket Mitte Januar erregt, sehr viel. So groß war das Aufheben um Abwrackprämie, Kinderzuschlag und Investitionsmilliarden, dass der "Beschluss Ziffer 5" des Investitionsprogrammes gar nicht weiter auffiel. "Moderne Netze sind die Lebensadern eines leistungsfähigen Landes", stand dort zu lesen. "Deshalb ist eine deutsche Gesellschaft für die Stromnetze wünschenswert und ihr Zustandekommen von nationalem Interesse."

Stromnetz, dpa

Die Bundesregierung wünscht sich eine Netz AG - doch wem soll sie gehören?

(Foto: Foto: dpa)

Kommenden Montag wollen sich abermals Staatssekretäre zu dem Thema zusammensetzen. Ihr Treffpunkt ist das Bundeswirtschaftsministerium, ihr Ziel: eine deutsche Netzgesellschaft als Dach für die Übertragungsnetze. Doch die Erfolgsaussichten, nationales Interesse hin oder her, sind begrenzt. Wem nämlich die Leitungen gehören soll, ob alle vier Stromkonzerne sie überhaupt abgäben, steht in den Sternen. Völlig unklar, so heißt es in Regierungskreisen, sei auch die künftige Eigentümerschaft. Ginge es nach dem SPD-geführten Bundesumweltministerium, dann würde auch der Staat Netzbetreiber eine Sperrminorität von 25,1 Prozent erhalten. Den Rest übernähmen Banken und Finanzinvestoren.

Der Staatsanteil soll sicherstellen, dass der Bund Einfluss behält, wenn es um den Ausbau der Netze geht. Doch in der Union geht das vielen zu weit. Sie plädiere für eine private Eigentümerstruktur, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich vor dem Wirtschaftsrat der Union. Alles andere laufe indirekt auf eine Verstaatlichung der Netze hinaus.

Konzept bis zum Sommer

Bislang gehören die deutschen Höchstspannungsnetze, die den Ferntransport der Elektrizität übernehmen, den vier großen Energiekonzernen. Allein RWE unterhält 11.300 Kilometer dieser Leitungen, Eon 10.700 und Vattenfall 9500 Kilometer. Das kleinste Netz gehört der Karlsruher EnBW, es ist gut 3600 Kilometer lang.

Doch der Besitz von Kraftwerken einerseits und Stromnetzen andererseits ist Wettbewerbsexperten und Verbraucherschützern ein Greuel. So viel Macht über die Erzeugung und den Transport von Strom behindere den Wettbewerb. Ganz abgesehen davon kostet das Nebeneinander von vier eigenständigen Netzen viel Geld. Weil die Konzerne ihr Stromangebot bis vor kurzem kaum koordinierten, zahlten Stromkunden dreistellige Millionenbeträge extra.

Die Gelegenheit zum Umbau ist günstig. Eon muss ohnehin sein Übertragungsnetz bis 2010 verkaufen, damit die EU-Kommission ein Wettbewerbsverfahren einstellt. Und Vattenfall Europe hat den Verkaufsprozess schon eingeleitet; im April wird das Unternehmen womöglich den Bieterkreis einengen. Die Zeit drängt für die "Netz AG". "Es muss schnell eine Entscheidung getroffen werden", heißt es im Umweltministerium. Noch vor dem Sommer müsse die Regierung ein eigenes Konzept vorlegen - ehe Vattenfall vollendete Tatsachen schafft.

Der öffentliche Druck wächst

Alle Versuche, die Netze einvernehmlich zu bündeln, sind bisher gescheitert. Vergeblich versuchte der frühere Infineon-Aufsichtsrat Max Dietrich Kley, auch die anderen beiden Firmen zur freiwilligen Trennung vom Netz zu bewegen. Allein Eon zeigte sich offen dafür. Am stärksten sperrt sich nach wie vor EnBW gegen einen Verkauf der Netze, und auch RWE will nichts von der Netz AG wissen - es sei denn, sie wäre unter RWE-Führung. "Das Übertragungsnetz ist und bleibt Kerngeschäft von RWE", sagt Konzernchef Jürgen Großmann.

Zumindest aber will RWE noch im ersten Halbjahr 2009 Voraussetzungen für eine formale Ausgliederung des Netzes schaffen. Das Übertragungsnetz würde dann ein eigenständiges Unternehmen mit eigenem Namen. Damit hätte RWE die Mindestanforderung des dritten Binnenmarktpakets erfüllt, über das die EU derzeit diskutiert. Allerdings wäre so auch eine völlige Ausgliederung leichter. Politischer Druck auf RWE und EnBW, ihr Netz zu verkaufen, sei nicht erkennbar, heißt es in der Branche.

Ob Vertreter der Netzbetreiber übernächste Woche zu Gesprächen nach Berlin geladen werden, soll sich am Montag entscheiden. Der öffentliche Druck aber könnte wachsen. Angesichts der Differenzen zwischen Union und SPD, so mutmaßte die Kanzlerin schon, werde das Netz womöglich noch zum Wahlkampf-Thema.

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