Energie:Siemens und Gamesa errichten weltgrößten Windkraft-Konzern

Wind Turbines At Bharat Light & Power Ltd.'s Rewalkawadi Windfarm

Gamesa betreibt zahlreiche Windturbinen auf dem Land, wie beispielsweise hier in Indien.

(Foto: Dhiraj Singh/Bloomberg)
  • Der spanische Windkraftkonzern Gamesa und die Windkraft-Sparte von Siemens schließen sich zusammen. So entsteht der weltweit größte Windkraft-Hersteller.
  • Die neue Firma wird nach der Fusion weltweit Turbinen mit einer Kapazität von etwa 69 Gigawatt besitzen.
  • Gamesa hat für die Fusion etwa eine Milliarde Euro von Siemens erhalten, der deutsche Konzern hält dafür 59 Prozent des neuen Unternehmens.

Von Christoph Giesen und Leo Klimm, München/Paris

Eigentlich sollte das Geschäft bereits im Februar unterzeichnet werden, sämtliche Verträge waren unterschriftsreif. Die ersten Investmentbanker waren sich der Sache schon so sicher, dass der Deal durchsickerte. Doch dann passierte nichts. Nun, vier Monate, ist es soweit. Siemens und dem spanischen Wettbewerber Gamesa ist eine Übereinkunft gelungen, die vorsieht, die Windkraftgeschäfte beider Unternehmen zu vereinen. Dabei wird ein an der spanischen Börse gelisteter Windenergiekonzern mit einem Jahresumsatz von etwa zehn Milliarden Euro entstehen, an dem Siemens die Mehrheit halten soll.

Gamesa ist stark im sogenannten Onshore-Geschäft: Die Spanier betreuen eine üppige Flotte an Windmühlen, die auf Äckern, Freiflächen oder an Stränden installiert sind. Gerade damit wird das Geld verdient. Probleme hat Gamesa jedoch beim Abschluss neuer Verträge, da die Turbinen des Unternehmens technisch nicht mehr auf der Höhe der Zeit sind.

Siemens hingegen hat das Onshore-Geschäft lange Zeit vernachlässigt. Inzwischen hat der Münchner Konzern aber aufgeholt. Was ihm allerdings fehlt, sind Anlagen im Feld, die gegen einträgliche Gebühren von Siemens-Technikern gewartet werden. Vor allem deshalb ist die Gewinnmarge von Gamesa höher als die von Siemens, die bei nur vier Prozent liegt. Neben Onshore-Technik soll Siemens auch sein Offshore-Windgeschäft, also die Anlagen auf hoher See, in das Gemeinschaftsunternehmen einbringen. In diesem Segment ist der deutsche Konzern Marktführer.

Für beide Seiten ist der Zusammenschluss sinnvoll. Siemens kann die Wirtschaftlichkeit der eigenen Windkraftsparte deutlich steigern. Gamesa bekommt technische Unterstützung. Im Grunde genommen ein logischer Deal - wäre da nicht dieses eine Problem.

Vermeintliche Formsache stand dem Vertrag im Weg

Ein hartnäckiges Hindernis zum Abschluss des Geschäfts lag in den vergangenen Monaten weder in München noch in Bilbao, dem Sitz von Gamesa - sondern in Paris. Denn die Spanier haben ihr Offshore-Geschäft vor zwei Jahren in ein Gemeinschaftsunternehmen namens Adwen eingebracht, das sie mit dem französischen Atomkonzern Areva betreiben. Dieses Joint Venture sollte gemäß der Verträge vom Februar zeitnah aufgelöst werden - schließlich hätte sich die neue Firma sonst selbst Konkurrenz gemacht.

Eigentlich eine Formsache, dachte man damals bei Siemens. Doch der Gamesa-Hauptaktionär Iberdrola weigerte sich, zu unterschreiben. Der Grund: Sollte es nicht gelingen, eine Lösung für Adwen zu finden, hätte der gesamte Siemens-Gamesa-Deal rückabgewickelt werden können. Also musste mit dem Gamesa-Partner Areva verhandelt werden. Und Areva ist zu mehr als 85 Prozent in Händen des französischen Staats - was der Regierung in Paris faktisch ein Vetorecht verlieh.

Am Tisch saß zuletzt auch die französische Regierung

Knackpunkt in den Verhandlungen war die Auflage der französischen Regierung, ein Käufer müsse sich alte Zusagen von Areva zum Aufbau einer Meerwind-Industrie in Frankreich zu eigen machen. Adwen, das Tochterunternehmen von Gamesa und Areva, hat den Zuschlag zur Errichtung von drei Offshore-Parks, die vor der französischen Nord- und Westküste entstehen sollen. Sie sind zentraler Bestandteil der Strategie, mit der Frankreich seinen Rückstand bei erneuerbaren Energien aufholen will.

Teil dieses Geschäfts ist die Verpflichtung zum Bau neuer Windrad-Fabriken in Le Havre, die mindestens 750 Jobs schaffen sollen. Dort sollen auch Hochleistungs-Windräder mit acht Megawatt gefertigt werden. Paris pochte bis zuletzt darauf, dass der deutsch-spanische Deal nicht das Ziel "einer kompletten und wettbewerbsfähigen Windkraft-Industrie" im eigenen Land gefährde.

Während sich die Siemens-Verhandlungen um Adwen also hinzogen, äußerte zuletzt ausgerechnet der Erzrivale General Electric (GE) Interesse an den Offshore-Windparks in Frankreich. Der US-Konzern ist seit der Übernahme des Energieausrüsters Alstom der andere große Akteur im französischen Windkraft-Geschäft. "Es wäre nützlich für uns, wenn wir hier größer wären", sagte GE-Chef Jeffrey Immelt am Donnerstag der Zeitung Le Figaro. Die Gespräche rund um Adwen beträfen neben Siemens, Gamesa und Areva auch GE und eben den französischen Staat. Allein diese Aussage des US-Konkurrenten macht klar, wie komplex die Verhandlungen für Siemens waren.

Die glückliche Auflösung der Blockade dürfte auch dem Umstand zu verdanken sein, dass in Paris nach langer Hängepartie jüngst ein viel dringenderes Problem gelöst wurde: Die Franzosen haben nun einen Plan, wie sie mit vielen Milliarden den notleidenden Areva-Konzern vor der Pleite retten wollen. Dieser Plan beinhaltet auch den Verkauf der Areva-Aktivitäten mit erneuerbaren Energien.

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