Energie der Zukunft:Ökorolle rückwärts

Politisch gesehen ist es richtig, jede Alternative zum Öl zu fördern. Ersatz zu schaffen für Öl und Gas ist die zentrale politische Aufgabe dieses Jahrhunderts. Doch die Sache ist brisant.

Karl-Heinz Büschemann

Für Politiker ist die Welt einfach. Wenn es irgendwo brennt, haben sie gleich ein Patentrezept. Gehen die Managergehälter hoch, findet sich bald einer, der die Deckelung der Bezüge fordert. Geraten deutsche Fliesenleger unter ausländischen Konkurrenzdruck, folgt schnell die Forderung, den Zuzug unerwünschter Fremdarbeiter zu bremsen. Noch schlimmer ist es in der Energiepolitik. Auf diesem Feld haben viele Politiker gleich jede Menge Patentrezepte.

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(Foto: Foto: dpa)

Ein Lieblingsthema der Wirtschaftspolitiker in Berlin und Brüssel ist der Treibstoff, der aus Pflanzen gewonnen wird. Die Bundesregierung stellte 2007 gemeinsam mit der Autoindustrie vollmundig eine "Roadmap Biokraftstoffe" vor. "Biotreibstoffe der zweiten Generation sind ein wesentlicher Beitrag zur Sicherung des Autostandorts Deutschland", hat die Bundeskanzlerin noch vor wenigen Tagen behauptet. Auch die EU war mächtig aktiv. Sie hatte 2007 mal eben beschlossen, den Anteil von Biosprit bis 2020 auf 20 Prozent zu erhöhen.

Jetzt folgt die Rolle rückwärts. Brüssel hat offenbar eingesehen, dass solche wohlklingenden Ziele leichter zu versprechen als einzuhalten sind und gibt den Ausbau der Biospriterzeugung auf. Den Ausschlag dafür gab unter anderem eine Studie der Weltbank. Die sagt, dass der starke Anstieg der Lebensmittelpreise in der Welt mit der zunehmenden Produktion von Biosprit zusammenhängt. Von höchster und angesehener Stelle wird gesagt, dass Millionen Menschen hungern, weil die Industriestaaten weiter ihre Tanks vollschütten wollen.

Enge Grenzen

Es ist empörend, dass die deutschen und die europäischen Politiker diesen teuflischen Zusammenhang vom Wohlstand einiger und der Not anderer erst jetzt zu verstehen scheinen. Fachleuten ist schon lange klar, dass aus Pflanzen gewonnener Treibstoff nicht ansatzweise den Ersatz für Benzin und Diesel aus Erdöl wird bieten können. Selbst wenn die USA mit ihren riesigen Ackerflächen auf jede Lebensmittelproduktion verzichten würden, hätte das Land nicht genügend Felder, um seinen Spritbedarf zu befriedigen. Auch im weltweiten Maßstab sind dem Biosprit enge Grenzen gesetzt.

In der Energiepolitik werden weitere Ernüchterungen folgen. Eines Tages werden auch die Politiker noch lernen, dass die Windenergie nicht den Beitrag leisten kann, den ihre Macher heute versprechen. Gleiches gilt für die Atomkraft. Ebenso wird die segensreiche und schnelle Allheilwirkung der Solarenergie von den Politikern überschätzt.

Dennoch ist es politisch richtig, jede Alternative zum Öl zu fördern. Ersatz zu schaffen für Öl und Gas ist die zentrale politische Aufgabe dieses Jahrhunderts. Wie brisant die Sache ist, hat selbst die Kanzlerin inzwischen begriffen. Sie sieht durch die Nahrungsmittelkrise bereits die internationale Sicherheit bedroht. Energieversorgung und Kriegsgefahr hängen fatal zusammen.

Kein einheitliches Konzept

Umso trauriger ist, dass es bisher weder in Deutschland noch in Europa eine einheitliche Energiepolitik gibt. In Berlin hat der Wirtschaftsminister wohl noch jede Idee des Umweltministers verworfen und umgekehrt. Ein einheitliches Konzept gibt es nicht. Parteipolitisches Kleingeplänkel und Klientelwirtschaft sind immer noch wichtiger als eine weitreichende Strategie. Auch in der EU fehlt jede klare Linie in der Energiepolitik. Noch immer ist in der Gemeinschaft das nationale Denken wichtiger als ein gemeinschaftliches Vorgehen.

Dabei hätte Europa eine Chance, etwas zu bewegen. Eine EU, die konzentriert an Technologien zum Einsparen wie an der Entwicklung neuer Energien arbeitet, könnte für die Welt ein Vorbild und Zugpferd sein. Sie hat mehr Einwohner als der größte Energieverschwender Nordamerika. Doch von solcher Entschiedenheit ist nichts zu sehen. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat das jetzt mit einer echten Politikeridee bewiesen. Angesichts der Nahrungsmittelkrise brauche die Welt eine internationale Expertengruppe, fordert er. Genau die braucht sie garantiert nicht.

Die Fakten sind alle bekannt. Jetzt sind nur noch Regierungen nötig, die den Tatsachen ins Auge sehen.

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