Energie:Bevor das Licht ausgeht

Innogy - Hauptversammlung

Innogy-Chef Uwe Tigges bei der Hauptversammlung in Essen: RWE brachte sein Geschäft mit Ökostrom und Netzen im Herbst 2016 an die Börse. Doch schon im nächsten Jahr könnte die Unabhängigkeit von Innogy enden.

(Foto: Bernd Thissen/dpa)

Vor der drohenden Zerschlagung fordert Innogy-Chef Tigges Sicherheit für die Mitarbeiter. Fragt sich nur: Was bedeutet das für den Deal?

Von Benedikt Müller, Essen

Endzeitstimmung will Uwe Tigges nicht aufkommen lassen. Der Innogy-Chef spricht sich lieber Mut zu. "Wir haben ein tolles Unternehmen aufgebaut", sagt der 58-Jährige. Die RWE-Tochter, die Ökostrom herstellt und Energie an 22 Millionen Kunden in Europa verkauft, ist erst im Jahr 2016 an die Börse gegangen. "Innogy ist heute ein wirtschaftlich eigenständiges, starkes Unternehmen", sagt Tigges. "Und solange die Transaktion nicht abgeschlossen ist, wird dies auch so bleiben."

Mit "der Transaktion" meint er den milliardenschweren Tausch, den Eon und RWE hinter Tigges' Rücken ausgeknobelt haben. Die Dax-Konzerne wollen Innogy zerschlagen und unter sich aufteilen: RWE will den Ökostrom seiner Tochter zurückholen und zum reinen Erzeuger werden. Bislang hält RWE 77 Prozent der Innogy-Aktien. Eon will Netze und Kunden von Innogy übernehmen - und die restlichen Aktien aufkaufen. Der Innogy-Vorstand, so erzählt es Tigges, habe all das erst am Abend der Ad-hoc-Mitteilung erfahren.

Bei der Hauptversammlung von Innogy am Dienstag kommt zur Sprache, wie verunsichert viele der 40 000 Beschäftigten nun sind. Und dass sich Tigges seinem Schicksal noch nicht fügen will: "Ob Innogy zerschlagen wird, bleibt abzuwarten."

Deutlich wurde das schon am Freitag. Da teilte Innogy mit, dass sich ein Investor für die Netze in Tschechien interessiere. Er erhalte nun Einblick in die Bücher. Derselbe Bieter habe auch andere Aktivitäten von Innogy ins Visier genommen. Gemeint ist offensichtlich der australische Investor Macquarie. Ihm gehört bereits die Hälfte des Tschechien-Geschäfts. Und sollte Innogy in neue Hände kommen, könnte Macquarie eine Ausstiegsklausel ziehen - und die Aktivitäten komplett übernehmen.

Spätestens seit der Ankündigung muss sich Eon fragen, ob Innogy noch schrumpfen könnte, bevor der Dax-Konzern den Konkurrenten - wie geplant - übernimmt. So hat Innogy mit etwa 3000 Kommunen Verträge geschlossen; die dortigen Verteilnetze betreibt der Versorger exklusiv. Offen ist nun, wie viele Städte die Zusammenarbeit aufkündigen könnten, wenn Eon die Mehrheit an Innogy übernimmt. Entsprechende Klauseln seien "in wenigen, wesentlichen Verträgen" vorgesehen, sagt Vorstand Hildegard Müller am Montag.

RWE hat allerdings mitgeteilt, dass eine "Zerlegung und Veräußerung von Innogy" keine Alternative sei. Mit seinem 77-Prozent-Anteil kontrolliert der Mutterkonzern jede Hauptversammlung von Innogy.

Nichtsdestotrotz wird Innogy die Offerte prüfen, die Eon vorlegen will. "Die meisten Detailfragen sind noch offen", sagt Tigges. So sollen bei dem fusionierten Konzern bis zu 5000 der 70 000 Stellen wegfallen. "Wir halten es für dringend geboten, dass wir eine verbindliche Zusage für die Arbeitnehmer bekommen", sagt Tigges.

Zwar verspricht Eon-Chef Johannes Teyssen, dass die Beschäftigten von Innogy bei dem geplanten Stellenabbau nicht schlechter behandelt würden als die Kollegen von Eon. Auch habe der Dax-Konzern noch nie betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen. "Wir sind ganz optimistisch, das wird auch wieder gelingen", sagte Teyssen. Den Betriebsräten von Innogy reichen warme Worte indes nicht aus. Tigges strebt nun eine Vereinbarung mit Eon und RWE an, um solche Fragen zu regeln.

RWE hatte seine Netz- und Ökostromtochter im Herbst 2016 an die Börse gebracht, versprach damals stabile Gewinne und steigende Dividenden. Doch die Erfolgsgeschichte endete im Dezember 2017. Da gab Vorstandschef Peter Terium bekannt, dass der Gewinn in diesem Jahr zurückgehen werde. Daraufhin brach der Aktienkurs binnen zweier Tage um 18 Prozent ein. Keine Woche später schmiss der Aufsichtsrat Terium raus, mit sofortiger Wirkung. Uwe Tigges übernahm den Posten zunächst übergangsweise. Nun hat der Aufsichtsrat den früheren Arbeitsdirektor endgültig zum Vorstandschef ernannt.

Für seinen jähen Abgang hat Terium eine Entschädigung von 7,99 Millionen Euro kassiert; hinzu kommen Aktienoptionen im Wert von vier Millionen Euro. Es bestehe aber kein Zusammenhang zwischen dem Abgang des früheren RWE-Chefs und der nun drohenden Zerschlagung, sagt Erhard Schipporeit, seit dem Jahreswechsel neuer Aufsichtsratschef von Innogy.

Unterdessen sichern auch andere Innogy-Vorstände ihre Zukunft ab. So hat der Aufsichtsrat die Verträge von Netzchefin Müller, Ökostrom-Chef Hans Bünting und Vertriebschef Martin Herrmann bis 2022 verlängert. Doch könnte die Geschichte von Innogy bis dahin längst zu Ende sein: Wenn alles glattgeht, will Eon die Übernahme bis Ende 2019 abgeschlossen haben.

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