Ende eines stillen Bietergefechtes:WAZ erobert Niedersachsen

Die Mediengruppe WAZ kauft die Braunschweiger Zeitung. Damit finden zwei Unternehmen zusammen, die wirtschaftlich gut dastehen - und trotzdem häufig unterschätzt werden.

Hans Leyendecker

Vor beinahe einem Jahrzehnt mühte sich die WAZ-Mediengruppe um den Einstieg bei der Braunschweiger Zeitung - der Versuch scheiterte. Die Essener bekamen jetzt eine neue Gelegenheit.

Diesmal klappte es: Am gestrigen Montagnachmittag trafen sich Vertreter beider Verlagshäuser beim Notar: Die WAZ-Gruppe erwarb für ungefähr 160 Millionen Euro 75 Prozent des Braunschweiger Zeitungsverlags.

Der Zukauf der restlichen 25 Prozent, die sich noch im Besitz der Nord/LB Girozentrale befinden, ist Formsache. Der Gesamtpreis wird dann bei etwa 210 Millionen Euro liegen.

Ein Politikum

Es ist ein stilles Bietergefecht gewesen: Daran beteiligt hatten sich auch die Bauer-Verlagsgruppe, der Springer-Verlag, das Kölner Zeitungshaus DuMontSchauberg und die BV Deutsche Zeitungsholding des britischen Finanzinvestors David Montgomery (Berliner Zeitung, Hamburger Morgenpost).

Der bevorstehende Verkauf an die WAZ-Gruppe war aus Sicht der niedersächsischen CDU offensichtlich ein Politikum. Christdemokratische Parteigrößen sollen bei der Nord/LB-Girozentrale vorstellig geworden sein, um Springer zu protegieren.

Nicht nur in Hannover, der niedersächsischen Hauptstadt, pflegt mancher das Vorurteil, die im Ruhrgebiet beheimatete WAZ-Gruppe sei linksorientiert. Das ist ein Irrtum. Selbst die SPD war dort niemals links.

Ausgelöst hatte den Verkaufsvorgang die Bank. Im Frühjahr 2006 erklärten Manager der Nord/LB-Girozentrale, ihr Geldhaus wolle sich vom 25-Prozent-Anteil trennen. Daraufhin hatten bei den Gesellschaftern der Hamburger Verlegerfamilie Voigt, die den Hauptanteil am Braunschweiger Zeitungshaus besitzt, Verkaufsüberlegungen eingesetzt.

Nun kommen zwei Verlagshäuser zusammen, die durch überragende Renditen auffallen und dennoch oft unterschätzt werden.

Nicht nur im Ruhrgebiet stark vertreten

Die WAZ-Gruppe ist zwar der größte europäische Regionalzeitungsverlag (16.000 Beschäftigte, ungefähr zwei Milliarden Euro Umsatz), galt aber lange als eine lokale Größe, die mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, der Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung, der Westfälischen Rundschau und der Westfalenpost allenfalls das Ruhrgebiet beherrscht.

Dabei ist der Konzern mittlerweile in Thüringen (Thüringer Allgemeine, Thüringische Landeszeitung, Ostthüringer Zeitung) und in Österreich (Kurier, Krone) stark vertreten. Außerdem rollt er in Ungarn, Bulgarien, Kroatien, Rumänien, Serbien, Montenegro und Mazedonien den Markt auf und ist an Zeitschriften wie Gong, Ein Herz für Tiere und Das Goldene Blatt beteiligt.

Insgesamt gehören zur WAZ-Mediengruppe 38 Tageszeitungen, 108 Publikums- und Fachzeitschriften sowie 133 Anzeigenblätter - europaweit

Der Braunschweiger Zeitungsverlag ist in der Region zwischen Harz und Heide so stark wie die WAZ im Revier. In Braunschweig ist das Blatt ohne jede Konkurrenz.

Die Rendite (zuletzt fast 175.000 verkaufte Exemplare täglich, davon fast 156.000 im Abonnement) wird auf 14 Prozent taxiert. Schon vor 39 Jahren war in einem überregionalen Blatt über die Braunschweiger Zeitung zu lesen: Sie könne ,,von sich sagen, dass sie kerngesund'' sei.

Signal für den Wettbewerb

Das gilt, zumindest für den Verlag, bis heute. Die Redaktion wird ein bisschen kurz gehalten. Das kennen WAZ-Leute auch.

Einer der Bieter erklärte nach einem Blick in die Bücher, bei solchen Angeboten rechne normalerweise der Verkäufer seine Zahlen schön. In Braunschweig aber sei das anders gewesen: Die Zahlen seien noch besser gewesen, als der Braunschweiger Verlag sie angegeben hatte. Besonders imponierend: der hohe, verlässliche Stamm der Abonnenten.

Der Besitzerwechsel der Braunschweiger Zeitung ist ein Signal für den Wettbewerb. Größere Zeitungsverkäufe stehen an. Manche alteingesessene Verlegerfamilie fürchtet sich vor den Erfordernissen der neuen Zeit mit dem Nebeneinander von Online und Print.

Ausländische Finanzinvestoren interessieren sich für den deutschen Markt. Diesmal kamen die Finanzinvestoren der BV Deutsche Zeitungsholding nicht zum Zuge. Sie hatten einen so dicken Vertragsentwurf mit vielen Klauseln aufgesetzt, dass die hanseatischen Kaufleute der Verlegerfamilie Voigt schon beim Lesen die Lust verloren. Springer soll bei circa 190 Millionen Euro (Gesamtpreis) ausgestiegen sein.

Die Hamburger Bauer-Verlagsgruppe schied schon aus kartellrechtlichen Gründen aus. Im Osten grenzt Bauers Magdeburger Volksstimme an das Vertriebsgebiet der Braunschweiger Zeitung. Kartellrechtliche Probleme muss die WAZ-Mediengruppe, die jetzt im Norden der Republik einen neuen Markt erschließen will, nicht fürchten. Eine Voranfrage beim Kartellamt verlief positiv.

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