Ende der Iran-Sanktionen:Billiges Öl lässt Autofahrer jubeln - noch

Nein dass ist nicht Luxemburg Benzinpreis deutlich unter 1 20 Euro lassen am Montag 04 01 2016 l

Die Benzin- und Dieselpreise sind so niedrig wie schon lange nicht mehr. Vor allem Berufspendler konnten schon im vergangenen Jahr ordentlich sparen. (Im Bild eine Tankstelle in Saarbrücken)

(Foto: imago/Becker&Bredel)
  • Der Westen hat sich mit Iran auf ein weitgehendes Ende der Sanktionen geeinigt. Teheran will nun viel Öl auf den Markt bringen.
  • Das dürfte die Preise weiter fallen lassen. Schon jetzt sind Benzin und Diesel deutlich billiger geworden.
  • Förderkonzerne weltweit stoppen nun milliardenschwere Investitionen.

Von Björn Finke und Jan Willmroth

Wer sich derzeit ein neues Auto kauft und ein Elektrofahrzeug aussucht, tut das entweder aus Umweltgründen, oder weil er besonders langfristig denkt. Bei den aktuellen Kraftstoffpreisen an deutschen Tankstellen sind Elektromobile jedenfalls nicht mehr konkurrenzfähig. Nach Daten des Autofahrerverbands ADAC kostete ein Liter Benzin am Sonntag durchschnittlich nur noch 1,22 Euro. Der Preis für einen Liter Dieselkraftstoff lag im bundesweiten Durchschnitt erstmals seit vielen Jahren wieder unter einem Euro. Auch Heizöl ist mit derzeit weniger als 40 Euro pro 100 Liter für Endkunden so günstig wie lange nicht mehr.

Mit dem Rohölpreis sanken zu Beginn der Woche auch die Tankstellenpreise weiter. Am Wochenende haben die Europäische Union und die USA offiziell die Wirtschaftssanktionen gegen Iran beendet. Der Nahost-Staat kann künftig wieder ungehindert Öl in die meisten Industrieländer exportieren - just zu einer Zeit, in der Rohöl auf dem Weltmarkt so billig ist wie zuletzt 2003. Der Preis für ein Barrel (etwa 159 Liter) der weltweit maßgeblichen Sorte Brent fiel am Montag zeitweise unter 28 Dollar. Gleich nach dem Ende der Sanktionen hatte der iranische Vize-Ölminister des bis 2012 zweitgrößten Ölproduzenten der Opec angekündigt, in Kürze 500 000 Barrel Öl am Tag mehr zu exportieren. Die Sanktionen hatten die iranischen Ölexporte um annähernd zwei Millionen Barrel pro Tag auf wenig mehr als eine Million Barrel am Tag reduziert.

Seit mehr als zweieinhalb Jahren fördern Ölproduzenten weltweit deutlich mehr, als nachgefragt wird. Der Ölpreis ist deshalb seit Juni 2014 um gut drei Viertel abgestürzt. Vielerorts - etwa beim Ölsand-Abbau in Kanada oder bei Tiefseebohrungen - lohnt sich die Förderung wegen der hohen Produktionskosten längst nicht mehr. Zahlreiche Öl exportierende Länder haben bereits mit hohen Haushaltsdefiziten zu kämpfen.

Trotzdem pumpen die wichtigsten Ölstaaten weiter so viel von dem Rohstoff aus dem Boden, wie es nur geht. Die Mitgliedsstaaten der Opec, allen voran Saudi-Arabien, produzieren größtenteils am Limit. Russland fördert nach wie vor so viel Öl wie zuletzt zu Sowjetzeiten. Die vor allem seit 2010 massiv ausgeweitete Produktion von Schieferöl hat die Vereinigten Staaten wieder zu einem der drei größten Förderländer der Welt gemacht. Jetzt will die iranische Regierung möglichst schnell zurück auf den Weltmarkt - und verschärft damit diesen Wettlauf um Marktanteile. Die Spekulation auf weiter fallende Preise hat derweil einen neuen Rekord erreicht.

Autofahrer und Firmen sparen derzeit viel Geld. Ein Berufspendler, der im Jahr 15 000 Kilometer mit einem Kompaktwagen zurücklegt und im Durchschnitt fünf Liter Diesel pro 100 Kilometer verbraucht, gibt bei einem um 20 Cent niedrigeren Kraftstoffpreis etwa 140 Euro weniger im Jahr aus. Der Mineralölwirtschaftsverband - eine deutsche Lobbyorganisation der Ölindustrie - hat errechnet, dass Verbraucher schon 2015 im Vergleich zum Vorjahr etwa 13,5 Milliarden Euro gespart haben. Der Preisverfall beim Rohöl kommt allerdings nur zum Teil bei den Kunden an: Jeder Liter Benzin enthält eine pauschale Energiesteuer von gut 65 Cent, bei Diesel sind es etwa 47 Cent. Hinzu kommt die Umsatzsteuer, die auf den Endbetrag erhoben wird. Regelmäßig machen Steuern somit mehr als zwei Drittel des Spritpreises aus.

Hart trifft der Preisverfall im Gegenzug die Öl- und Gasförderer. Die Konzerne sparen, streichen Stellen, verschieben Investitionen und verkaufen wenig lukrative Quellen. Am Montag gab etwa Royal Dutch Shell, Europas Nummer eins der Branche, bekannt, aus einem milliardenschweren Erdgasprojekt in den Vereinigten Arabischen Emiraten auszusteigen.

Die Beratungsfirma Wood Mackenzie hat zusammengetragen, wie viele Vorhaben die Unternehmen weltweit seit dem Absturz des Ölpreises im Sommer 2014 aufgeschoben oder gestrichen haben. Die Fachleute kommen auf 68 große Öl- und Gas-Förderprojekte im Wert von 380 Milliarden Dollar - der niedrige Preis habe "brutale Folgen" gezeigt, schreiben sie. Zumindest bis zum Sommer erwarten die Berater weitere Kürzungen. Die 68 eingesparten Projekte könnten fast drei Millionen Barrel am Tag produzieren, so viel wie Kuwait. Diese Menge an neuem Öl und Gas kommt wegen der Geldnot der Firmen nicht oder verspätet auf den Markt. Der niedrige Ölpreis heute führt also dazu, dass in einigen Jahren weniger gefördert wird, als es sonst der Fall gewesen wäre.

Mehr als die Hälfte der aufgeschobenen Projekte sind Fördervorhaben in der Tiefsee. Dort Öl und Gas zu fördern, ist besonders teuer - und riskant, wie die Ölpest im Golf von Mexiko vor fünfeinhalb Jahren gezeigt hat. Damals war BPs Plattform Deepwater Horizon explodiert. Doch die Unternehmen sparen nicht nur bei weit gediehenen Projekten, sie kappen zugleich die Ausgaben für die Erkundung neuer Reserven. Shell etwa verkündete kürzlich, keine Probebohrungen mehr in den arktischen Gewässern vor Alaska zu planen. Umweltschützer lehnen das ohnehin ab, aber das Aus hatte wirtschaftliche Gründe. Dass die Branche jetzt weniger in die Suche nach neuen Quellen investiert, wird die Fördermenge künftig weiter senken - und dem Ölpreis wieder Auftrieb geben.

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