EnBW-Chef im Interview:"Solartechnik wird uns nicht weiterhelfen"

EnBW-Vorstandschef Hans-Peter Villis über Markenstrategie, die Zukunft des Stromnetzes und erneuerbare Energien.

Dagmar Deckstein

Hans-Peter Villis, 50, steht seit Oktober 2007 an der Spitze des drittgrößten deutschen Energiekonzerns, EnBW. Er trat die Nachfolge von Utz Claassen an, der seinen Vertrag nicht verlängern wollte. Villis war vorher Finanzchef von Eon Nordic und will EnBW mit erneuerbaren Energien und Kernkraft zu Wachstum verhelfen.

EnBW-Chef im Interview: Der EnBW-Vorstandsvorsitzende Hans-Peter Villis: "Wir dürfen in Deutschland nicht Anschluss und Kompetenz in der Kernkraft verlieren."

Der EnBW-Vorstandsvorsitzende Hans-Peter Villis: "Wir dürfen in Deutschland nicht Anschluss und Kompetenz in der Kernkraft verlieren."

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Süddeutsche Zeitung: Herr Villis, in welchem Zustand haben Sie den Konzern vorgefunden, als Sie ihn von Utz Claassen übernahmen?

Hans-Peter Villis: Der Zustand war gut. Nach der Konsolidierung war es jedoch notwendig, das Unternehmen auf den nächsten Schritt, auf Wachstum, vorzubereiten. In den vergangenen Monaten haben wir daher eine tragfähige Wachstumsstrategie mit Fokus auf das Energiegeschäft entwickelt und setzen diese derzeit um. In Punkto Wachstumsstrategie war die EnBW im Vergleich zum Wettbewerb wie Eon und RWE hintendran. Das haben wir geändert.

SZ: Ihr Kollege Jürgen Großmann nimmt gerade RWE auseinander, um die Strukturen neu zu ordnen. Haben Sie auch so etwas mit EnBW vor?

Villis: Sicher nicht. Aber wir prüfen gerade, ob wir nicht beispielsweise den Vertrieb weiter optimieren und auch dort, wo notwendig, neu organisieren. Festhalten werden wir auf jeden Fall an unserer Mehrmarkenstrategie und im Gegensatz zu Eon unsere Marken - wie Yello oder Stadtwerke Düsseldorf - nicht verschwinden lassen. Was die Optimierung der Wertschöpfungskette von der Energieerzeugung über den Handel bis zum Vertrieb angeht, sind wir schon da, wo die RWE erst noch hinwill.

SZ: Sie wollen den Gaspreis nach vier Prozent im Januar vom 1. April an um weitere 14 Prozent senken. Dann ist der Winter vorbei. Müssen sich Ihre Kunden da nicht verschaukelt vorkommen?

Villis: Im Gegenteil. Wir haben als eines der ersten Unternehmen den Gaspreis ja bereits zum 1. Januar und damit mitten in der Heizperiode gesenkt. Und die Preissenkungen zeigen auch, dass wir Wort halten. Wir haben immer gesagt, die Ölpreisbindung und damit die Preisentwicklung ist keine Einbahnstraße.

Teil 2

SZ: Das Statistische Bundesamt hat gerade festgestellt, dass der Energieverbrauch der privaten Haushalte seit 2000 um elf Prozent zurückgegangen ist. EnBW richtet sich 2009 auf Gewinnstagnation ein. Was ist schlimmer für Sie: sparsame Energiekunden oder die Regulierungsbehörde, die die Durchleitungsentgelte für die Wettbewerber gekappt hat, die ihren Strom durchs EnBW-Netz verkaufen?

Villis: Da macht uns eindeutig die Regulierungsbehörde den größeren Kummer. Kunden, auch wenn sie sparsam sind, bleiben Kunden und darüber freue ich mich. Kunden zu verlieren, ist für ein Unternehmen das Schlimmste. Außerdem beunruhigen mich unsere energiebewussten Kunden nicht - im Gegenteil: Die EnBW fördert ja ausdrücklich den effizienten Einsatz von Energie. Da sind wir wie unsere Kunden, die ohnehin zu den sparsamsten weit und breit zählen. Der Durchschnittsjahresverbrauch eines Haushalts liegt bundesweit bei rund 3500 Kilowattstunden im Jahr; hier in unserem Heimatmarkt Baden-Württemberg sind es gerade mal rund 2900 Kilowattstunden.

SZ: Mit Ihren treuen EnBW-Kunden ist das eine zweischneidige Sache. Ihre Billigstromtochter Yello hat vergangenes Jahr statt der angestrebten 200 000 nur 40 000 Neukunden gewonnen. Wann stellen Sie Yello ein?

Villis: Von Einstellen kann keine Rede sein. Yello ist eine tolle und bekannte Marke, und über diesen Vertriebskanal wollen wir weiter wachsen. Nicht zuletzt auch durch unseren neuen, intelligenten Stromzähler.

SZ: Brüssel will den Energieversorgern ihre Stromnetze ganz wegnehmen, um den Wettbewerb zu fördern. Geben Sie Ihres her?

Villis: Nein. Nächste Frage.

SZ: Nein?

Villis: Wir haben über diese Frage natürlich intensiv diskutiert. Wir wollen unser Netz behalten, denn zum einen hängen viele unserer Kunden an unserem Netz, zum anderen stimmt die Logik nicht, dass private Eigentümer Wettbewerb verhindern würden. Zudem muss man wissen, dass der Stromkunde gerade mal vier Prozent seiner Stromrechnung für die Nutzung der Höchstspannungsnetze zahlt.

SZ: Am Stromgeschäft, das den Löwenanteil von 80 Prozent am EnBW-Umsatz ausmacht, dürften Sie 2009 ohnehin nicht viel Freude haben. Spüren Sie die Krise schon auf der Einnahmenseite?

Villis: Ja. Wir haben im Januar gegenüber dem Vorjahr bereits weniger Strom verkauft. Wenn sich die Konjunktur nicht bessert, können wir hochgerechnet aufs Gesamtjahr bei unseren Industriekunden wohl bis zu vier Milliarden Kilowattstunden Stromabsatz verlieren, etwa doppelt so viel, wie ganz Karlsruhe übers Jahr an Strom verbraucht. Ob Daimler, die Automobilzulieferer, die Maschinenbauer oder die Papierindustrie - da läuft derzeit die Produktion nur eingeschränkt. Ich kann nicht ausschließen, dass wir konjunkturbedingt bis zu zehn Prozent Absatz an unsere Großkunden verlieren.

SZ: Sie haben kürzlich gesagt, Sie würden am liebsten ein Kernkraftwerk bauen. Wo denn?

Villis: In Deutschland dürfte ich es gar nicht bauen, leider. Wir sprechen ja zur Zeit bestenfalls über Laufzeitverlängerungen bestehender Kernkraftwerke. Dies ist schade, denn wir haben in Deutschland sichere Kernkraftwerke, die brauchen wir auch in der Zukunft. Die Kerntechnik ist keine Übergangstechnologie, sondern Teil eines wirtschaftlich sinnvollen und umweltverträglichen Energiemixes. Ich wünschte, ich hätte die Möglíchkeit, mich an einem Kernkraftwerk zu beteiligen, sei es in Frankreich, in der Schweiz oder anderswo.

Teil 3

SZ: Es heißt immer, Kernkraftwerke zu bauen, sei viel zu teuer. Könnte sich das die EnBW überhaupt leisten?

Villis: Die Kosten für das derzeit modernste Kernkraftwerk mit einer Kapazität von 1600 Megawatt bewegen sich in der Größenordnung von gut vier Milliarden Euro. Heruntergerechnet auf die hergestellte Kilowattstunde produzieren diese Meiler immer noch günstiger als Windparks oder moderne Kohlekraftwerke. Was mir zudem Sorge macht: Wir dürfen in Deutschland nicht Anschluss und Kompetenz in der Kernkraft verlieren.

SZ: Und was ist mit der nach wie vor ungelösten Endlagerfrage?

Villis: Hier ist die Politik gefordert. Aber offenbar wollen Teile der Politik das Problem und nicht die Lösung. Was wir brauchen, ist die weitere Erkundung in Gorleben. Nur so kommen wir in dieser Frage zu einer Lösung.

SZ: Sie klagen auf eine Laufzeitverlängerung des AKW Neckarwestheim. Spielen Sie auf Zeit und spekulieren auf eine neue Zusammensetzung der Bundesregierung im Herbst, die den Ausstieg vom Ausstieg aus der Kernenergie einleitet?

Villis: Das Wort "spekulieren" sollte man heute nicht mehr so unbefangen in den Mund nehmen. Aber im Ernst, ich hoffe auf Vernunft und baue darauf, dass nach der Bundestagswahl über die Problematik noch einmal neu nachgedacht wird. Immerhin hat das stets als vorbildlich gelobte Schweden den Kernenergieausstieg schon wieder rückgängig gemacht.

SZ: Sie investieren auch kräftig in erneuerbare Energien - Windparks in Ost- und später Nordsee, Wasser und Geothermie. Tun Sie das aus ökologischer Überzeugung oder nur, weil der Staat alternative Energien stark subventioniert?

Villis: Wir stehen schon immer für einen ausgewogenen Energiemix. Unser Kernenergieanteil bei der Stromerzeugung ist mit über 50 Prozent hoch, aber auch bei den Erneuerbaren liegt unser Anteil mit knapp zwölf Prozent traditionell überdurchschnittlich hoch. Der Rest besteht aus fossilen Energieträgern.

SZ: Solarenergie ist kein Thema?

Villis: Für eine effiziente großtechnische Nutzung der Solarenergie scheint in Deutschland zu selten die Sonne. Der Solaranteil an der Energieerzeugung wird auch 2020 noch bei gerade mal einem Prozent liegen. Solartechnik wird uns nicht dabei helfen, eine größere Energielücke zu schließen. Dazu muss man wissen, dass die CO2-Vermeidungskosten bei der Photovoltaik um das 15-fache größer sind als zum Beispiel bei der Wasserkraft. Das macht doch volkswirtschaftlich gar keinen Sinn.

SZ: Der Strommarkt in Deutschland ist oligopolistisch aufgeteilt. Gibt es für EnBW überhaupt noch Wachstumschancen im Land?

Villis: Laut Bundeskartellamt und des BGH gibt es im deutschen Strommarkt ein Duopol, welches von EON und RWE gebildet wird. Beide Unternehmen werden als marktbeherrschend gesehen. Der BGH hat zudem ausgeführt, dass EnBW und Vattenfall nicht in der Lage seien, den Wettbewerb mit den beiden Großen auf Augenhöhe auszutragen.

SZ: Das heißt, Sie können sich von Ihrem Schwerpunktmarkt Baden-Württemberg weiter ausdehnen?

Villis: Ja, wir können und wir wollen wachsen. Und das tun wir ja auch schon - etwa durch unsere Beteiligungen in Nordrhein-Westfalen oder Sachsen. Wir haben lange im Vorstand diskutiert, ob wir uns verstärkt im Ausland engagieren sollen - von Italien über Großbritannien bis Aserbaidschan. Aber die Kultur hier in Deutschland liegt uns viel näher, also werden wir auch die Wachstumschancen im Inland ausschöpfen.

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