Elektronische Gesundheitskarte:Digitale Medizin muss freiwillig bleiben

Elektronische Gesundheitskarte

Soll statt Papier und Stift endlich in alle Arztpraxen Deutschlands einziehen: die elektronische Gesundheitskarte.

(Foto: dpa)

Jens Spahn träumt schon von Röntgenbildern auf dem Smartphone. Doch bei allem Enthusiasmus darf er nicht vergessen, über die Nebenwirkungen aufzuklären.

Kommentar von Kristiana Ludwig

Mit der elektronischen Gesundheitskarte verhält es sich wie mit dem Berliner Flughafen. Das Projekt war - gefühlt - schon immer da, es wird nie fertig, und wenn es mal in den Medien auftaucht, dann immer nur mit einer neuen Katastrophe - oder mit einer Fristverlängerung. Kein Wunder, dass jetzt die Nachricht umhergeistert, die Bundesregierung wolle die Karte nun endgültig beerdigen. Doch selbst nach 14 Jahren Entwicklungsdauer bleibt das Aus des Projekts nicht mehr als ein Gerücht. Auch der neue Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hält an dem sicheren Datennetz fest, dass künftig alle Arztpraxen und Krankenhäuser miteinander verbinden soll - zu Recht.

Das deutsche Gesundheitssystem mag sehr gute Ärzte und modernste Eingriffe hervorgebracht haben. Trotzdem sind viele Mediziner noch immer auf Papier, Stift und das Gedächtnis ihrer Patienten angewiesen. In jedem neuen Wartezimmer füllen sie Formulare aus, auf denen sie zum Beispiel die Krebserkrankung ihrer Großmutter, Allergien oder all ihre Tabletten vermerken sollen. Wenn hier Informationen untergehen, kann das bei der Behandlung gefährlich werden. Ein digitaler Datensatz würde Arztbesuche sicherer machen, einerseits.

Andererseits können Informationen auch selbst zum Sicherheitsrisiko werden. Wer möchte schon, dass Hacker oder gar der Arbeitgeber erfahren, dass man etwa psychisch erkrankt oder HIV-positiv ist? Eine wohlbedachte Abwägung zwischen Datenschutz und digitalem Fortschritt ist in kaum einem Bereich so wichtig wie im Gesundheitswesen. Ein sicherer Kommunikationsweg, wie ihn die Gesundheitskarte bieten soll, ist darum unumgänglich. Trotzdem ist diese Karte, ähnlich wie der Flughafen, zu einer Lachnummer geworden, die Spahn gerne beenden würde.

Der neue Minister will nicht nur vermeiden, dass er am Ende seiner Amtszeit, so wie seine Vorgänger, mit leeren Händen dasteht. Er hat dazu noch Digitalisierung zu seinem persönlichen Thema gemacht. Im Gesundheitsministerium hat er sogar eine eigene Abteilung für "Digitalisierung und Innovation" geschaffen. Und schon vor zwei Jahren schrieb er ein ganzes Buch gegen analoge Ärzte. Datenschutz sei nur etwas für Gesunde, hieß es darin.

Mobile Gesundheitsapps werden sicherlich Aufwind bekommen

Seit Spahn im Amt ist, lässt er kaum eine Gelegenheit aus, um zu betonen, dass für ihn die Zukunft im Smartphone steckt und nicht in einer Plastikkarte. Zwar will der neue Gesundheitsminister das alte System nicht vollkommen ersetzen. Aber er will ermöglichen, dass Rezepte, Röntgenbilder und Arztbriefe künftig auf dem Handy lesbar sind. Mobile Gesundheitsapps werden mit Sicherheit durch Spahn Aufwind bekommen.

Bei allen denkbaren Disruptionen, die Spahn vorschweben mögen, muss jedoch Freiwilligkeit die wichtigste Voraussetzung bleiben. Die Patienten allein sollten entscheiden können, ob ihnen der Datenschutz wichtiger ist oder ein Arzt, der über jedes Detail der Krankengeschichte informiert ist. Das Smartphone für medizinische Angaben zu nutzen darf niemals zur Pflicht werden. Denn digitalen Systeme sind viel zu anfällig für Angriffe von außen. Und auch wenn die Nutzung von digitaler Medizin den Menschen selbst überlassen bleibt: Spahn muss sie über die Nebenwirkungen aufklären. Bereits heute ist das größte Risiko für Daten aller Art die Gedankenlosigkeit ihrer Besitzer.

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