Elektromobilität:Post wird zum führenden Anbieter für E-Transporter

  • Die Deutsche Post baut mit dem Autohersteller Ford einen Elektro-Transporter. Ford liefert Gestell und Fahrerkabine, die Post installiert den E-Antrieb und den Paketkasten.
  • Die Post betreibt etwa 47 000 Fahrzeuge für die Brief- und Paketzustellung. Vom neuen E-Auto namens Work XL will sie nun 2500 Stück bis zum Jahr 2018 bauen.

Von Benedikt Müller, Köln

Dass dieser Paketwagen anders ist als die anderen, das sieht man nicht auf den ersten Blick. Man hört es vielmehr: Wenn der Transporter das Ladetor der Post verlässt, dann ist da kein Zündgeräusch, kein knatternder Diesel. Nur das dezente Summen eines Elektromotors, wie man es vielleicht von einem Akkubohrer im Leerlauf kennt.

Mit dem "Work XL" hat die Deutsche Post am Mittwoch ihr drittes eigenes Transporter-Modell vorgestellt. Es soll, rein elektrisch betrieben, Pakete durch Großstädte befördern. Die Post will in diesem Jahr 150 Work XL auf die Straße bringen; Tausende sollen folgen. Für die sieben Meter langen Stromer liefert der Autohersteller Ford Gestell und Fahrerkabine; eine Tochter der Deutschen Post baut den E-Antrieb ein und setzt den Paketkasten auf.

Den neuen Wagen stellen Ford und die Post inmitten einer politischen Diskussion vor, die für beide Firmen unangenehm ist: Die millionenfache Überschreitung von Abgaswerten hat das Vertrauen in Dieselfahrzeuge erschüttert. Staaten beschließen Ablaufdaten für Verbrennungsmotoren. Und Städte wie Stuttgart und München, die unter hohen Feinstaub- und Stickstoffdioxid-Werten ächzen, diskutieren Fahrverbote für Dieselautos. Leidtragende wären die Post und deren Konkurrenten im Paketgeschäft. Denn die vielen Lieferwagen machen nicht nur Lärm und verstopfen die Straßen - sie tanken auch allesamt Diesel.

In vorauseilendem Gehorsam wollte die Post schon vor Jahren E-Transporter für ihre Tochter DHL bestellen. Doch große Hersteller hatten nichts im Angebot; sie entwickeln erst allmählich E-Autos für Privatleute. Ein Problem vieler Firmen, sagt Rainer Scholz von der Beratungsfirma EY: "Die Einführung von E-Transportern scheitert vielerorts daran, dass bislang kaum geeignete Modelle auf dem Markt sind."

DHL bestellte daraufhin kleine E-Transporter bei Streetscooter, einer jungen Firma aus Aachen. Im Jahr 2014 hat der Postkonzern das Start-up übernommen. Inzwischen hat die Post mehr als 3000 Streetscooter der Modelle Work und Work L im Einsatz. Mit ihnen kann DHL in immer mehr Städten emissionsfrei zustellen. Doch waren die beiden Modelle eher für die Verbundzustellung auf dem Land gedacht, wo ein Bote Pakete und Briefe verteilt: die Briefe auf dem Beifahrersitz, 120 Pakete hinten im Kasten. Doch im Boom des Online-Handels reicht das nicht aus für Großstädte. Daher der Work XL.

Das Modell zeigt, wie Elektromobilität die Automobilbranche umkrempeln kann: Der Traditionshersteller Ford dient hier nur noch als Zulieferer eines Gestells. Das Start-up der Post ist hingegen zum führenden Hersteller von E-Transportern aufgestiegen. "Ich freue mich, jetzt nebenbei in der Automobilindustrie tätig zu sein", scherzt Post-Vorstand Jürgen Gerdes am Mittwoch. Seit diesem Jahr verkauft Streetscooter seine beiden ersten Modelle auch an Handwerker, Lieferdienste oder kommunale Betriebe. Die Nachfrage ist seit dem Dieselskandal gestiegen. "Viele Städte wollen derzeit die Elektromobilität fördern, um die Luftgüte im Stadtgebiet zu erhöhen", sagt Experte Scholz. "Dabei geht es nicht nur um den Pendlerverkehr, sondern auch um Werks- und Lieferverkehre."

Der Streetscooter kann nur 80 bis 200 Kilometer fahren - das reicht aber

Viele Eigenschaften, die Privatleute vom Kauf eines E-Autos abhalten, spielen etwa für Paketdienste keine Rolle. Zum Beispiel die geringe Reichweite der Streetscooter von 80 bis 200 Kilometern: Sie reicht für die Tagestour eines Boten aus, nachts lädt der Akku Ökostrom am Post-Gebäude. Oder die magere Höchstgeschwindigkeit von 85 Kilometer pro Stunde.

Doch selbst wenn DHL künftig das letzte Stück zum Kunden elektrisch fährt, bleibt die Öko-Bilanz des Online-Handels umstritten. Denn die vielen Sendungen benötigen Verpackungen. Und Überland-Strecken legt DHL weiter mit Diesel-Lkw zurück. Die Post betreibt etwa 47 000 Fahrzeuge für die Brief- und Paketzustellung. Vom neuen Work XL will sie nun 2500 Stück bis zum Jahr 2018 bauen. Der Weg ist also weit bis zur emissionsfreien Post. "Wir stehen erst am Anfang einer gigantischen Entwicklung", gesteht Vorstand Gerdes. "Aber immerhin stehen wir da."

Indem die Post ihre E-Transporter von einem Start-up anstatt von einem etablierten Hersteller bezieht, nimmt sie allerdings gewisse Kinderkrankheiten in Kauf. In einem ZDF-Bericht beklagen Paketboten, die ersten Modellreihen seien nicht immer straßentauglich. Nach Informationen aus Gewerkschaftskreisen sind Probleme mit dem Streetscooter tatsächlich regelmäßig Thema in den Betriebsräten. Insbesondere sei die Reichweite an kalten Tagen und in bergigen Gegenden eingeschränkt. Arbeitnehmervertreter begrüßen aber grundsätzlich, dass sich der Konzern frühzeitig mit der E-Mobilität beschäftigt hat.

Mit Hermes will ein großer DHL-Konkurrent im kommenden Jahr nachziehen: Gemeinsam mit Mercedes-Benz will Hermes elektrische Transporter Anfang 2018 testen. Ford wiederum will nun prüfen, künftig noch enger mit der Post-Tochter Streetscooter zusammenzuarbeiten. Auch Post-Vorstand Gerdes sagt, es sei sinnvoll, über weitere gemeinsame Aktivitäten nachzudenken. Jedenfalls plant Streetscooter, neben dem Standort Aachen eine zweite Fabrik in Nordrhein-Westfalen. Das hört auch die Landesregierung gerne, die NRW zu einem führenden Standort für Elektromobilität entwickeln will.

Aus dem Umfeld der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen hat sich indes mit E.Go ein weiterer Hersteller von E-Autos gegründet. Der Wissenschaftler Günther Schuh, der einst den Streetscooter mitentwickelte, will im kommenden Jahr mit einem elektrisch betriebenen Kleinwagen für Städter in Serie gehen. Sein "Life"-Modell hat zwar lediglich 100 Kilometer Reichweite, soll aber nur knapp 12 000 Euro kosten, wenn man die staatliche Kaufprämie berücksichtigt. Die Beispiele zeigen, dass Auto-Start-ups im E-Zeitalter eine Chance haben, sagt Mobilitätsexperte Scholz. "Sie bauen spezifische Fahrzeuge für spezifische Nischenmärkte."

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