Einzelhandel:Lidl und dm bei Karstadt

Der Warenhaus-Konzern arbeitet an völlig neuen Konzepten: Bis zu einem Drittel der Flächen sollen möglicherweise künftig untervermietet werden. Aber bleibt dann der Charakter des Kaufhauses erhalten? Oder ist das eine Gefahr?

Von M. Hägler, D. Friese, M. Kläsgen

Der Name des Strategiepapiers klingt eher einlullend: "Weiterentwicklung Verkaufsflächen", steht da geschrieben. Der Inhalt des vertraulichen Schreibens, das der Süddeutschen Zeitung, dem WDR und NDR vorliegt, hat es aber in sich. Demnach könnten sich demnächst Ketten wie die Discounter Aldi oder Lidl, Drogeriemärkte wie dm oder Rossmann, Haushaltseinrichter wie Ohlson oder Schnellrestaurants wie Vapiano in den Karstadt-Häusern wiederfinden - das wäre ein Novum.

Karstadt will "alles unter einem Dach" bieten, mehr Menschen in die Häuser ziehen, auf diese Weise mehr Umsatz machen und, so denn das Konzept aufgeht, sichere Mieteinnahmen generieren. Für die Kunden hätte der anvisierte Umbau Charme. Arbeitnehmervertreter hingegen haben vor allem Angst um die Jobs in den bundesweit 80 Filialen des immer noch angeschlagenen Warenhauskonzerns. "Es ist zu befürchten, dass Arbeitsplätze insgesamt noch mal in Frage gestellt werden", sagt Arno Peukes, Verhandlungsführer der Gewerkschaft Verdi.

Dem Papier zufolge erwägt Karstadt, bis zu einem Drittel aller Verkaufsflächen an "Kooperationspartner" zu vermieten. Auch wenn der Wert hochgegriffen sein mag, die Verunsicherung ist da. Ein Drittel weniger Fläche, könnte auch ein Drittel weniger Karstadt-Mitarbeiter bedeuten, schätzt der Gewerkschafter. In den vergangenen Jahren mussten bereits 3000 Beschäftigte gehen. Heute hat Karstadt noch etwa 13 500 Mitarbeiter. Die Unternehmensleitung bekräftigt hingegen: "Es gibt keine Pläne für einen Personalabbau." Es gehe darum, ein breiteres Waren- und Serviceangebot zu machen, jeden Standort nach den Bedürfnissen am jeweiligen Ort auszurichten und einen lokalen Marktplatz-Charakter zu schaffen.

Nachgedacht wird im Kern darüber, wie Flächen, auf denen sich das eigene Geschäft kaum mehr lohnt, betriebswirtschaftlich behandelt werden können. Würden sie vermietet, könnte man dort wenigstens stabile Einnahmen erzielen, so die Überlegungen. Das passt zu dem Vorhaben, dass künftig ohnehin zwei "Betriebstypen" nebeneinander, jeder für sich, erfolgreicher arbeiten sollen als vorher: die großstädtischen "Erlebnishäuser" ("Kaufhaus des Lebens") und die Nahversorger ("Kaufhaus der Stadt") an kleineren Standorten. Bereits jetzt gibt es in vielen Kaufhäusern unterschiedliche Arten von Mietern. Etwa sogenannte Shop-in-Shop-Konzepte oder Konzessions-Modelle, bei denen Markenartikler eine gewisse Fläche teils eigenständig betreiben, teils mit Hilfe des Warenhauspersonals. Handelsexperten halten die Vermietung für dringend geboten, um die Warenhäuser attraktiv zu halten.

Das Erdgeschoss ist der Ort, an dem der meiste Umsatz gemacht wird

So weit, so gut. Die Frage ist nur, ist Karstadt dann noch als Warenhaus erkenntlich oder verliert es diesen Charakter, wenn sich der Kunde auf den Etagen durch ein Sammelsurium von namhaften Ketten schlängelt? Die Antwort wird im Wesentlichen davon abhängen, wie weit das neue Konzept tatsächlich in den Filialen Niederschlag findet. Betriebsräte beunruhigt gegenwärtig noch die Vorstellung, die Pläne könnten "überreizt" werden. In dem Papier werden an die 20 mögliche "Kooperationspartner" genannt, darunter neben den genannten auch Modeketten wie Primark oder TK-Maxx, Technikmärkte wie Expert, Freizeitketten wie Hunter oder Möbelanbieter wie Roller. Keine Frage, Karstadt würde damit neue Wege gehen. Das Warenhaus könnte damit sein Sortiment ausweiten und ergänzen. Manchen potenziellen Kunden fehlte das vielleicht. Positiv gesehen, würden die Häuser so mit neuem Leben gefüllt.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Mieter sogar neue Jobs schaffen, vorausgesetzt, die Kooperation mit Karstadt ist überhaupt attraktiv genug für sie. Einen Aldi-Markt auf kleiner Fläche kann man sich nur schwer vorstellen. Kritiker wie der Warenhausexperte Gerd Hessert, der selbst bei Karstadt arbeitete, sieht bei einigen der möglichen Kandidaten zudem keinen Gewinn für das Stammgeschäft, also das Warenhaus. "Gerade Textilunternehmen wie Primark oder TK-Maxx wollen natürlich einen eigenständigen Auftritt von der Fußgängerzone haben und keine Zugänge über Karstadt", bemängelt er.

Hessert hält es für problematisch, wenn das Erdgeschoss seinen typischen Warenhauscharakter verlieren würde. In einem Kaufhaus ist das Erdgeschoss in der Regel der Ort, an dem der meiste Umsatz gemacht wird. Verliert Karstadt also mit dem Vorhaben seinen Charakter? Das Unternehmen verneint. "Das Warenhaus als Konzept", versichert man, "wurde nicht aufgegeben."

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