Einzelhandel:Die Deutschen lieben billigen Wein

Weinregale im Supermarkt

Fast 80 Prozent aller Weine werden in Deutschland mittlerweile in Supermärkten und Discountern verkauft.

(Foto: dpa/dpaweb)
  • Im Schnitt kaufen Supermarkt-Kunden in Deutschland Wein für 2,92 Euro pro Liter.
  • Die Sparsamkeit der Verbraucher zwingt die Winzer, ihr Geschäft zu verändern.
  • Wer im Discount bestehen möchte, muss auf Masse setzen.

Von Michael Kläsgen und Benedikt Müller, Düsseldorf

Jetzt auch noch Günther Jauch. Auf der Suche nach prominenten Paten für sein Weinsortiment hat Aldi den Fernsehmoderator verpflichtet: Seit dieser Woche stehen zwei Jauch-Weine in den Regalen des Discounters. Mit knapp sechs Euro zählen sie dort schon zu den teureren Flaschen. Doch mit jenem Weingut an der Saar, das Jauch seit acht Jahren besitzt, haben die Tropfen nichts zu tun. Der TV-Star hat gemeinsam mit seinem Kellermeister Andreas Barth lediglich ausgewählt, welche Qualitätsweine anderer hiesiger Winzer in seine Aldi-Cuvées münden sollen. Abgefüllt werden die Mischungen letztlich in Deutschlands größter Weinkellerei Mertes an der Mosel.

Denn wer mit Handelsriesen wie Aldi ins Geschäft kommen will, muss selbst ein großer Betrieb sein. Dies gilt auch beim Wein - und das verändert die traditionell kleinteilige Weinindustrie, die in diesen Tagen zur Fachmesse Pro Wein in Düsseldorf zusammenkommt.

Fast 80 Prozent aller Weine hierzulande werden mittlerweile in Supermärkten und Discountern verkauft, meldet das Marktforschungsinstitut GfK. Vor allem Billigketten wie Aldi und Lidl haben ihren Marktanteil ausgebaut. "Die Discounter haben den Wert deutscher Weine erkannt", sagt Monika Reule, Geschäftsführerin des Deutschen Weininstituts. Doch gibt es in dem umkämpften Wettbewerb Schwellenpreise, die kein Händler überschreiten will. Im Schnitt kaufen Supermarkt-Kunden in Deutschland den Liter Wein für 2,92 Euro.

Insofern ist es die eigene Oberklasse, die Aldi Süd dieser Tage in Düsseldorf ausschenkt. Mitten in der Fußgängerzone hat die Handelskette einen Pop-up-Store aufgestellt: ein paar schicke Container, die nach wenigen Tagen wieder aus dem Stadtbild verschwinden. Darin kredenzt Aldi etwa einen Rosé des Bordeaux-Weinguts Baron Philippe de Rothschild. Im Sommer dann will Aldi Süd mit einem blauen Lieferwagen auf Stadtfeste und Festivals fahren und seine Weine ausschenken.

"Mit unserem Pop-up-Store und unserem Wein-Truck wollen wir neue Kunden auf unser Sortiment aufmerksam machen", sagt Merle Rotondo, die für den Rebensaft bei Aldi Süd verantwortlich zeichnet. Wein ist für Discounter etwas Besonderes. Sie können damit, wenn sie es richtig anstellen, ihr Image aufpolieren und zahlungskräftige Kunden anlocken. Die Gewinnmargen in diesem Segment verraten die Handelsketten freilich nicht.

Teurer Bordeaux von Lidl ist ein Ladenhüter

Aldi Nord und Aldi Süd verkaufen zusammengerechnet jede vierte Weinflasche in Deutschland. Und das, obwohl die Discounter mit 80 bis 100 verschiedenen Weinen deutlich weniger Auswahl bieten als Supermärkte oder Warenhäuser. Hinzu kommen jedoch Aktionsangebote, etwa Festtagsweine in den Wochen vor Ostern oder Weihnachten.

Wein lässt sich - auch für Discounter - gut im Internet verkaufen. Aldi tut das bislang nicht, Lidl, Penny, Norma und Netto hingegen schon. Lidl hat eigens für den Onlinehandel mit Wein seine Lagerkapazitäten ausgebaut. Allerdings erlitt der Aldi-Konkurrent vor wenigen Jahren auch einen herben Rückschlag: Lidl bot eine Fülle französischer Weine an, darunter einen Süßwein aus Bordeaux für 349 Euro, der aber im Regal liegen blieb und noch heute im Internet zu haben ist.

Aldi Süd setzt indes verstärkt auf heimische Tropfen. "Wir sehen, dass die Nachfrage nach Weinen aus Deutschland steigt", sagt Einkäuferin Rotondo. Dass hiesiger Rebensaft wieder hip ist, bezeugen auch die prominenten Werbefiguren in der Branche. So haben etwa Schauspieler Matthias Schweighöfer und Fernsehmoderator Joko Winterscheidt am Sonntag ihren bereits zweiten Wein vorgestellt, den die rheinhessische Winzerin Juliane Eller unter gemeinsamer Marke auf den Markt bringt.

Einige kleinere Betriebe stehen vor dem Aus

Vom Aufstieg deutscher Weine profitiert auch Johannes Leitz. Der Winzer aus dem Rheingau, der Anfang der 1980er-Jahre einen kleinen elterlichen Betrieb übernahm, exportiert mittlerweile 85 Prozent seiner Tropfen ins Ausland. Wie viele Betriebe setzt er auf moderne und puristische Etiketten, hat seinen "Rüdesheimer Drachenstein" etwa als "Dragon Stone" auf den Markt gebracht. Immer mehr Einkäufer in Übersee schätzen deutsche Weine, die oft mit weniger Alkohol auskommen als manch mediterranes Schwergewicht. Der Vertrieb im Ausland leidet derzeit aber am starken Euro-Wechselkurs.

Nun verkauft auch Leitz einen beträchtlichen Teil seiner Weine an Aldi Süd. Seit dieser Woche liegt sein trockener Riesling in den Regalen des Discounters: selbst erzeugt und abgefüllt, zu knapp sieben Euro die Flasche. Leitz ist froh, "einen so starken Partner an der Seite zu haben". Der Winzer hat seinen Betrieb zuletzt gehörig ausgebaut, erntet mittlerweile Trauben auf annähernd 100 Hektar Fläche. So viel sei in etwa nötig, sagt Leitz, um einen Riesen wie Aldi beliefern zu können.

Verbraucher zahlen für deutsche Weine mehr

Je mehr Wein die Verbraucher also bei Supermärkten und Discountern kaufen, desto schneller wird die Konzentration unter den Herstellern voranschreiten: Das Statistische Bundesamt zählte zuletzt knapp 17 000 Weinbaubetriebe in Deutschland, 3000 weniger als noch 2010. Vor allem kleine Familienbetriebe und Winzer im Nebenerwerb geben auf. Zugleich ist die Fläche im Weinanbau leicht gestiegen. Die großen Weingüter und Genossenschaften werden also tendenziell größer - mithin die ganze Branche professioneller, auch um gegenüber den mächtigen Handelsketten bestehen zu können. Doch drohen die kleinen Betriebe auszusterben?

Immerhin sind die Verbraucher bereit, für heimische Tropfen etwas mehr Geld auszugeben als für ausländische, zeigen die GfK-Zahlen. Im Fach- und Onlinehandel sowie im Verkauf ab Hof können Winzer den Liter Wein im Durchschnitt für 6,75 Euro verkaufen. Es kommt also darauf an, dass Winzer diesen Kundenstamm pflegen und neue Gäste anlocken.

Und dann gibt es noch Initiativen wie die von Fritz Keller. Der 60 Jahre alte Winzer und Gastronom vom Kaiserstuhl betreut schon seit zehn Jahren eine Weinmarke für Aldi. Ähnlich wie Günther Jauch ist sein eigenes Weingut in Oberbergen aber zu klein, um Discounter-Weine selbst abzufüllen und zu etikettieren. Stattdessen arbeitet Keller mit gut 400 kleineren Betrieben in Baden zusammen, die einen Teil ihrer Ernte für den gemeinsamen Aldi-Wein abgeben. Keller schreibt seinen Partnern jedoch gewisse Anbaustandards und Arbeitsbedingungen vor. "Wir erreichen damit sehr viele Menschen mit einem handwerklich vernünftigen Produkt", sagt er.

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