Einstieg von Porsche bei VW:Eine Rochade zu viel

Wie beim Schach wollte Porsche-Chef Wendelin Wiedeking vorgehen, um beim größten deutschen Autokonzern Volkswagen einzusteigen. Doch er konnte nicht alle Züge überblicken.

Michael Kuntz

Im September 2005 begann der Einstieg von Porsche bei Volkswagen. Porsche-Chef Wendelin Wiedeking wähnte bereits ausländische Finanzinvestoren an der Schwelle des Verwaltungshochhauses von VW in Wolfsburg. Er ließ sich als Retter feiern. Das war der erste Zug in einem Spiel, von dem Wiedeking immer sagte, es sei wie Schach: Taktisch klug vorgehen und nie den nächsten Schritt verraten.

Einstieg von Porsche bei VW: Wendelin Wiedeking vor einem VW-Logo: Noch Ende Januar wurde der Porsche-Chef in als Held gefeiert.

Wendelin Wiedeking vor einem VW-Logo: Noch Ende Januar wurde der Porsche-Chef in als Held gefeiert.

(Foto: Foto: dpa)

Der Schachspieler bei Porsche war dabei noch nicht einmal der Boss Wiedeking selbst, sondern sein Finanzchef Holger Härter. Der erwarb sich den Ruf eines Finanzgenies. Wie er die Aktien bis zu einem Anteil von inzwischen 50,2 Prozent zusammenkaufte, das hat zwar bis heute kaum einer so richtig verstanden, doch eines ist klar: Das System Härter war lange Zeit sehr erfolgreich.

Die Gewinne aus den Spekulationen auf Basis sogenannter cashgesettelter Optionen sprudelten jedenfalls so kräftig, dass Porsche die bilanzielle Sensation hinbekam, mehr Gewinn als Umsatz zu verbuchen.

80 Millionen Euro Jahreseinkommen

Das aufgrund eines Vertrags aus den schlechten Zeiten von Porsche zu Beginn der neunziger Jahre an den Erfolg gekoppelte Einkommen Wiedekings erreichte für das letzte Geschäftsjahr geschätzte 80 Millionen Euro, und auch der Finanzvorstand Härter dürfte mit der Entwicklung seiner Einkünfte zufrieden gewesen sein.

Doch nicht nur Wiedeking und Härter profitierten: Die Millionäre der Familien Porsche und Piëch hatten sie zu Milliardären gemacht. Noch auf der Hauptversammlung der Sportwagenfirma Ende Januar wurden die beiden Manager in der Stuttgarter Porsche-Arena als Helden gefeiert.

Härter hatte es mit seinen Wetten auf die künftige Entwicklung des Aktienkurses von Volkswagen allen gezeigt. Dass auch der schwäbische Großindustrielle Adolf Merckle beim Börsenspiel erst sehr viel Geld, dann die Kontrolle über seinen Konzern verlor und sich daraufhin umbrachte, war zwar eine unerfreuliche Begleiterscheinung. Doch letztlich zählte, dass Härter es erfolgreich mit den modernen Matadoren der Finanzwelt aufgenommen hatte.

"Da wird doch viel zuviel gequatscht"

Der Finanzvorstand des kleinen Sportwagenherstellers zeigte den Bankern und Fondsmanagern, wie das ganz große Geldverdienen geht. Dabei hat Härter sie wohl ausgetrickst, durch ein schwer zu durchschauendes System vieler kleinerer Einzelgeschäfte mit verschiedenen Laufzeiten, die lange unauffällig zu placieren waren. Um große Finanzplätze wie Frankfurt oder London soll Härter dabei einen Bogen gemacht haben. "Da wird doch viel zuviel gequatscht", lästerte ein Insider.

Weil alles so gut lief, sollen die Porsche-Leute gleich auch Wetten auf andere Dax-Werte abgeschlossen haben, angeblich um mit den Gewinnen weitere VW-Aktien zu kaufen. Das brachte Porsche den Ruf von Spekulanten ein - in der Zockerbude von Zuffenhausen, wo die Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Sportwagen auf einmal zur Randaktivität degenerierten.

Zum Schachspiel gehörte auch jenes Manöver, als Porsche im Oktober mitteilte, man kontrolliere direkt beziehungsweise über Optionen bereits 74 Prozent an Volkswagen. Damit hatte keiner gerechnet, und der jetzt wieder bei 240 Euro liegende Kurs explodierte damals auf über tausend Euro. Denn sogenannte Short Seller hatten auf fallende Kurse gesetzt und das Recht auf Volkswagen- Aktien dafür im voraus verkauft. Diese Leerverkäufer brauchten dringend VW-Papiere, um ihre Kontrakte erfüllen zu können. Auch einige Fonds verloren viel Geld und zogen vor die Gerichte. Sie drohten mit einem "Klage-Tsunami".

Die Banken sind misstrauisch

Der Porsche-Finanzchef führte die Finanzwelt aber nicht nur mit seinem filigranen Wettsystem vor. Einmal soll er einen Milliardenkredit aufgenommen haben, angeblich für den Kauf weiterer VW-Anteile. Das Geld haben die Schwaben dann aber angeblich nicht dafür verwendet, sondern bei anderen Banken angelegt und die Zinsdifferenz für sich eingestrichen.

Mit solchen raffinierten Schachzügen waren Wiedeking und Härter erfolgreich, sie machten sich damit aber keine Freunde. Das zeigt sich jetzt in der Finanzkrise. Die Kredite sind knapp, und die Banken sind misstrauisch. Aus den Finanziers wurden Feinde, die fragten statt zahlten, die zögerten und finassierten - so wie es zuvor die Drahtzieher von Porsche getan hatten. Ein Porsche-Manager fasste es auf seine Art zusammen: "Wir drehen ein verdammt großes Rad."

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