Einreise:Aufstand im Tal

Protest gegen Trump - Starbucks

Demonstranten ruhen sich in einem Café von Starbucks aus.

(Foto: Tannen Maury/dpa)

Bosse aus dem Silicon Valley protestieren gegen das von Donald Trump verhängte Einreiseverbot. Ohne Einwanderung gäbe es Apple nicht. Steve Jobs' biologischer Vater kam als syrischer Student in die USA.

Von Kathrin Werner, New York

Der größte unter den Größen des Silicon Valleys hat Wurzeln in Syrien: Steve Jobs. Der biologische Vater des verstorbenen Apple-Gründers, Abdulfattah John Jandali, stammt aus der inzwischen zerstörten syrischen Stadt Homs und kam in den 50er-Jahren als Einwanderer in die USA. "Apple würde ohne Einwanderung nicht existieren, und erst recht nicht so gedeihen und neue Dinge erfinden, wie wir es tun", schrieb Konzernchef Tim Cook in einer Email an seine Mitarbeiter. Man muss das wissen, wenn man den Protest der Technologie-Unternehmen gegen Donald Trumps Einreiseverbot verstehen will.

Das Silicon Valley besteht aus Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten oder sie verließen, um in Kalifornien den amerikanischen Traum zu suchen - das gilt noch mehr für das Tal der Erfinder als für die gesamten Vereinigten Staaten. Es zählt zu den Grundfesten des Silicon Valley, dass Menschen aus der ganzen Welt hier Produkte für die ganze Welt erfinden. Die US-Technologiekonzerne sind durch die Globalisierung groß geworden und haben sie erst zu dem gemacht, was sie ist.

Was wäre die Globalisierung ohne das Internet? Was wäre das Internet ohne die amerikanischen IT-Konzerne? Kaum jemand im Silicon Valley hat deshalb für den Nationalisten Donald Trump als gestimmt. Doch viele Menschen hofften, dass der Wahlkampf-Trump ein anderer Mann ist als der Präsident Trump. Die Hoffnung hat sich nicht bewahrheitet - spätestens seit Freitagnachmittag ist das klar. Der neue US-Präsident hatte am Freitag per Dekret angeordnet, dass Bürger der mehrheitlich muslimischen Länder Irak, Iran, Libyen, Somalia, Syrien, Sudan und Jemen für 90 Tage keine Visa erhalten dürfen. Flüchtlingen untersagte Trump die Einreise für 120 Tage, egal woher sie kommen, syrischen Flüchtlingen sogar auf unbestimmte Zeit.

Das Verbot galt ursprünglich sogar für Menschen mit Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung. Später milderte die Trump-Regierung das ab, Greencard-Inhaber müssen nun vor ihrer Rückkehr in die USA eine amerikanische diplomatische Vertretung aufsuchen und dort zur "Routine-Überprüfung", dann dürfen sie einreisen. Die Greencard-Regelung ist wichtig für die Tech-Industrie, die auf ihre ausländischen Mitarbeiter angewiesen ist.

Für das Silicon Valley ist Trump dennoch zu weit gegangen. Selbst die Firmen, deren Topmanager noch vor wenigen Wochen in den Trump Tower gereist waren, um den neuen Präsidenten möglichst unvoreingenommen kennen zu lernen, kritisieren ihn nun in der Öffentlichkeit. Sergey Brin, einer der Google-Gründer, erschien sogar höchstpersönlich bei einer Demonstration am Flughafen in San Francisco. Er war als Sechsjähriger mit seiner Familie aus der Sowjetunion in die USA geflohen. Als Mitdemonstranten den zehntreichsten Amerikaner entdeckten, schossen sie Selfies mit ihm. "Ich bin hier, weil ich ein Flüchtling bin", sagte er laut dem Magazin Forbes.

"So unamerikanisch, dass es uns alle schmerzt"

Google rief noch vor dem Inkrafttreten des Erlasses mehr als 100 Mitarbeiter, die aus muslimischen Ländern stammen und sich gerade im Ausland aufhielten, in die Vereinigten Staaten zurück. "Es ist schmerzlich zu sehen, wie sich diese Anordnung persönlich auf unsere Kollegen auswirkt", schrieb Konzernchef Sundar Pichai an seine Mitarbeiter. Pichai stammt aus Indien. Google hat einen vier Millionen Dollar schweren "Krisenfonds" für Rechtsbeistand für Betroffene aufgesetzt.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg erzählte in einem Facebook-Posting von seinen Großeltern und der Familie seiner Frau, die alle aus dem Ausland stammten. "Die Vereinigten Staaten sind eine Nation von Einwanderern und wir sollten stolz darauf sein", schrieb er.

Google holte Mitarbeiter, die aus muslimischen Ländern stammen, aus dem Ausland die USA zurück

Twitter-Chef Jack Dorsey sagte, die humanitären und wirtschaftlichen Auswirkungen des Erlasses seien "bestürzend". "So unamerikanisch, dass es uns alle schmerzt", nannte ihn Netflix-Chef Reed Hastings. Das Zimmervermittlungsportal Airbnb verkündete eine symbolträchtige Aktion: Betroffene des Einreiseverbots sollen kostenlos in Airbnb-Wohnungen übernachten dürfen. Die Äußerungen von Microsoft wurden im Laufe des Wochenendes kritischer. Erst lobte der Computerhersteller nur die Vorzüge einer Einwanderungskultur, am Sonntagabend nannte er das Dekret "fehlgeleitet", es drohe "ein Kollateralschaden am Ansehen und den Werten des Landes". Die Tech-Branche hatte sich schon Ende 2015 gewaltig über Trump aufgeregt, als sein Chefstratege und Chefnationalist Stephen Bannon fälschlicherweise behauptete, dass "zwei Drittel bis drei Viertel der Konzernchefs im Silicon Valley aus Südasien oder Asien stammen".

Irgendeine Art von Stellungnahme gegen das Einreiseverbot gab es von den meisten der großen US-Unternehmen, schließlich haben fast alle Mitarbeiter aus den betroffenen Ländern und Kunden in der arabischen Welt. Doch die Formulierungen und Konsequenzen unterschieden sich. Besonders die Unternehmen, deren Chefs sich bereit erklärt haben, Trump in Wirtschaftsfragen zu beraten, tun sich schwer. Dazu zählt Uber. Travis Kalanick, der Chef des Fahrdienst-Vermittlers, bezeichnete das Dekret zwar als "verkehrt und ungerecht". Tausende Fahrer seien von dem Verbot betroffen und säßen zum Beispiel in ihren Heimatländern fest. Uber will sie vielleicht kompensieren und mit einem Drei-Millionen-Dollar-Fonds zur Rechtsbeihilfe unterstützen. Kalanick will das Thema bei seinem Treffen mit Trump am Freitag ansprechen. Doch als in New York die Fahrer der offiziellen gelben Taxis streikten, viele von ihnen Muslime, gab Uber den Kunden der Taxialternative Rabatte - die Taxifahrer kritisierten das als Streikbrechen.

Auch Elon Musk, Chef des Elektroautobauers Tesla, sitzt in zwei Wirtschaftsausschüssen des neuen Präsidenten. "Viele Menschen, die negativ von dieser Politik betroffen sind, sind starke Unterstützer der USA", twitterte er. "Sie haben das Richtige getan, nicht das Falsche, und sie verdienen es nicht, zurückgewiesen zu werden." Das Dekret sei "nicht der beste Weg", mit den Herausforderungen umzugehen - nicht gerade das schärfste Urteil. Jamie Dimon, Chef der größten US-Bank JP Morgan, versprach in einem internen Statement allen Angestellten, die von dem Einreiseverbot betroffen sein könnten, dass sich JP Morgan standhaft für sie einsetzen werde.

General-Electric-Chef Jeff Immelt verkündete, er teile die Sorgen seiner Mitarbeiter und werde den Betroffenen zur Seite stehen und versuchen, mit der Trump-Regierung an Lösungen zu arbeiten. Auch Dimon und Immelt zählen zu den Managern, die Trump beraten wollen. Starbucks-Chef Howard Schultz wählte schärfere Worte. Er sei "tief besorgt" und verkündete Pläne, in den nächsten fünf Jahren 10 000 Flüchtlingen Jobs bei der Kaffeehauskette anzubieten.

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