Einmischung in Koalitionsverhandlungen:Unverschämte Wirtschaftsweise

Was die sogenannten Wirtschaftsweisen mit ihrem Bericht soeben abgeliefert haben, ist anmaßend und geht weit über ihren Auftrag hinaus. Einen von Schwarz-Rot geplanten Mindestlohn hat der Sachverständigenrat nicht zu bewerten.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Der Sachverständigenrat ist kein Aufsichtsrat. Er ist ein wirtschaftliches Beratungsorgan für die Bundesregierung und andere wirtschaftspolitisch verantwortliche Instanzen, aber nicht ihr Kontrollorgan; er ist schon gar nicht ein Organ zur Kontrolle und Bewertung der Koalitionsverhandlungen.

Der Bericht, den die sogenannten Wirtschaftsweisen soeben abgeliefert haben und in dem sie die bisherigen Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen rüde abqualifizieren, ist daher erstens Amtsanmaßung. Zweitens verfehlt der Bericht sein Thema und seinen gesetzlichen Auftrag, weil der Sachverständigenrat, so sagt das Gesetz, "keine Empfehlungen für bestimmte wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen aussprechen soll".

Wenn die Sachverständigen also den Mindestlohn verdammen - den die Koalitionsverhandlungen anstreben, den die große Mehrheit der Bevölkerung will und der aus wirtschafts- und sozialpolitischen Gründen wichtig ist - so ist das wichtigtuerisch und anmaßend, also unverschämt.

Das "Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung" ist gerade fünfzig Jahre alt geworden. Zum Jubiläum darf man einen Satz des Baltasar Gracián zitieren:"Zurückhaltung", so der Philosoph, "ist ein sicherer Beweis von Klugheit." Daraus folgt: Die Wirtschaftsweisen mögen zwar so heißen, klug sind sie nicht. Sie sind naseweis.

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