Einmachen:Die Alles-Konservierer

Weck Die Weltmarke Werbeposter

Das Einwecken galt vor mehr als hundert Jahren als große Revolution - im Bild ein Werbeplakat aus alten Zeiten. Heute ist es einfach nur "in".

(Foto: oh)

Elefantenrüssel mit Meerrettich oder Krokodil in Gelee? Eine Zeit lang hatte die Firma Weck schwer zu kämpfen, weil Aufbewahren und selbst Einkochen nicht mehr in Mode war. Doch das ändert sich.

Von Stefan Mayr, Wehr-Öflingen

Die Zeit ist stehen geblieben im sogenannten Gefolgschaftsraum. Dunkelbrauner Holzboden, dunkelbrauner Holztisch, dunkelbraune Holzstühle. Eberhard Hackelsberger öffnet die schweren Einbauschranktüren und sagt dann stolz: "Das sind unsere Schätze." In den Regalen stehen nicht Goldbarren oder Kunstwerke, sondern kniehohe Gläser voller Fleisch und Gemüse. Hackelsberger nimmt eines der Fünf-Liter-Gläser und hält es hoch. "1976 habe ich ein Glas Bohnen aus dem Jahr 1921 gegessen", erzählt er schmunzelnd. "Das war tadellos, und ich bin noch am Leben."

In einem anderen Glas schwimmt Löwenfleisch von 1910. Der Deckel bleibt heute zu. Wie auch die Rollos hier im Souterrain des Gebäudes aus dem Jahre 1903. Das passt zu diesem Unternehmen, das sich dem Thema Konservieren verschrieben hat: Weck. Weck wie einwecken.

Am 1. Januar 1900 gründeten Johann Weck und Georg van Eyck in dem badischen Örtchen Öflingen unweit der Schweizer Grenze die Firma J. Weck und Co., die den Alltag in den Haushalten in vielen Ländern nachhaltig verändern sollte. Plötzlich konnte jeder Lebensmittel ohne großen Aufwand konservieren. Nötig waren dafür kochendes Wasser sowie Gläser, Gummis und Klammern aus dem Hause Weck. Es dauerte nicht lange, bis das Verb "einwecken" im deutschen Sprachgebrauch etabliert war, ebenso wie das "Einweckglas". Die Firma hat sich die Marke "Weck" in 47 Ländern schützen lassen.

"Ausdauer war ihm nicht gegeben", heißt es in der Firmen-Chronik

Das Patent aufs Einwecken hat aber nicht Johann Weck erhalten, sondern der Chemiker Rudolf Rempel aus Gelsenkirchen. Am 24. April 1892 reichte Rempel seinen "Apparat zum selbstthätigen Schließen und Entluften von Sterilisirgefäßen" beim Kaiserlichen Patentamt in Berlin ein. Wenig später wurde Johann Weck auf das neue Verfahren aufmerksam und war davon begeistert. Der Vegetarier und Anti-Alkoholiker kaufte einen ganzen Waggon Gläser. Und anno 1895 auch das Patent.

Dennoch verließ Weck die Firma zwei Jahre nach ihrer Gründung. "Ausdauer war ihm nicht gegeben", heißt es in der Firmen-Historie. Welch seltsame Fügung: Auch ein Jahrhundert später steht der Name dieses unsteten Geistes für eine Technik, die als Synonym für Beständigkeit gilt. Johann Weck starb am 27. Januar 1914 in Luxemburg. Georg van Eyck führte die Firma weiter. Er machte die Marke Weck weltweit berühmt. Er führte eine Vorstufe der Tupperpartys ein: Hauswirtschafts-Lehrerinnen führten das Einwecken in Pfarrheimen und Krankenhäusern vor.

Das Prinzip Sterilisieren durch Kochen im Wasserbad und Verschließen durch Unterdruck wird bis heute angewandt. "Das war damals eine große Revolution", sagt Roswitha Meierhöfer vom Deutschen Hausfrauen-Bund (DHB). Zuvor habe man die Sachen nur im dunklen Keller aufbewahren oder Obst nur dörren können. "Meine Mama hat die Gläser immer nur mit Samthandschuhen angefasst", berichtet die Vorsitzende des DHB-Landesverbandes Baden-Rheinhessen-Pfalz: "Und wir Kinder waren glücklich, wenn es zum Nachtisch Obst gab." Damals gab es weder Gefriertruhen noch Supermärkte.

Heute ist das anders, sagt Weck-Vertriebsleiter Rüdiger Mengel: "Die Discounter übernahmen das Einwecken und änderten das Vorratsdenken." Die Hausfrau stand nun vor der Frage: Mache ich die Marmelade selber oder kaufe ich sie? Kein Wunder, dass das Einwecken zwischenzeitlich aus der Mode geriet - und die Firma Weck ins Schlingern. "1963 war das letzte starke Jahr", berichtet Eberhard Hackelsberger. Danach sei es bergab gegangen. "Die Oma hat noch eingekocht, die Mutter ging arbeiten", sagt der Urenkel von Mitgründer Georg van Eyck, er führt die Firma in vierter Generation. Vor zehn Jahren musste er die Produktion von Glas-Bausteinen einstellen und 140 Leute entlassen.

Heute produziert die Weck GmbH hauptsächlich Industriegläser im Auftrag anderer Firmen. Viele Gurken-, Marmeladen- und Nougatcreme-Gläser im Supermarkt kommen von Weck. Insgesamt produziert Weck pro Jahr 360 Millionen Gläser. Davon sind lediglich zehn Prozent noch jene Einweckgläser mit Erdbeer-Logo, rotem Gummi aus Naturkautschuk und Klammern aus Edelstahl, die die Firma weltweit bekannt machten.

Zuletzt machte Hackelsberger gut 40 Millionen Euro Umsatz im Jahr, 2015 betrug der Gewinn 600 000 Euro. 220 Menschen sind in der Glashütte in Bonn tätig, 80 Personen in der Zentrale in Wehr-Öflingen. Hier sitzt auch der Weck-Verlag, der seit 1901 Rezepte und Gebrauchsanweisungen unters Volk bringt. Zu Kolonialzeiten druckte Weck in seiner Loseblatt-Sammlung noch Anleitungen für "Elefantenrüssel mit Meerrettig" oder "Krokodil in Gelee". Heute freuen sich 200 000 Abonnent(inn)en auf Zeitschriften wie "Ratgeber Frau und Familie" oder "Landjournal". Hauptwerk ist aber das "Einkochbuch" - quasi die Bibel des Einkochens. Die 140-seitige Rezeptsammlung und Gebrauchsanweisung gibt es in 20 Sprachen von Bulgarisch bis Norwegisch, von Russisch bis Japanisch. Gesamtauflage sieben Millionen. Die Gläser werden nach Korea, China, Brasilien und in die USA verschifft.

Nach den Terror-Anschlägen vom 11. September 2001 zog der Umsatz an

Weck-Chef Hackelsberger ist 60 Jahre alt, sein Vertriebsleiter Mengel hat das Rentenalter erreicht. Auf die Frage nach einem Nachfolger sagt Hackelsberger: "Ich bin mein eigener Nachfolger." Vielleicht muss das so sein in einer Firma, die sich aufs Konservieren spezialisiert hat. So werkeln sie unermüdlich vor sich hin, mit vielen Aufs und Abs. "Nach der Wiedervereinigung hatten wir besenreine Lager", sagt Mengel. Auch nach den Terror-Anschlägen vom 11. September 2001 zog der Umsatz an.

"Krisenzeiten sind Einweckzeiten", sagt Hackelsberger. Aber diese Logik funktioniert auch andersherum: Geht es den Menschen gut, dann geht es Weck schlecht. So gesehen hat die Firma schon bessere Zeiten gesehen. Aber es gibt Hoffnung. "Es geht wieder nach oben", sagt Hackelsberger. Neuerdings verkaufen Lebensmittelhersteller ihr Produkt im Weck-Glas mitsamt Gummi - weil das wertvoller wirkt. "Sofort erinnert man sich an Oma und greift zu", sagt der Manager. Auch Chefköche mancher Luxushotels kredenzen ihre Desserts nicht in irgendeinem Glas - sondern in Weck. "Der Trend geht zur Wertigkeit und Nachhaltigkeit", sagt Hackelsberger. Selbermachen ist in. In Großstädten gibt es bereits Tauschbörsen für Eingewecktes - nicht von Omis, sondern von jungen Hipstern. Um von dem Trend zu profitieren, lässt Hackelsberger derzeit doch noch eine Ecke des Firmengebäudes umbauen. Eine neue Testküche entsteht, in ihr will er neue Rezepte für Suppen und Fertiggerichte entwickeln, die junge Leute ansprechen. "Es wird ein neues Buch geben", sagt Hackelsberger, "auch mit neuartigen Fleisch-Kreationen." Es muss ja nicht Elefantenrüssel oder Krokodilschwanz sein.

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