Einlagensicherung:Neulich in Passau

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Juncker: "Die Suppe wird nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht wird." (Foto: Patrick Seeger/dpa)

Kommissionspräsident Juncker schlägt eine EU-Einlagensicherung ohne Sparkassen und Genossenschaftsbanken vor. Privatbanken lehnen das ab.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Fast vier Wochen ist es nun her, da besuchte Jean-Claude Juncker Passau. Der Präsident der EU-Kommission wollte sich ein Bild machen von der Lage der Flüchtlinge, die in der bayerischen Stadt ankommen. Doch bei einer Diskussionsveranstaltung ging es nicht nur um die Situation der Migranten; es ging wieder mal um alles, was Europa bewegt. Und beim Geld interessiert die deutschen Sparer vor allem die Frage der geplanten einheitlichen Einlagensicherung in der Euro-Zone. Von dieser will Juncker offenbar Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken ausnehmen. "Die Sparkassen und die Genossenschaftsbanken werden von dieser Einlagensicherung nicht berührt werden", sagte der Kommissionspräsident.

Der Chef der Brüsseler Behörde begründete seine Auffassung damit, dass diese Geldinstitute "zu unserem Wirtschaftsmodell passen", nämlich jenem der sozialen Marktwirtschaft. Die Finanzkrise, sagte Juncker in Passau, sei von Menschen ausgelöst worden, "die die Kardinalstugenden der sozialen Marktwirtschaft nicht beachtet haben". Deren "ewiger Wunsch nach Geld, immer mehr Geld, kurzem Profit" stehe im Gegensatz zu "unserem Wirtschaftsmodell". Demnach sieht der Brüsseler Kommissionspräsident dieses kurzfristige Profitdenken vor allem bei den Privatbanken verankert.

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband zeigte sich erfreut. "Wir begrüßen ausdrücklich, dass bei der EU-Kommission der Prozess des Umdenkens eingesetzt hat" sagte eine Sprecherin. Und doch müssen Sparkassen und Genossenschaftsbanken ziemlich überrascht gewesen sein, dass eine Kommissionssprecherin nun Junckers Erklärung bestätigte. Zumindest dürften sie eine Woche nach seinem Auftritt in Passau noch nichts von diesem Umdenken geahnt haben. In einem Brief an den Kommissionspräsidenten vom 15. Oktober 2015 warnten Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon und sein Kollege Uwe Fröhlich vom Bundesverband der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken Juncker noch ausdrücklich vor einer "Vergemeinschaftung der nationalen Einlagensicherungssysteme".

Die Europäische Kommission plant eine gemeinsame Einlagensicherung, die allerdings die nationalen Mechanismen ergänzen und nicht ersetzen soll. Einer EU-Verordnung zufolge sind Guthaben der Sparer bereits jetzt bis zu 100 000 Euro pro Bank geschützt, wenn ein Geldhaus in Schieflage geraten sollte. Nach Ansicht der EU-Kommission reicht diese Regel aber nicht aus, da die Banken und die Regierungen in der Euro-Zone zu eng miteinander verknüpft sind. "Diese gemeinsame Einlagensicherung ist notwendig, weil ohne Einlagensicherung die Banken- und die Währungsunion nicht komplett sind", sagte Juncker in Passau.

Die Bundesregierung lehnt eine solche EU-Absicherung zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab, weil nach ihrer Ansicht zunächst die nationalen Systeme einsatzbereit und in allen EU-Staaten die Regeln zur Abwicklung maroder Banken umgesetzt sein müssen. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums sagte, die Haltung der Bundesregierung sei auch nach den jüngsten Äußerungen von Juncker unverändert. Um zu den Plänen der Brüsseler Behörde Stellung zu beziehen, müsse man erst die formellen Textvorschläge sehen. Bisher hat die EU-Kommission keinen formellen Vorschlag für eine grenzüberschreitende Einlagensicherung vorgelegt; dieser wird bis Ende des Jahres erwartet. Der Ministeriumssprecher sagte: "Wir haben grundsätzliche Bedenken gegen eine Vergemeinschaftung von Einlagensicherungssystemen." Bevor darüber gesprochen werden könne, müssten die Risiken der Banken vor Ort reduziert und bereits beschlossene Maßnahmen wie der Aufbau nationaler Einlagensicherungssystem umgesetzt werden. Inwieweit durch Junckers Ankündigung die Bedenken der Bundesregierung verringert würden, sei abzuwarten.

Der Kommissionschef erklärte in Passau zudem, dass es "nicht einfach ein plumpes Einlagensicherungssystem" geben werde. Es solle "über den Weg der komplizierten Verästelungen, die das Rückversicherungswesen erlaubt" geregelt werden. Die Suppe werde "nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht wird". Das Rückversicherungsmodell besagt grundsätzlich nichts anderes als dass nationale Sicherungssysteme füreinander einstehen sollen.

Mit seinem Vorschlag wirft Juncker allerdings eine Frage auf: Warum soll ein Sparer, der sein Konto bei der Commerzbank hat, in die Haftungsgemeinschaft einbezogen werden - ein Kontoinhaber bei der Sparkasse aber nicht? An diesem Donnerstag wird der Kommissionschef beim Wirtschaftstag der Volks- und Raiffeisenbanken in Frankfurt zu Gast sein. Auch wenn er dort einen freundlichen Empfang erwarten darf, wird er eine Antwort auf die Frage der Gleichbehandlung finden müssen. Die deutschen Privatbanken sind von seiner Idee jedenfalls alles andere als begeistert. "Eine Vergemeinschaftung von europäischen Bankrisiken, für die in Deutschland nur eine von drei Säulen des Bankensektors den Kopf hinhalten soll, werden wir nicht akzeptieren und mit allen Mitteln bekämpfen", sagte Michael Kemmer vom Verband der privaten Geschäftsbanken.

© SZ vom 03.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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