Einkaufen:So regeln andere Länder ihre Ladenöffnungszeiten

Customers talk to a sales assistant as they shop for milk powder in front of shelves displaying imported baby products at a supermarket in Beijing

Supermarkt in Peking.

(Foto: REUTERS)

Einen gesetzlich geregelten Ladenschluss wie in Deutschland gibt es längst nicht überall - oder er wird nicht befolgt. Ein Überblick.

Von SZ-Korrespondenten

In Deutschland gelten bei den Ladenöffnungszeiten strikte Regeln. Besonders in Bayern ist streng reglementiert, wie lange Geschäfte öffnen dürfen. Um 20 Uhr ist hier in der Regel Schluss. Im Ausland sieht das oft ganz anders aus. Dort schließen die Läden manchmal überhaupt nicht - oder nur, wenn eben mal keine Kundschaft kommt. SZ-Korresponden berichten:

China

Wem nachts nach einem hart gekochten Teeei oder einer Limo ist, der geht in einer chinesischen Großstadt einfach in den nächsten kleinen Supermarkt. Die gibt es an fast jeder Ecke, 24 Stunden haben sie geöffnet. Ladenöffnungszeiten, die kennt man in China nicht. So lange man Geschäfte machen kann, so lange ist eben geöffnet.

In den Mini-Märkten kann man auch seine Stromrechnung bezahlen oder eine Zahnbürste kaufen. Betritt man nachts um drei Uhr einen solchen Laden, kann es schon vorkommen, dass sich eine Verkäuferin etwas verschlafen von einer Wellpappe erhebt, die sie sich auf den Boden gelegt hat, um ein wenig Ruhe zu finden. Routiniert scannt sie dann erst die Limo und danach das Handy, denn viele Chinesen nutzen inzwischen Mobilepay-Dienste, um zu bezahlen. Danach legt sie sich wieder hin, ihre Nachtschicht ist noch lang. Viele Restaurants in China haben ebenfalls rund um die Uhr geöffnet. Beim Koreaner kann man auch morgens um fünf mariniertes Schweinefleisch auf den Grill legen oder Dim Sum im kantonesischen Restaurant ordern.

Wer abends nicht mehr vor die Tür treten möchte, zückt sein Handy und bestellt online. Entweder die Pizza oder aber den gesamten Einkauf. Für etwa 15 Yuan ( zwei Euro) fährt dann ein Kurier auf dem Elektroroller los und bringt Milch, Bier oder Äpfel, natürlich auch nachts, allerdings kann er dann nur in den 24-Stunden-Eckläden einkaufen, so dass die Auswahl begrenzt ist und die Preise ein wenig höher sind.

Die Arbeitskräfte, die in den Supermärkten an der Kasse sitzen oder trotz Rekordsmog auf ihren Mopeds durch die Stadt jagen, um Pakete und Sonderwünsche auszuliefern, stammen meist aus den ärmeren Provinzen. Sie sind ehemalige Bauern, die es als Wanderarbeiter in die Städte verschlagen hat. Für einen kärglichen Lohn halten sie das System am Laufen. Damit die Mittelschicht immer und überall konsumieren kann.

Brasilien

Falls es irgendwo in Brasilien ein Ladenschlussgesetz geben sollte, dann geht es ihm wie vielen anderen brasilianischen Gesetzen: Es wird nicht befolgt. Jeder Einzelhändler öffnet in diesem Land so lange und wann er will (außer in der Karnevalswoche natürlich, da macht jeder zu, wann er will).

Ganz vorne im brasilianischen Ladenöffnungs-Ranking liegen zweifellos die unzähligen Drogarias. Sie verbinden Elemente der auch in Deutschland bekannten Drogeriemärkte mit Apotheken-Theken sowie mit einem reichhaltigen Sortiment an Produkten zum Muskelaufbau. Die meisten dieser Läden, die man in der repräsentativen Südzone von Rio de Janeiro in nahezu jeder Straße findet, haben bis 24 Uhr geöffnet, nicht wenige sogar 24 Stunden lang, sieben Tage die Woche. Man muss in Rio zu keiner Tages- oder Nachtzeit fürchten, dass einem die Sonnencreme, die Haarpflegespülung, der Hustensaft oder das Proteinpulver ausgehen könnten.

Soweit sich das aus Sicht von Konsumenten sagen lässt, die noch nie nachts um halb vier eine Zahnpasta gekauft haben, sind in Drogarias auch nachts um halb vier mindestens drei Angestellte tätig. Einer, der das Geld entgegen nimmt, einer, der die Ware herausgibt sowie einer, der sie auf Anfrage mit dem Fahrrad ausliefert. Die Löhne sind in Brasilien so niedrig, dass sie nicht weiter ins Gewicht fallen.

Auf Platz zwei im Öffnungsranking stehen die Supermärkte, die mindestens bis 22 Uhr geöffnet haben, auch an Sonn- und Feiertagen. Außer zur Einkaufsstoßzeit (zwischen 18 und 20 Uhr) sind auch dort stets mehr Angestellte als Kunden anzutreffen, was nicht heißt, dass man sich nicht auf längere Wartezeiten einstellen müsste. Dafür braucht es in Brasilien keine Warteschlangen. An der Kasse fühlt man sich oft an das berühmte kubanische Motto erinnert: Ihr tut so, als ob ihr uns bezahlt, wir tun so, als ob wir was täten.

Wahrlich nicht überanstrengen müssen sich die Bankangestellten, deren Kernarbeitszeit von 10 bis 16 Uhr dauert, wobei der größte Teil des Kerns aus der Mittagspause besteht.

Südafrika

In Südafrika ist Shopping ein ganz normaler Sonntags-Zeitvertreib. In den größeren Einkaufszentren haben fast alle Geschäfte geöffnet, man kann also nach dem Kauf von Kleidern und Geschenken seine Vorräte für die kommende Woche an Gemüse, Milch und Brot aufstocken. Viele Südafrikaner nutzen die Möglichkeit auch deshalb gerne, weil sonntags weniger Verkehr auf den Straßen ist - und man auf dem Weg zur Shopping-Mall weniger Zeit im Stau verschwendet. Es gibt auch kleinere, frei stehende Supermärkte, die an allen Tagen bis 21 Uhr geöffnet haben - einzig vor dem Weinregal ist dann, wegen der Alkoholgesetze, ein Gitter heruntergelassen.

Die Frage, wann und wie lange er seine Türen geöffnet hält, ist dem Ladenbesitzer weitgehend selbst überlassen. Angestellte, die sonntags oder bis in den späten Abend arbeiten - und oft in Armenvierteln weit außerhalb der Stadt leben - stehen mitunter vor logistischen Herausforderungen, denn zu solchen Zeiten fahren kaum noch Sammeltaxen. Sie sind das übliche Verkehrsmittel für Leute, die sich kein eigenes Auto leisten können. Zudem kann der Heimweg in der Dunkelheit gefährlich sein: Die meisten Verbrechen im für seine hohe Kriminalität berüchtigten Südafrika geschehen in ärmeren Siedlungen.

Aus finanzieller Sicht gibt es für Geschäftsinhaber wenig Gründe, auf das Öffnen am Abend und am Sonntag zu verzichten: Zwar schreibt das südafrikanische Arbeitsrecht vor, dass nach 19 Uhr und an Sonntagen Angestellte das eineinhalbfache des sonstigen Lohns bekommen müssen. Doch das ist für den Arbeitgeber in der Regel zu verschmerzen; menschliche Arbeitskraft ist in Südafrika, verglichen mit Deutschland, nach wie vor spottbillig: Der Mindestlohn für eine Kassiererin etwa liegt derzeit bei umgerechnet 250 Euro monatlich.

Türkei

Es ist spät geworden, kurz vor 23 Uhr, aber bei Mehmet Bey, Herrn Mehmet, brennt noch Licht. Der Friseur in Ankara hat noch einen Kunden. Er holt heißes Wasser für den Rasierschaum. Obwohl es so spät ist, ist er ganz bei der Sache. Nun ja, fast: Neben dem Spiegel hängt ein Fernseher. Es läuft Fußball und in spannenden Augenblicken setzt Mehmet Bey das Messer ab und beide Männer starren dann in die Glotze.

Dann geht die Tür auf, und noch ein Kunde kommt. Mehmet Bey könnte jetzt sagen, dass er genug hat, der Tag wahrlich lang genug war. Aber er geht ins Hinterzimmer und kommt mit einer aufgeschnittenen Kiwi und bietet sie seinen Gästen an. Tee hat er auch. Feierabend? Später!

Der kleine Friseursalon im Herzen Ankara macht es vor: Solange Kundschaft da ist, wird gearbeitet. Wenn mal keine da ist, macht der Friseur seine Erledigungen, dann sind aber Mitarbeiter und Nachbarn schnell zur Stelle, um den Chef anzurufen, falls jemand vor der Tür steht. In der Türkei gibt es keine einheitliche, verbindliche Regelung zu den Ladenöffnungszeiten. Die großen Einkaufszentren, die überall aus dem Boden geschossen sind, öffnen aber in der Regel um 10 Uhr und schließen um 22 Uhr. Alle anderen Einzelhändler entscheiden mehr oder weniger in Eigenregie.

Sich wie in Deutschland mit Lebensmittel zu bevorraten, ist nicht notwendig. Der Supermarkt hat offen, der kleine Laden Tante-Emma-Laden, Bakkal genannt, sowieso. Der Chef schickt seine Söhne, um einem die Einkäufe nach Hause zu tragen. Gefühlt ist das Personal immer im Dienst. Wenn man den Chef mal zufällig in einer anderen Straße trifft als in jener, in der er sein Geschäft hat, kommt einem der Mann sehr vertraut vor. Aber man muss überlegen, woher man ihn kennt. Was wiederum nichts Gutes für das Privatleben des Geschäftsmannes heißt.

Belgien

Belgien ist eines dieser typischen, stark von kirchlichen Einflüssen geprägten mitteleuropäischen Länder. Das führt zu vergleichsweise restriktiven Öffnungszeiten. Offiziell erlaubt das Gesetz den Geschäften, ihre Türen werktags zwischen fünf Uhr morgens und 20 Uhr abends zu öffnen, an Freitagen darf es sogar bis 21 Uhr gehen. De facto sperren Einzelhändler ihre Läden aber erst um zehn Uhr auf und schon um sechs oder halb sieben wieder zu. Und samstags ist selbst in großen Einkaufszentren um 18 Uhr Schluss. In den einschlägigen Straßen, etwa der Rue Neuve in der Brüsseler Innenstadt, herrscht dann schlagartig Ödnis. Einzelhändler, die samstags Kunden bedienen, genehmigen sich fast immer einen Ausgleichstag, meistens trifft es den Montag.

Weil Belgien aber auch ein Land der Einwanderer ist, die aus Afrika oder Asien andere Traditionen mitbringen, gibt es Nischen, vor allem in den großen Städten. Türkische Gemüsehändler decken Öffnungszeiten ab, die sich Einheimische nicht zumuten wollen. Und Späties, oft von Asiaten oder Afrikanern geführt und in allen Brüsseler Innenstadtvierteln zu finden, müssen überhaupt nicht schließen - sofern sie sich tagsüber an die vorgeschriebene Ruhezeit halten und eine bestimmte Geschäftsgröße nicht überschreiten.

Am Sonntag ist es angenehm ruhig im Königreich, bis auf Bäcker oder Metzger, die morgens öffnen dürfen. Traditionell widmen die Belgier diesen Tag, wenn sie denn nicht in die Kirche gehen, vor allem dem Familienbesuch mit ausgiebigem gemeinsamem Mahl Wer dennoch unbedingt zwei Eier oder Zwiebeln braucht, findet sie, noch teurer als sonst, in den praktischen kleinen Carrefour Express oder City-Märkten. Ausnahmen von all diesen Regeln herrschen in touristischen Gebieten, etwa in den Badeorten an der Küste, wo auch sonntags Trubel ist.

USA

Wer eine Einladung zu einem spontanen Disco-Besuch erhält, nach einem Blick in den Spiegel jedoch den Freitod vorziehen würde, für den ist Rettung nahe - zumindest wenn er oder sie in Manhattan lebt. Eine Korrektur des Haarschnitts, eine professionelle Maniküre, ein neues Kleid oder Jackett, alles ist zu haben,egal ob am Freitagabend um elf oder am Sonntagnachmittag um fünf. Nicht dass jeder Friseur New Yorks permanent verfügbar wäre. Irgendeiner aber, das ist gewiss, wird sich finden.

Die Barbiere von Manhattan stehen damit exemplarisch dafür, wie die USA ihre Ladenschlusszeiten regeln - nämlich gar nicht. Ob ein Gemüsehändler seinen Laden öffnet, wann eine Wäscherei ihre Dienste anbietet, alles entscheidet sich allein danach, was die Kunden wünschen.

Natürlich ist die Vielfalt nicht überall so groß, auf dem Land ähneln die Öffnungszeiten eher jenen in der deutschen Provinz. Theoretisch aber kann jeder machen, was er will. In den großen Städten etwa haben Supermärkte oft von morgens um sieben bis abends um elf geöffnet. In den großen Geschäften wird im Schichtbetrieb gearbeitet, in den kleinen müssen die Familie oder schlecht bezahlte Zuwanderer mit ran. Kleinere Läden und Boutiquen schließen oft um fünf oder sechs Uhr nachmittags, dennoch sind Wochenarbeitszeiten von 50, 60 Stunden kein Grund zum Klagen.

Der Sonntag ist für viele Amerikaner ein normaler Arbeitstag, sieht man einmal davon ab, dass manche Bundessstaaten etwa den Verkauf von Alkohol beschränken - und, warum auch immer, von Autos. In belebten innerstädtischen Gegenden sind die Filialen mancher Ketten sogar rund um die Uhr geöffnet - und das sieben Tage in der Woche. 24/7 nennen die Amerikaner diesen Service, ein Beispiel ist der Drogeriemarkt Rite Aid. Wie immer gibt es in den USA jedoch auch eine Gegenbewegung, die sich dem Shop-till-you-drop-Wahnsinn ("Kauf bis Du umfällst") verweigern.

Die Outdoor-Kette REI etwa schließt am "Black Friday", dem einnahmestärksten Tag des Jahres, ihre Pforten, um Mitarbeitern und Kunden ein geruhsames Thanksgiving-Wochenende zu ermöglichen. Ob die Aktion Umsatz und Gewinn schmälert hat, ist dabei nicht einmal gesagt: Die Aktion bringt REI jedes Mal so viel positive Resonanz ein wie Werbung sie niemals erkaufen könnte.

England

Einkaufen in Großbritannien ist zu fast jeder Tages- und Nachtzeit möglich. Von Montag bis Samstag erlegt der Gesetzgeber den Unternehmen gar keine Beschränkungen auf, weswegen große Supermarktketten wie Tesco manche Läden 24 Stunden offen halten. Aber selbst bei Discountern wie Aldi und Lidl können sich Kunden bis 22 oder 23 Uhr eindecken.

Für den Sonntag gelten besondere Regeln. Märkte mit mehr als 280 Quadratmetern Verkaufsfläche dürfen lediglich für sechs Stunden öffnen, und um 18 Uhr muss Schluss sein. Viele Filialen machen darum erst um 11 oder 12 Uhr auf, und eine Viertelstunde zuvor bilden sich regelmäßig Schlangen ungeduldiger Kunden vor den Eingängen. Kleinere Läden dürfen auch sonntags rund um die Uhr verkaufen.

Da die Filialen der Supermarkt-Ketten fast immer auf sind, können Besitzer kleiner Läden und Kioske sich nicht über bessere Öffnungszeiten abheben. Sie locken Kunden, denen der Weg zum großen Supermarkt zu weit ist oder die es schätzen, in einem übersichtlichen Geschäft ihre Besorgungen schneller erledigen zu können.

Insgesamt gibt es 50 000 kleine Märkte im Königreich. Dazu gehören auch die Mini-Filialen von Ketten wie Tesco: Die Handelskonzerne machten in den vergangenen Jahren immer mehr kleine Läden in Stadtzentren auf, weil viele Kunden lieber dort als in den Riesen-Filialen am Stadtrand einkaufen. Doch auf Selbständige entfallen immer noch drei Viertel der kleinen Märkte. Oft werden die Geschäfte von Einwandererfamilien aus Indien oder Pakistan geführt. Gegen die Konkurrenz der Ketten kämpfen sie mit viel Einsatz an: Einer Umfrage des Branchenverbands zufolge arbeitet ein Viertel der Ladenbesitzer mehr als siebzig Stunden in der Woche und nimmt keinen Urlaub.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: