Einkaufen im Netz zu schwierig:Grenzenlos shoppen

Vorweihnachts-Hochbetrieb beim Post-Paketdienst

Viele Pakete: Das Online-Geschäft boomt - im Inland.

(Foto: Bernd Wüstneck/dpa)
  • EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager will das Einkaufen im Netz erleichtern.
  • Eine Prüfung soll offenlegen, inwieweit Unternehmen den Wettbewerb im Online-Geschäft womöglich gezielt beschränken.
  • Oft liefern Händler nicht ins Ausland oder der Kunde hat keine Möglichkeit, die Ware beim ausländischen Händler zu bezahlen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Mal eben in Italien Schuhe kaufen? Im Internet ist das gar nicht so einfach, findet Margrethe Vestager. "Die meisten sind es gewohnt, mit dem Auto Grenzen zu überqueren und im Ausland einzukaufen", sagt sie. "Nur im Internet geht das oft nicht." Potenzielle Kunden würden auf Seiten ihres eigenen Landes umgeleitet oder ganz geblockt, Kreditkarten nicht anerkannt. "Warum kann ich eine DVD zwar überall anschauen, aber nicht überall bestellen", fragt Vestager. "Und das wäre kein Problem, wenn es nur mich beträfe."

Allerdings ist es auch kein Problem, dass es sie betrifft - denn die Dänin hat die Macht, die Dinge zu ändern: Vestager ist Wettbewerbskommissarin der EU - und offensichtlich wild entschlossen, die Grenzen im Onlinehandel zu schleifen. Sie werde, so kündigte sie am Donnerstag bei der 17. Internationalen Kartellkonferenz in Berlin an, eine "Sektoruntersuchung" des digitalen Geschäfts vorschlagen. Schon Anfang Mai könne sie beginnen; Ergebnisse seien frühestens Mitte kommenden Jahres zu erwarten.

Solche Sektoruntersuchungen zählen zu den schärferen Waffen der EU-Kommission. Unternehmen müssen sich dann ziemlich unangenehmen Fragen stellen, die Prüfung soll offenlegen, inwieweit an einem Markt womöglich bewusst der Wettbewerb ausgebremst wird. Europas Energiebranche musste sich so einem Verfahren schon unterwerfen, der Finanzdienstleistungssektor oder zuletzt die Pharmakonzerne. Nicht selten stehen am Ende einer solchen Prüfung neue Auflagen und Gesetze. Auch einzelne Unternehmen geraten so mitunter in den Fokus - und sehen sich anschließend den Ermittlern der Kartellbehörden gegenüber, bis hin zu Durchsuchungen. In allen 28 Mitgliedstaaten würden Firmen befragt werden, kündigte Vestager an. "Da werden eine Menge Unternehmen einen Fragebogen bekommen." Ohnehin sei es "höchste Zeit", die verbliebenen Hindernisse auszuräumen.

Bei Onlinehändlern rennt sie damit offene Türen ein. "Wir teilen die Vermutung, dass der Wettbewerb gezielt beschränkt wird", sagt Oliver Prothmann, Präsident des Bundesverbandes Onlinehandel. Es gebe Hersteller, die sich von den Händlern vertraglich zusichern ließen, dass ihre Produkte nur in bestimmten Ländern verkauft werden. Dahinter steht offenbar eine analoge Vergangenheit - in der auch die Industrie gewohnt war, in verschiedenen Ländern verschiedene Preise durchzusetzen. "Die Industrie versucht, ihr altes Denken zu festigen", sagt Prothmann. "Das passt aber nicht mehr in die digitale Welt."

Jeder zweite kauft im Internet ein - aber nur jeder siebte im Ausland

Die EU-Kommission stößt sich seit längerer Zeit an den Problemen im Onlinehandel. Schon 2009 untersuchte die damalige Kommission mit 11 000 Testkäufen, wie gut der Binnenmarkt im Internet funktioniert. Das Ergebnis damals: In 60 Prozent der Fälle war eine Bestellung im Ausland nicht möglich. Entweder lieferte der Händler nicht ins Ausland, oder der Kunde fand keine Möglichkeit, die Ware bei dem ausländischen Händler zu bezahlen. Und das, obwohl ein Großteil der Testprodukte im Ausland um mindestens zehn Prozent billiger waren, die Versandkosten schon eingerechnet. In anderen Fällen war das Internet der einzige Weg, überhaupt an bestimmte Produkte zu kommen - nur ließen sie sich nicht bestellen. "Wir müssen das rechtliche Labyrinth vereinfachen", folgerte seinerzeit die bulgarische Verbraucherschutzkommissarin Meglena Kunewa. Auch damals gab es dafür konkrete Vorschläge. Nur änderten sie nicht viel. Heute kauft zwar jeder zweite EU-Bürger im Internet ein - aber nur jeder siebte auch schon einmal im europäischen Ausland.

Die Kommission bläst deshalb nun zum Angriff auf die Hindernisse im Netz, unter anderem das sogenannte geo blocking. Hier werden Computer daran gehindert, Seiten im Ausland aufzurufen, oder sie werden auf andere Seiten umgeleitet. Die EU werkelt derzeit an einer "digitalen Strategie", um dem vorzubeugen. "Die Menschen müssen sich im Netz ebenso frei über Grenzen hinwegbewegen können wie in der Wirklichkeit", sagt Kommissions-Vizepräsident Andrus Ansip, zuständig für den digitalen Binnenmarkt. "Schaffen wir all die Zäune und Mauern ab, die uns im Internet den Weg versperren." Brüssel will deshalb überprüfen, wie es um den grenzüberschreitenden Paketversand bestellt ist, auch bei den Versandkosten. Und das ganz unabhängig von der "Sektoruntersuchung" der Wettbewerbskommissarin.

"Die EU ist immer verbunden gewesen durch die Idee, Länder und Menschen zusammenzubringen", sagt Vestager. "Ein gemeinsamer digitaler Markt ist genau das." Natürlich gebe es auch andere Barrieren, etwa Sprache, oder mangelndes Vertrauen. Aber womöglich eben auch gezielte Hürden. Fraglich sei auch der Nutzen 28 eigener Gesetze und Regulierer für Telekommunikationsmärkte in Europa, findet Vestager. "Das müssen wir überdenken."

Es sind Fragen nach den Regeln für die Internetökonomie, wie sie auch die Kartellkonferenz in Berlin beschäftigt. Bei der Digitalisierung, sagt Kartellamtschef Andreas Mundt, "bleibt kein Stein auf dem anderen".

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