Einigung zwischen Euro-Gruppe und IWF:Griechenlands Helfer drücken sich vor wichtigen Antworten

Und noch eine Zwischenlösung: Die internationalen Geldgeber haben Griechenland mit fast 44 Milliarden Euro vor dem finanziellen Kollaps gerettet. Vorerst. Doch EU, EZB und IWF verraten nicht, wie sie Spekulanten entgegentreten - geschweige denn den Schuldenstand ohne neuen Schuldenschnitt drücken wollen.

Die internationalen Geldgeber haben sich auf weitere Griechenland-Hilfen verständigt. Das bestätigte der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, in Brüssel nach zwölfstündigen Verhandlungen der Euro-Gruppe mit den Spitzen von Internationalem Währungsfonds (IWF) und EZB.

Die internationalen Geldgeber wollen weitere Hilfen in Höhe von fast 44 Milliarden Euro für das überschuldete Land freigeben. Davon sollen 34,4 Milliarden Euro noch im laufenden Jahr fließen, um eine drohende Staatspleite abzuwenden. Von dem Geld, das im Dezember ausgezahlt wird, sollen 23,8 Milliarden Euro an die angeschlagenen Banken und 10,6 Milliarden Euro in den Staatshaushalt gehen. (Gipfel-Statement als PDF)

Statt auf einen neuen Schuldenschnitt verständigten sich die Geldgeber darauf, die Schulden Griechenlands mit einem Schuldenrückkaufprogramm, Zinserleichterungen oder längeren Darlehenslaufzeiten zu drücken.

Doch einige Fragen bleiben: Ist nicht allen Beteiligten klar, dass ein neuer Schuldenschnitt unausweilich ist? Wie soll das Rückkaufprogramm von Staatspapieren funktionieren, wenn Spekulanten die Preise hochtreiben? Wer trägt die Last der vereinbarten Zinssenkung?

Diplomatenkreisen zufolge soll die Schuldenquote von etwa 175 Prozent bis zum Jahr 2020 auf 124 Prozent der Wirtschaftsleistung sinken, bis 2022 sogar auf 110 Prozent. Bislang war man von 144 Prozent ausgegangen. Mit dieser Senkung kommen die Europäer dem IWF entgegen. Dessen Chefin Christine Lagarde fordert eine möglichst schnelle Senkung des Schuldenstandes. Der Beschluss ist das bislang stärkste Signal, dass die Gläubiger Griechenlands für die Zeit ab 2016 auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten könnten. Allerdings sträubt sich Deutschland derzeit gegen diesen Schuldenschnitt.

Zufriedenheit und Erleichterung

Vorgesehen sei, dass Griechenland niedrigere Zinsen für bilaterale Kredite zahlen müsse. Dies gelte dann, wenn das Land in seinem Haushalt einen Primärüberschuss - also ohne den Schuldendienst einzuberechnen - von 4,5 Prozent im Vergleich zur Wirtschaftsleistung erziele. Die EZB solle elf Milliarden Euro beisteuern und dafür Gewinne verwenden, die sie mit ihrem Programm zum Kauf von Staatsanleihen erzielt habe. Doch welches der Geberländer auf Zinsen verzichten soll, ist unklar. Gerade überschuldete Staaten wie Spanien oder Italien zahlen selbst hohe Zinsen für ihre Kredite. Eine Zinssenkung für das Geld, dass sie über Hilfspakete an Griechenland verliehen haben, fällt ihnen wesentlich schwerer als Deutschland. Die Bundesrepublik kommt wegen der Kapitalflucht aus Südeuropa derzeit sehr günstig an Kredite.

Athen kauft seine eigenen Schulden - doch Hedgefonds verdienen mit

Mit dem bis zum 12. Dezember geplanten Schuldenrückkauf soll Griechenland vom lang andauernden Preisverfall auf dem Anleihenmarkt profitieren. Allerdings drängt die Zeit: Spekulanten wie US-Hedgefonds kaufen massenhaft Staatspapiere - dadurch sind deren Preise wieder massiv gestiegen. Das Programm wird also deutlich teurer werden als ursprünglich erhofft. Um die Spekulation nicht noch zu befeuern, versuchen Griechenlands Geldgeber, öffentlich möglichst wenig über den Rückkauf zu sprechen.

Außerdem soll Athen zwei Jahre mehr Zeit erhalten, um seine Defizitziele zu erreichen. Dadurch besteht allein bis zum Jahr 2014 ein zusätzlicher Finanzbedarf von rund 14 Milliarden Euro. Bis 2016 summiert er sich auf fast 33 Milliarden.

Die Finanzminister der Euro-Länder waren zum dritten Mal seit Monatsbeginn mit den Spitzen von IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) zusammengekommen, um sich auf weitere Hilfen für Griechenland zu verständigen.

EZB-Chef Draghi ist zufrieden mit der Einigung: "Ich begrüße sehr die Abmachung der Finanzchefs der Euro-Zone", sagte Draghi. "Die Vereinbarung wird die Unsicherheit vermindern und das Vertrauen in Europa und Griechenland stärken." Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras signalisierte in Athen Erleichterung: "Alles ist gut gegangen. Wir haben zusammen dafür gekämpft. Morgen bricht für alle Griechen ein neuer Tag an, und morgen werden wir mehr dazu sagen und Ihnen die Details geben."

Schuldenschnitt erst einmal vom Tisch

Ohne die Einigung auf einen Schuldenschnitt ist auch weiterhin unklar, ob die Geberländer auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Allerdings bleibt die Frage, wie das neue Ziel eines Schuldenstandes von weniger als 110 Prozent des BIP ohne neuen Schuldenschnitt erreicht werden soll.

Der ehemalige Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann forderte einen zweiten Schuldenschnitt. Den ersten hat er Anfang des Jahres für Griechenlands private Gläubiger ausgehandelt. Banken und Versicherer verzichteten auf den Großteil ihrer Forderungen. Doch vor allem die Bundesregierung sträubt sich gegen einen neuen Schnitt. Im Jahr vor der Wahl will sie nicht auf Geld verzichten, das Deutschland den Griechen geliehen hat.

Seit dem Sommer wartet Athen auf die Auszahlung von 31,5 Milliarden Euro. Zuletzt war diskutiert worden, auch die anderen, noch in diesem Jahr fälligen Hilfszahlungen zu überweisen. Voraussetzung für die Auszahlung war auch eine Einigung der internationalen Geldgeber auf ein Maßnahmenpaket, um eine neue Finanzierungslücke zu schließen.

Der Bundestag muss dem Beschluss noch zustimmen. Im Gespräch ist eine Befassung des Parlamentes zum Ende der Woche. Nach einem positiven Votum könnte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bei einem für kommenden Montag vorgesehenen Treffen der Euro-Gruppe in Brüssel seine endgültige Zustimmung zu dem Maßnahmenpaket geben.

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