Einigung auf Bankenunion:Zu Weihnachten gibt's deutsche Sonderwünsche

Die anderen EU-Minister können Schäuble schon nicht mehr sehen nach all den Verhandlungen. Wieder setzt er sich durch: Geld von Kleinsparern wird vor Pleiten von Geldinstituten geschützt, die Abwicklung maroder Geldhäuser organisiert. Dennoch lässt die Bankenunion Fragen offen. Vor allem: Wer zahlt im größten Notfall alles?

Von Cerstin Gammelin, Brüssel

Ein Ergebnis war von vorn herein ausgeschlossen: Dass die europäischen Finanzminister wenige Stunden, bevor ihre Chefs am Donnerstag zum EU-Gipfeltreffen nach Brüssel kommen, sich nach tagelangen Beratungen über die künftige Abwicklung von Pleitebanken erneut vertagen. Es wäre eine Blamage nach einem ohnehin von Stillstand geprägten Jahr - die Wahlen in Deutschland hatten die EU in einen gesetzespolitischen Tiefschlaf fallen lassen.

Am Mittwoch um kurz vor Mitternacht zeichnete sich folglich ein typisch europäischer Kompromiss ab. Die EU-Finanzminister ließen durchsickern, dass sie kurz davor stünden, einheitliche Regeln zur Abwicklung von Pleitebanken zu verabschieden und damit den zweiten Baustein der geplanten Bankenunion zu setzen. Den ersten Baustein verabschiedeten sie exakt vor einem Jahr in ähnlich nächtlicher Sitzung: Es war der Beschluss, der Europäischen Zentralbank die direkte Aufsicht über die Banken der Euro-Zone zu übertragen.

Von 2016 an soll nun auch ein zentrales Regelwerk zur Abwicklung von maroden Banken gelten. Grundsätzlich soll es alle 6000 Banken der Euro-Zone betreffen, direkt darunter fallen jedoch wie bei der zentralen Aufsicht nur die größten 250. Die Banken sollen verpflichtet werden, binnen zehn Jahren einen Abwicklungsfonds mit 55 Milliarden Euro zu füllen. Geht nach 2016 eine Bank pleite, müssen zuerst Anteilseigner und Gläubiger, dann nationale Regierungen und schließlich der Abwicklungsfonds zahlen. Wer genau zahlt, wenn alle Reserven aufgebraucht sind, blieb offen. Darüber solle erst im "Lauf der Zeit" entschieden werden, hieß es. Auch die Details darüber, wie die Bankabgaben eingesammelt und wie der Fonds im Notfall wieder gefüllt werden soll, wurden auf Beginn nächsten Jahres vertagt. Hintergrund ist die Weigerung der Bundesregierung, den Euro-Rettungsfonds als letztes finanzielles Netz zu akzeptieren.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble machte sich in den Verhandlungen nicht viele Freunde. Er verstehe, dass ihn einige seiner Kollegen mittlerweile nicht mehr sehen könnten, räumte er bereits am Mittwochmorgen ein, nachdem er die Euro-Finanzminister eine Nacht im tristen Ratsgebäude mit deutscher Sonderwünschen beschäftigt hatte. Ihm gehe es ja genauso. Aber bald sei Weihnachten.

"Danke für die Glückwünsche übrigens"

Seinen Erfolg fasste der gerade im Amt bestätige Bundesfinanzminister so zusammen: Man habe "die Dinge in der letzten Nacht vorangebracht" und sei damit auf dem besten Wege, die Dinge in der kommenden Nacht auch zu Ende zu bringen. Dann hielt er kurz inne. "Wir haben ja jetzt wieder eine Bundesregierung. Danke für die Glückwünsche übrigens." Und wenn es gelinge, bis zum EU-Gipfeltreffen das schwierige Regelwerk für zukünftige Bankenpleiten unter Dach und Fach zu bringen, sei das wohl eine gute Weihnachtsbotschaft für die Bürger: "Europe works."

Tatsächlich machte in der Zeit, in der Schäuble im Kellergeschoss des Ratsgebäudes seinen kleinen philosophischen Vortrag hielt, eine gute Nachricht für Europas Bürger die Runde. In separaten Verhandlungen, ebenfalls in der Nacht zum Mittwoch, hatten sich die Unterhändler des Europäischen Parlaments mit denen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission nach jahrelangem Hin und Her auf neue Regeln zur Sicherung der Spareinlagen geeinigt. Danach sind jetzt bei Bankenpleiten Spareinlagen bis zu 100.000 Euro nach europäischem Recht gesichert. Zusätzlich werden höhere Summen garantiert, etwa bei der Auszahlung von Versicherungen, bei Erbschaften, Immobilienverkäufen und von Kleinunternehmern.

Geht eine Bank pleite, haben die Sparer erstmals einen gesetzlichen Anspruch auf Auszahlung. Die sollen binnen sieben Tagen fällig werden. Damit das klappt, werden die Banken verpflichtet, innerhalb von zehn Jahren Fonds zur Sicherung der Einlagen aufzubauen. Diese sollen mit einer Summe gefüllt werden, die 0,8 Prozent der gesicherten Einlagen entspricht. Das sind etwa 55 Milliarden Euro. Die Fonds werden national geführt. Die Höhe der Bankenabgaben hängt vom Risikopotenzial ab

Aus deutscher Sicht hatte Schäuble eine weitere gute Nachricht zu vermelden: Er habe durchgesetzt, dass der Euro-Rettungsfonds ESM nicht direkt angezapft werden dürfe, um marode Banken abzuwickeln. Wenn sich Regierungen Kapital beschaffen müssten, um die Abwicklung zu finanzieren, könnten sie dieses Geld zwar aus dem ESM beantragen, aber nur unter Regeln, die bisher schon gelten. Das heißt: Die Regierung muss für etwaige Kredite haften, Auflagen müssen erfüllt werden.

Damit bleiben die engen Beziehungen zwischen Geldhäusern und Regierungen erhalten. Ursprünglich hatten die Staats- und Regierungschefs auf einem dramatischen EU-Gipfel im Juni 2012 im Angesicht des Untergangs der Euro-Zone vereinbart, genau diese Verflechtung zu zerschlagen, um zu vermeiden, dass Banken ganze Staaten und letztendlich die Gemeinschaft in den Abgrund ziehen. Bleibt die enge Beziehung, stehen Steuerzahler weiter in der Pflicht, Banken retten zu müssen. Vielen Ländern missfielen die deutschen Forderung. Schäuble gab sich gelassen. Belehrungen von anderen, "die nicht ein Fitzelchen Souveränität abgeben wollen", akzeptiere er nicht.

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