Einhaltung von Rechtsvorschriften:Finanzämter kontrollieren Datenzugriffe durch ihre Beamten nur unvollständig

Nicht nur der Fall Hoeneß zeigt: Die rechtlichen Vorschriften für den Zugriff auf Steuerdaten werden in Bayern nicht eingehalten. Nun gelobt das zuständige Amt Besserung.

Von Heribert Prantl

In den bayerischen Finanzämtern sind offenbar jahrelang die rechtlichen Vorschriften für den Zugriff auf Steuerdaten nicht eingehalten worden. Es wurden diese Zugriffe auf Daten vorschriftswidrig nicht oder nur teilweise protokolliert.

Im Zusammenhang mit der Steuerstrafsache gegen Uli Hoeneß hatte sich herausgestellt, dass eine vierstellige Zahl von Beamten Zugriffsmöglichkeit auf dessen Daten hatte. Steuerdaten waren an die Öffentlichkeit weitergegeben worden. Die auf Anzeige von Hoeneß eingeleiteten Ermittlungen wegen Verletzung des Steuergeheimnisses wurden aber eingestellt, weil sich ein "bestimmter Tatverdächtiger" nicht mehr habe feststellen lassen - wohl wegen der unvollständigen Protokollierung der Zugriffe. Man habe, teilte die Staatsanwaltschaft mit, die "vorhandenen Zugriffsprotokollierungen" überprüft.

Die Vorschriften über die Abfrage von Steuerdaten sind bundeseinheitlich formuliert in der Steuerdaten-Abrufverordnung StDAV; sie gilt seit 2005. Zur Wahrung des Steuergeheimnisses sind dort eine Reihe von "Vorkehrungen" gefordert: Zutrittskontrolle, Zugangskontrolle, Zugriffskontrolle und Weitergabekontrolle. Auf dass die Einhaltung der Vorschriften geprüft werden kann, müssen die Datenabrufe aufgezeichnet werden. Dies ist offenbar nicht oder nur sehr unvollständig geschehen. Das Bayerische Landesamt für Steuern teilte der Süddeutschen Zeitung auf Anfrage mit, dass sich erst jetzt "Maßnahmen in Umsetzung" befinden, die gewährleisten sollen, dass "alle Zugriffe zukünftig protokolliert" werden.

Einkommensverhältnisse von Nachbarn und Bekannten

"Eine allgemeine oder gar vollständige Überprüfung, inwieweit die Vorschriften der Steuerdaten-Abrufverordnung eingehalten wurden, war nicht Gegenstand der Ermittlungen", teilte die Staatsanwaltschaft München I zur Einstellung ihrer Ermittlungen im Fall Hoeneß mit.

Dies sei auch nicht ihre Aufgabe. Der Fall Hoeneß ist nicht der erste, bei dem offenkundig wird, dass wie wild auf Steuerdaten zugegriffen wird. Bereits seit 2011 geht die Innenrevision des Finanzministeriums in Brandenburg dem Verdacht nach, dass Finanzbeamte an ihrem Dienstcomputer Daten unberechtigt abfragen. Der Ministeriumssprecher wurde im Frühjahr 2013 in der Märkischen Onlinezeitung mit der Mitteilung zitiert, dass bei einer Überprüfung "eine hohe Zahl von Verstößen gegen das Steuergeheimnis" festgestellt wurde. Daraufhin habe das Ministerium die Überprüfung auf alle 15 Finanzämter und 3000 von 3400 Beschäftigten ausgeweitet.

In Bremen hat die SPD-Fraktion in der Bürgerschaft unter Berufung auf die Brandenburger Schnüffeleien eine Anfrage an den Senat gerichtet: Es wurden, so heißt es zur Einleitung dieser Anfrage vom April 2014, in verschiedenen Bundesländern wie Brandenburg Fälle bekannt, in denen Finanzbeamte "aus reiner Neugier die Einkommensverhältnisse von Nachbarn, Bekannten oder Verwandten eingesehen" hätten oder der Bearbeitungsstand der eigenen Steuererklärung abgefragt worden sei.

Die Fraktion der SPD wollte wissen, wie es sich damit in Bremen verhalte. Die Antwort des Senats: In Bremen seien keine Fälle der Verletzung des Steuergeheimnisses durch Finanzbeamte bekannt. In Bremen werden freilich, dies ergibt sich aus der Antwort auf die Anfrage, alle Datenzugriffe protokolliert und ausgewertet. Darüber hinaus wird per Zufallsgenerator in einem Teil der Fälle der abfragende Beamte aufgefordert, eine Begründung für den Zugriff anzugeben - um die Finanzbeamten so immer wieder an die geltenden Regeln der Steuerdaten-Abrufverordnung zu erinnern.

Jede Woche werden darüberhinaus, so schreibt der Senat, pro Finanzamt zehn ausgewählte Fälle durch den Datenschutzbeauftragten des Finanzamts in einem Gespräch mit dem Abrufer überprüft. In Bayern gab es bisher solche Datenschutzbeauftragten an den Finanzämtern nicht; sie sollen jetzt erst bestellt werden.

Die Staatsanwaltschaft München I wies auf Anfrage der SZ darauf hin, dass "das bloße Einsehen oder Abfragen von Steuerdaten ohne dienstlichen Anlass" den Straftatbestand der Verletzung des Steuergeheimnisses noch nicht erfülle. Es könne sich aber um eine Ordnungswidrigkeit handeln. In Bayern sind laut Angaben des Landesamts für Steuern seit 2007 nur zwei Verstöße "bekannt"; sie seien disziplinarrechtlich geahndet worden. Es wären womöglich sehr viel mehr Fälle "bekannt", wenn man besser kontrollieren würde.

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