Ein großer Markt:Kopf, Herz, Basis

1,6 Milliarden Euro haben die Deutschen im vergangenen Jahr dafür ausgegeben, dass sie gut duften. Über die Industrie des Wohlgeruchs - ein bisschen Flüssigkeit in Flakons.

Von Elisabeth Dostert

Martin Ruppmann, 49, läuft erst einmal eine Runde um den nächsten Häuserblock, wenn er einen neuen Duft testet. Er trägt ihn auf die Haut, am Handgelenk, auf. Abends nach der Arbeit darf seine Familie dann schnuppern. Ruppmann verlässt sich nicht auf die besprühten Kärtchen, die Verkäuferinnen in Drogerien und Parfümerien ihren Kunden unter die Nase halten. "Wie sich ein Duft entfaltet, hängt auch vom Hauttyp ab, von dem, was der Mensch isst, wie er lebt, ob er raucht oder nicht." Ruppmann kennt sich aus, er ist Geschäftsführer des Kosmetikverbandes VKE und der Fragrance Foundation, sie verleiht den Parfümpreis Duftstars.

Allein in Deutschland kamen im vergangenen Jahr fast 400 neue Düfte auf den Markt, gut 260 davon für Frauen. "Viele sind nur Eintagsfliegen", sagt Ruppmann. Die Flop-Rate, sie steht für Produkte, die mangels Erfolg schnell wieder vom Markt verschwinden, liege bei "60, 70 Prozent".

Knapp 150 Euro geben die Deutschen jedes Jahr im Schnitt für Schönheitspflege aus. Insgesamt waren das im vergangenen Jahr 13,4 Milliarden Euro, berichtet der Industrieverband Körperpflege und Waschmittel (IWK). Auf Düfte entfallen knapp 1,6 Milliarden Euro. Gut 40 Prozent der Bevölkerung geben weniger als 30 Euro für ihren Duft aus, ergab 2013 eine Studie des Marktforschungsunternehmens TNS im Auftrag der Fragrance Foudation. Vier Prozent der Deutschen investieren mehr als 70 Euro. Die am häufigste Losgröße sind Flakons mit 50 Milliliter Inhalt, sagt Ruppmann.

Je mehr Parfümöl drin ist, desto intensiver ist der Duft

Duft ist nicht gleich Duft. Die Flüssigkeit ist eine Mischung aus Alkohol, Wasser und Parfümöl. In welche Kategorie der Wohlgeruch entfällt, hängt vom Anteil des Parfümöls ab. Liegt er zwischen drei und fünf Prozent handelt es sich um ein Eau de Cologne, geht aus der vom Deutschen Verband der Riechstoff-Hersteller veröffentlichten Broschüre Duftwelten hervor. Ein Eau de Toilette enthält vier bis fünf Prozent Öl; in den Varianten Extreme oder Intense kann er allerdings bis zu zehn Prozent betragen, ein Eau de Parfum zwischen acht und 15 Prozent und ein Parfüm oder Extrait zwischen 15 und 30 Prozent. Nach Angaben des Riechstoff-Verbandes werden die Definitionen nicht einheitlich gehandhabt, es gibt länderspezifische Unterschiede.

Der Duft entfaltet sich in drei Stufen: die Kopfnote wird sofort wahrgenommen, verflüchtigt sich aber schnell, dann folgt die Herznote und zum Schluss die Basisnote, die sich über Stunden hält. Ein Öl ist eine Komposition aus verschiedenen Riechstoffen, das wiederum sind Substanzen, welche die Nase als Geruch wahrnimmt. Welche Anforderungen ein Produkt erfüllen muss, regelt die EG-Kosmetik-Verordnung, jedes muss in der von der von der EU-Kommission geführten Datenbank CPNP registriert werden. Derjenige, der es in den Verkehr, muss unter anderem Rezeptur und Adresse hinterlegen. Auf die Datenbank können etwa im Falle eines Notfalls Giftinformationszentralen zugreifen. Ein Duft für 3,95 Euro darf die Haut genauso wenig reizen wie ein Parfüm für 99 Euro", sagt VKE-Chef Ruppmann.

Einen Duft auf den Markt zu bringen, sei eine gewaltige Leistung. "Das kostet Zeit und viel Geld. Da braucht man sehr dicke Nerven und vor allem eine gute Nase", sagt der VKE-Geschäftsführer.

Modehäuser wie Chanel leisten sich eigene "große Nasen"

Die beiden größten Anbieter sind zwei US-Konzerne. Procter & Gamble mit einer Vielzahl von Lizenzen, etwa für Düfte von Hugo Boss oder Lacoste - und Coty mit Düften der Marken Calvin Klein, Marc Jacobs, Adidas oder Davidoff. Modehäuser wie Chanel oder Givenchy leisten sich eigene Parfümeure, "große Nasen" wie Jean-Claude Ellena, lange Jahre Chef-Parfümeur von Hermès. Oder Ursula Wandel, sie arbeitet für den Schweizer Konzern Givaudan, den größten Duft-Hersteller. Neben den großen Namen mit Marketingbudgets in Milliardenhöhe, haben auch kleine Anbieter Platz wie das Gräfelfinger Unternehmen Lengling. 50 Milliliter Extrait de Parfüm kosten dann 185 Euro. Der Preis des Duftes hänge von der Kraft der Marke und dem Marketingbudget ab, sagt Ruppmann, aber auch ganz wesentlich von der Qualität und der Menge der Inhaltsstoffe. Natürliches Rosenöl kann mehr als 12 000 Euro pro Kilo kosten, eine synthetische Rosenbase gibt es schon für 100 Euro. Die Duftstars werden jährlich für Herren und Damen in den Kategorien Lifestyle, Prestige, Exklusiv und Klassiker vergeben. "Da zählt das Gesamtpaket, die ganze Geschichte, der Erfolg bei den Konsumenten. Es nützt nichts, wenn ein Duft extrem aufwendig hergestellt wird und sich dann aber nicht verkauft", meint Ruppmann: "Ein passender Duft darf nicht aufdringlich sein, er muss den Charakter des Trägers unterstützen."

Der beste Beleg für eine gelungene Komposition: "Du riechst aber gut"

Frauen seien weitaus experimentierfreudiger als Männer, sagt Ruppmann: "Wenn Frauen sich treffen, wird auch gerne einmal über neue Düfte gesprochen. Männer reden beim Bier vielleicht über viele Sachen, aber ganz sicher nicht über ihr neues Parfüm." Männer tasten sich ihm zufolge eher an einen Duft ran und sind dann "sehr, sehr treu": "Wenn Männer einmal einen Duft gefunden haben, tragen sie ihn recht lange." So wie er. Seine letzte Wahl, "Burberry London", trug Ruppmann zehn Jahre. Vor kurzem hat er einen weiteren Duft für sich entdeckt. Der neue heißt "John Varvatos Artisan Black". Der beste Beleg für eine gelungene Komposition, die zum Träger passt sei doch, sagt Ruppmann, wenn jemand nach einer Umarmung sagt: "Du riechst aber gut."

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