Ein Deutscher in Paris:Charmante Abfuhr

Weidmann

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann spricht exzellent Französisch. Womöglich erklärt das auch sein Misstrauen gegenüber Vorschlägen aus Paris.

(Foto: oh)

Bundesbanker Weidmann widerspricht französischen Vorstellungen einer Transferunion.

Von Leo Klimm, Paris

Jens Weidmann und Emmanuel Macron verbindet einiges: Die Klarheit, mit der sie sich ausdrücken, der jugendliche Elan, mit dem sie sich ihren Jobs widmen und die Sorge um die Zukunft des Euro: Mit dem Krisengewurstel der vergangenen Jahre, da sind sich der Bundesbank-Präsident und der französische Wirtschaftsminister einig, kann es nicht weitergehen. Weidmann sagt: "Die Euro-Zone ist am Scheideweg." Macron sagt: "Der Status Quo führt in die Selbstzerstörung."

Um nicht im gefährlichen Status Quo zu verharren, hatte Macron im SZ-Interview Vorschläge für die Gemeinschaftswährung gemacht. Nun kommt von Jens Weidmann eine Antwort - die erste deutliche, durchargumentierte Replik aus Deutschland auf Macrons Vorstoß, dessen Kern die Forderung nach einer solidarischen Transferunion zwischen reich und arm in Europa ist. Weidmann weiß, dass sich neue Euro-Krisen nur im Konsens mit Frankreich vermeiden lassen. Doch er bleibt sich treu: Bei der Frage der Transferunion enden seine Gemeinsamkeiten mit Macron. Allerdings erteilt er seine Abfuhr an die französische Regierung so charmant, dass sein Pariser Publikum ihm dafür lauten Applaus spendet.

Der Ort für seine Replik am Donnerstagabend ist ein überfüllter und überhitzter Saal an der Eliteuni Sciences Po in Paris. Erst vor einem Monat war hier Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble aufgetreten. Doch während Schäuble lustlos arrogante Antworten auf kritische Fragen zu seiner Griechenland-Politik gab, macht sich der freundliche Herr Weidmann die Mühe, Frankreichs eigene Widersprüche in der Euro-Frage pädagogisch darzulegen. Um danach selbst Reformvorschläge zu unterbreiten, die ihm zufolge helfen, das Spannungsverhältnis von nationaler Souveräntität und europäischer Solidarität aufzulösen.

Weidmanns zentrale Botschaft ist nicht neu. In der Haushaltspolitik müssten "Kontrolle und Verantwortung auf der gleichen Ebene liegen". Budget-Entscheidungen und die Pflicht, für die Folgen dieser Entscheidungen geradezustehen, müssten entweder auf der nationalen oder auf der europäischen Ebene gebündelt sein. Nicht voneinander abgekoppelt sein. Genau das sei im Zuge der hektischen Krisenbekämpfung in den vergangenen Jahre aber geschehen und stelle eine Gefahr für die Stabilität der Euro-Zone dar. Weidmann spricht gern in Metaphern: "Wenn Sie Ihre Kreditkarte aus der Hand geben, ohne Möglichkeit, die Ausgaben zu beschränken, könnte der Begünstigte der Versuchung nachgeben, zu prassen", sagt er. Ein Student entgegnet, wie bei der deutschen Wiedervereinigung seien auch in Europa Geldtransfers nötig, um die Lebensverhältnisse anzugleichen. Der Bundesbank-Präsident weist das zurück: Transfers sind aus seiner Sicht kein Mittel, um die Konjunktur in einem schwachen Euro-Land anzukurbeln.

Boshaft erinnert er an die allergischen Reaktionen, die französische Regierungen offenbaren, wenn die EU-Kommission allzu defizitlastige Pariser Haushaltsplanungen bekrittelt. Für Weidmann ein Beweis, dass Frankreich selbst gar nicht zu einer echten Fiskalunion bereit ist, in der Kontrolle und Verantwortung an Europa abgetreten werden. Daher empfiehlt er einen "dezentralisierten Ansatz", bei dem jedes Land für sich allein verantwortlich ist. Das allerdings bedeutet nichts anderes als weniger europäische Solidarität.

Da wo Macron - typisch französisch "einen großen Wurf" fordert, wirbt Weidmann zur Stärkung der Währungsunion - typisch deutsch - für kleine, konkrete Schritte. Macron mag eine europäische Wirtschaftsregierung mit eigenem Budget verlangen. Weidmann hält es für wichtiger, das Klumpenrisiko aufzulösen, das Staatsanleihen für viele Banken bedeuten.

Die Euro-Zone ist laut Weidmann am Scheideweg. Zum Abschluss seines Vortrags zitiert er den US-Baseballer und Aphoristiker Yogi Berra: "Wenn Du nicht weißt, wo do hingehst, wirst Du vielleicht nicht dort hinkommen." Die Studenten lachen. Doch wie Weidmann einen Weg finden will, die Differenzen zwischen den deutschen und den französischen Vorstellungen für den Euro zu überbrücken, das haben sie nicht erfahren.

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