Ehemaliger Siemens-Vorstand soll vor Gericht:Anklagen im Fall Siemens geplant

Zwei Jahrzehnte hat Siemens die Betriebsräte-Organisation AUB heimlich finanziert, um ein Gegengewicht zur IG Metall zu schaffen. Der frühere Siemens-Vorstand Johannes Feldmayer und AUB-Chef Wilhelm Schelsky werden jetzt angeklagt.

Klaus Ott und Uwe Ritzer

Der frühere Siemens-Vorstand Johannes Feldmayer soll wegen mutmaßlicher Machenschaften des Konzerns vor Gericht kommen.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung will die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth in der AUB-Affäre Anklage gegen Feldmayer und den ehemaligen AUB-Chef Wilhelm Schelsky erheben.

Fast zwei Jahrzehnte lang hat die Siemens AG die arbeitgebernahe Betriebsräte-Organisation AUB über deren langjährigen Vorsitzenden Wilhelm Schelsky heimlich finanziert, um im Konzern ein Gegengewicht zur IG Metall zu schaffen.

Fingierte Rechnungen

Nach Erkenntnissen der Ermittler hat die Konzernspitze Schelsky über fingierte Rechnungen gut 50 Millionen Euro zukommen lassen, die Schelsky größtenteils in seine Organisation steckte. Viele Rechnungen sollen über Feldmayer gelaufen sein.

Die AUB agierte als Kampftruppe gegen die IG Metall und errang mit teuren Wahlkämpfen 150 Betriebsratssitze. Jetzt soll die mutmaßliche Manipulation von Betriebsratswahlen Folgen für zwei Hauptbeschuldigte haben.

Nach Informationen aus Justizkreisen plant die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth im Frühjahr Anklage gegen Schelsky und Feldmayer zu erheben.

Zahlreiche Beschuldigte

Die Staatsanwaltschaft und eine Sonderkommission "Amigo" der Kriminalpolizei Nürnberg ermitteln bereits seit Ende 2006 in der sogenannten AUB-Affäre gegen zahlreiche Beschuldigte.

Seit Februar 2007 sitzt Schelsky in Untersuchungshaft. Der Leiter der Justizpressestelle in Nürnberg, Richter Andreas Quentin, äußerte sich auf Anfrage der SZ zum Stand der Dinge.

Es sei davon auszugehen, dass es bei Schelsky und Feldmayer "noch im ersten Halbjahr zu einem Abschluss des Ermittlungsverfahren kommen wird". Weitere Angaben machte Quentin nicht. Der Anwalt von Schelsky war nicht erreichbar.

Feldmayers Anwalt: "Keine Stellungnahme"

Feldmayers Anwalt sagte, "wir geben zum laufenden Ermittlungsverfahren keine Stellungnahme ab". Der Aufsichtsrat von Siemens hatte Feldmayers Vertrag, der im September vergangenen Jahres auslief, wegen der AUB-Affäre nicht verlängert.

Der gebürtige Augsburger hatte seit 1979 nach und nach bei Siemens Karriere gemacht. 1999 wurde er Vorstand der Sparte Automatisierung und Antriebstechnik und 2003 schließlich Mitglied des Zentralvorstands, des innersten Zirkels der Macht.

Lesen Sie auf Seite zwei, wie die Beraterhonorare für die AUB abgewickelt wurden.

Anklagen im Fall Siemens geplant

Als Manager der Sparte Automatisierung unterzeichnete Feldmayer 2001 einen Beratervertrag mit einer Firma von Schelsky, der gleichzeitig als Bundesvorsitzender der AUB und als selbständiger Unternehmer agierte.

36 Millionen Euro kassiert

Auf der Basis des Beratervertrags, mit dem eine seit langem bestehende Zusammenarbeit fortgesetzt wurde, kassierte Schelsky laut Siemens-Unterlagen bis Ende 2006 rund 36 Millionen Euro.

"Vertragshintergrund" sei, so die Unterlagen, die "Schaffung eines Gegengewichts zu den bestehenden Gewerkschaften" gewesen. Mit dem Geld habe der Konzern die "Fixkosten" der AUB (Büros, Personal) gedeckt. Allerdings habe Schelsky sechs Millionen Euro für sein Hobby, das Sponsoring von Sportvereinen, und für seine Familie genutzt, notierte Siemens.

Ein Großteil von Schelskys Beraterhonoraren soll nach Erkenntnissen der Fahnder seit 2001 über Feldmayer abgewickelt worden sein.Teils seien die Rechnungen an die Privatadresse des Siemens-Vorstands gegangen.

Ermittlungen wegen Beihilfe zur Untreue

Die Ermittler bewerten das als Veruntreuung von Konzernvermögen. Untreue wird mit Geldstrafen oder Gefängnis bis zu fünf Jahren geahndet. Gegen den früheren Siemens-Betriebsrat und späteren AUB-Chef Schelsky ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Steuerhinterziehung und Beihilfe zur Untreue.

Er muss laut einem Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth, das Mitte 2007 eine Haftbeschwerde verworfen hatte, mit mehreren Jahren Gefängnis rechnen. Vor knapp einem Jahr saß auch Feldmayer hinter Gittern, allerdings nur eine Woche.

Gegen eine Kaution von fünf Millionen Euro kam er aus der Untersuchungshaft wieder frei. In den Folgemonaten verkaufte der Manager für insgesamt 5,5 Millionen Euro Siemens-Aktien.

Um Manipulationen vorzubeugen, ist es Unternehmen gesetzlich verboten, Einfluss auf Betriebsratswahlen zu nehmen. Wegen Verstoßes gegen diese Vorschrift hat die IG Metall in der AUB-Affäre Anzeige erstattet. Das könnte die möglichen Strafen noch höher ausfallen lassen.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat in einem Beschluss zur AUB-Affäre bereits erklärt, die Verantwortlichen bei Siemens und der frühere AUB-Chef Wilhelm Schelsky hätten das Mitbestimmungsrecht missachtet.

Weltweite Schmiergeldzahlungen

Feldmayer ist der erste Ex-Vorstand, der wegen der Siemens-Skandale vor Gericht stehen soll. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen der weltweiten Schmiergeldzahlungen ebenfalls gegen frühere Vorstände (und weitere Manager). Anklagen gegen Ex-Vorstände sind hier aber noch nicht absehbar.

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