Ehec gefährdet Bauern:Die Angst des Käufers vor der Tomate

Aus Furcht vor den Ehec-Bakterien halten sich die Verbraucher von Tomaten, Gurken und Salat fern. Für die Gemüsebauern bahnt sich ein wirtschaftliches Desaster an.

Heute kommt wieder kein Lastwagen. Manfred Driessen hat gerade ein knappes Gespräch mit der Genossenschaft geführt. "Kein Großkunde hat bestellt", erzählt der große, kräftige Mann, und seine Schultern hängen. Keiner will Tomaten kaufen.

Gemüse aus dem Knoblauchsland Nürnberg

Tomaten sind derzeit in Deutschland nahezu unverkäuflich. Wegen des Ehec-Erregers hatte das Robert-Koch-Institut in Berlin vor dem Verzehr roher Gurken, ungekochter Tomaten und von Salat gewarnt.

(Foto: dpa)

In Driessens gewaltigem, 180 Meter langen Gewächshaus reifen derweil unaufhaltsam die Tomaten weiter. "30 Tonnen hängen hier, die wir ernten müssen", sagt der 62-Jährige.

Die roten Früchte glänzen prall an den Rispen, sie müssen auf jeden Fall runter. Doch wohin damit? Aus Angst vor dem gefährlichen Darmkeim EHEC lassen Kunden auch Tomaten in den Läden links liegen.

Der Tomatenbauer Driessen aus Nettetal hat sich selbst probeweise im Supermarkt mal neben das Gemüseregal gestellt. "Da gehen die alle dran vorbei", sagt er.

Der Landwirt kann verstehen, dass die Verbraucher so drastisch auf den lebensgefährlichen Keim reagieren. Schließlich wird vor dem Verzehr von Tomaten, Gurken und Salat gewarnt.

"Alles wird in einen Topf geschmissen"

Allerdings seien die Proben, bei denen EHEC nachgewiesen wurde, in Hamburg genommen worden. "Alles wird in einen Topf geschmissen, wir sind hier im Rheinland", hadert der Landwirt und verweist darauf, dass er alle Vorschriften einhält und ständig Proben abgibt.

So wie Driessen geht es auch den niederländischen Gemüsebauern. Die Exporte ihrer Produkte nach Deutschland sind stark eingebrochen. Seit Sonntagabend gebe es praktisch keine Lieferungen nach Deutschland mehr, sagte Landwirtschaftsminister Henk Bleker am Rande des EU-Agrarminister-Treffens im ungarischen Debrecen.

Ein hoch spezialisiertes Geschäft

Die Niederlande verkaufen traditionell viel Gemüse nach Deutschland - pro Woche exportieren sie Grünzeug im Wert von circa zehn Millionen Euro nach Deutschland. Doch auch Bleker äußert angesichts von mittlerweile elf EHEC-Toten Verständnis für das Vorgehen der deutschen Behörden.

Das Robert-Koch-Institut hatte am Mittwochabend erstmals vor dem Verzehr roher Gurken, ungekochter Tomaten und von Salat gewarnt. Diese Warnung gilt weiterhin, da die Quelle des Erregers bislang nicht zweifelsfrei feststeht. Der Darmkeim EHEC breitet sich seit Mitte Mai in Deutschland ungewöhnlich rasch aus.

Der Rheinländer Driessen baut seit acht Jahren nur Tomaten an - es ist ein hoch spezialisiertes Geschäft. Sein Gewächshaus ist 12.500 Quadratmeter groß. Überall ragen in langen Reihen die Pflanzen hinauf zum Glasdach. Es gibt immer gleichzeitig reife Tomaten, aber auch grüne, die noch Zeit brauchen.

So können der Landwirt, seine Frau und die sieben Angestellten ständig ernten, so können die Kunden stetig beliefert werden. Jetzt allerdings ist die Nachfrage zusammengebrochen, und keiner weiß, wohin mit der Ware.

Auch die Kollegen nicht, mit denen Driessen immer wieder telefoniert. "Wir haben Riesenprobleme."

Der Landwirt rechnet vor: Allein die Energie fürs Treibhaus kostet 6000 Euro die Woche, dazu kommen Lohnkosten für die Angestellten und Investitionen in ein neues Gewächshaus, das gerade entsteht. Auf der Einnahmeseite dagegen Leere.

Ernte, aber wozu?

"Wenn das so weitergeht, dann gehen hier in vier Wochen die Lichter aus", sagt er. "Dann ist Schluss." Doch erstmal werden nun die 30 Tonnen geerntet, wenn auch nicht klar ist, wozu.

Zwei bis drei Tage können sie noch in Kisten lagern, dann sind die Tomaten unverkäuflich. Aufs Feld kippen? Oder Biogasanlagen? "Nehmen die das?" fragt der Landwirt. Und in ein paar Tagen sind wieder 30 Tonnen Tomaten rund und schön - reif für den Verkauf - oder die Entsorgung.

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