Edeka:Machtkämpfe, Bespitzelungen und Intrigen

Detektive als Praktikanten getarnt, heimliche Filmaufnahmen und Anstiftung zum Fehlverhalten: Zwei ehemalige Mitarbeiter von Edeka Südbayern packen aus.

Uwe Ritzer

Es scheint ein schmutziger Machtkampf gewesen zu sein, der zwischen Geschäftsführern der größten südbayerischen Einzelhandelskette Edeka getobt hat. Im Sommer 2007 erreichte das Intrigenspiel einen Höhepunkt. Während er in Urlaub gewesen sei, habe der Chef der Edeka Südbayern, Hans Georg Maier, seinen gesamten E-Mail-Verkehr und den einer Mitarbeiterin zu sich umleiten lassen, hat sich Maiers damaliger Geschäftsführer-Kollege Hans-Joachim M. nach SZ-Informationen bei Edeka-Genossenschaftlern beklagt. Er sei von Maier weder gefragt noch über dessen Vorgehen informiert worden.

Edeka: Fühlen sich als Opfer einer Bespitzelung: Meinrad Schöllhorn und Ursula Läufle.

Fühlen sich als Opfer einer Bespitzelung: Meinrad Schöllhorn und Ursula Läufle.

(Foto: Foto: Hildenbrand)

Der Chef des Handelsriesen (2,3 Milliarden Euro Jahresumsatz, mehr als 9000 Mitarbeiter, 1500 Verkaufsstellen) habe damit gegen das Datenschutzgesetz verstoßen, sagt M. Obendrein soll Edeka-Süd-Chef Maier streng vertrauliche Unterlagen von M. an den Betriebsrat weitergegeben haben, behauptete der damalige Geschäftsführer. Er sei bereit , alle Vorwürfe gegen Maier notfalls unter Eid vorzubringen, teilte Hans-Joachim M. Vorständen und Aufsichtsräten der Edeka-Genossenschaft schriftlich mit. Sollte er die Wahrheit erzählt haben, würde Edeka-Süd-Chef Hans Georg Maier in den Strudel um heimliche und womöglich illegale Überwachungen von Mitarbeitern seiner Firma geraten.

Zunächst ging es in der Edeka-Spitzelaffäre um einen Lastwagenfahrer, den in seiner Freizeit von Detektiven beschattet wurde, um herauszufinden, ob er trotz eines Fahrverbotes Auto fährt. Edeka behauptete, es habe sich um einen "einmaligen Fall" gehandelt.

Als Praktikanten getarnt

Im Lager Betzigau bei Kempten bespitzelten aber Detektive, die als Praktikanten getarnt waren, wochenlang Lagerarbeiter, filmten sie heimlich und stifteten sie nach Angaben von Betroffenen sogar zu Fehlverhalten an. Mindestens vier verloren ihre Arbeitsplätze. Von einer systematischen Mitarbeiterbespitzelung könne dennoch keine Rede sein, sagt Edeka. Man habe Diebstähle aufklären wollen, und das mit versteckter Kamera gedrehte Filmmaterial sei nicht gegen Mitarbeiter verwendet worden.

Diese Version gerät nun allerdings durch Aussagen zweier Betroffener ins Wanken. Meinrad Schöllhorn hat 17 Jahre bei der Edeka in Betzigau gearbeitet, Ursula Läufle 38 Jahre. Am 17. Dezember 2007 seien sie separat zum Betzigauer Betriebsleiter zitiert worden, sagten sie der Süddeutschen Zeitung. Ihr Chef sei schweigend dabeigesessen, während ihnen die beiden Detektive vorwarfen, verbotenerweise Wasser und Saft aus Bruchware getrunken zu haben.

Bei Bruchware handelt es sich um Lebensmittel, die aufgrund von Beschädigungen nicht mehr ausgeliefert werden können. Sie werden meist einer sozialen Einrichtung gespendet oder vernichtet. Schöllhorn und Läufle räumten den verbotenen Trunk ein. Sie erheben jetzt allerdings den Vorwurf, verhörartig in die Mangel genommen, eingeschüchtert und massiv unter Druck gesetzt worden zu sein, von sich aus zu kündigen. Dabei hätten die Detektive entgegen den Edeka-Darstellungen sehr wohl das heimlich gedrehte Filmmaterial als Druckmittel gegen sie genutzt.

Die Champagner-Kiste

Meinrad Schöllhorn sagt, er sei einige Male unter ausdrücklichem Hinweis auf die Aufnahmen zur Kündigung gedrängt worden. Nach Angaben von Ursula Läufle wurde ihr zunächst mehrmals der Genuss von Wein aus Bruchware vorgeworfen. Als sie diesen bestritten habe ("Ich trinke keinen Alkohol") habe einer der Detektive auf seinem Laptop die Filmaufnahmen angesehen und anschließend erklärt, sie habe Orangensaft getrunken. Edeka Südbayern teilte mit, man sei dabei, diese Vorwürfe aufzuklären und gegebenenfalls "alle erforderlichen Konsequenzen zu ziehen". Die Detektei machte keine Angaben.

"Dass sich die Kollegen nicht richtig verhalten haben, steht außer Zweifel", sagt Christian Betz, Bezirkssekretär der Gewerkschaft Verdi. Doch weder die verdeckten Filmaufnahmen, noch die Anstiftung zu entsprechenden Taten seien gesetzeskonform und akzeptabel. Edeka teilt mit, es gebe keine Hinweise darauf, dass die Detektive Mitarbeiter in Fallen gelockt hätten. Dem widerspricht Meinrad Schöllhorn energisch. Detailliert schildert er, wie eines Morgens zu Schichtbeginn ein Karton mit Champagnerflaschen als vermeintliche Bruchware auf dem Boden gelegen sei. "Mir kam das komisch vor, denn das sah aus, wie eigens hingeworfen", schildert er der SZ. Einer der als Praktikanten getarnten Detektive habe ihn in den folgenden Stunden "ständig und immer wieder gefragt, ob er eine Flasche von dem Champagner haben könne". Er, Schöllhorn, habe dies jedoch strikt abgelehnt.

Wer im Lager Betzigau, der Geschäftsführung oder anderswo bei Edeka Südbayern bespitzelt wurde, soll durch eine Sonderprüfung geklärt werden, die nach SZ-Informationen zuletzt in Gaimersheim stattgefunden hat. Der Edeka-Verband und die Edeka-Zentrale in Hamburg als 50-prozentige Anteilseignerin hatten die Prüfer geschickt. Dem Vernehmen nach sollten sie die Personalführung von Edeka-Regionalfürst Maier und seines Managements, aber auch andere konkrete Vorwürfe und Vorfälle durchleuchten. Schon länger wird in Konzernkreisen über ein Klima aus Intrigen, Missgunst, Günstlingswirtschaft und rigorosem Umgang mit Kritikern bei Edeka-Süd geklagt. Eine Sprecherin der Hamburger Zentrale wollte auf Anfrage zum genauen Prüfungsumfang keine Angaben machen. Offenkundig gehören dazu auch die Vorwürfe von Ex-Geschäftsführer M. Nach Edeka-Angaben war dieser zum Zeitpunkt der zu Maier umgeleiteten Mails bereits beurlaubt. Inzwischen ist er aus der Firma ausgeschieden.

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