Ebay: Betrug mit Lidl-Tickets:Tickets ins Nirgendwo

700 Schnäppchenjäger haben bei Ebay Bahn-Tickets ersteigert - die ihnen aber nie zugestellt wurden. Warum reagierte das Internet-Auktionshaus so spät auf die Warnungen geneppter User?

Katja Riedel

Wer betrügen will, der muss die Menschen an einer sensiblen Stelle packen. Zum Beispiel bei ihrer Sparsamkeit. Doch die hat sich für 700 Schnäppchenjäger, die günstig Bahnfahren wollten, nicht ausgezahlt - im Gegenteil.

Wenn Hartmut von Brack (Name geändert) über das Ergebnis seines jüngsten Ebay-Einkaufes spricht, verwendet er markige Worte. "Eine Riesensauerei" sei das, eine ganz und gar "üble Angelegenheit". Seine Wut ist verständlich.

Ende Februar bot der Penzberger in dem Internet-Auktionshaus für ein Bahnticket des Discounters Lidl. Als er den Zuschlag bekam, bezahlte er 59,90 Euro plus Versand per Blitz-Transfer, schrieb die Anbieterin freundlich an, das Ticket doch möglichst sofort an seine Tochter zu versenden, die Sache eile, die Tochter wolle reisen. Zurück kam ein schlichtes "ok". Okay war von diesem Moment an aber nichts mehr. Es blieb das einzige Zeichen. Bis heute kam kein Ticket an.

Ticketverkauf in großen Mengen

750.000 Bahntickets hatte Lidl im Dezember für je 66 Euro angeboten; wie schon bei vorherigen Aktionen waren die Tickets, mit denen Reisende eine beliebige Hin- und Rückfahrt mit der Deutschen Bahn innerhalb Deutschlands antreten konnten, rasch vergriffen. Weil Lidl früher die Erfahrung gemacht hatte, dass große Stückzahlen zu viel höheren Preisen im Internet versteigert wurden, begrenzte der Konzern die Abgabe diesmal auf fünf Tickets pro Person.

Dennoch irritierte es weder die Bieter noch die Mitarbeiter von Ebay, dass seit Ende Februar gleich zwei Verkäufer große Mengen stückweise auf der Plattform anboten. Insgesamt etwa 700-mal, zu je 60 bis 80 Euro bekamen Bieter den Zuschlag. Als Brack dämmerte, dass er vermutlich einem Betrüger aufgesessen war, recherchierte er auf den Ebay-Seiten. Lang musste er nicht nach Leidensgenossen suchen. Am 3. März schrieb er Ebay an, machte auf seinen unsauberen Verkäufer aufmerksam und auch darauf, dass es schon mehrere hundert Opfer gebe.

Zurück kam eine automatisierte Standardantwort: Ebay werde den Verkäufer an seine Pflichten erinnern. Brack suchte weiter, fand den zweiten Anbieter, der ebenfalls massenhaft Lidl-Tickets verkauft hatte. "Da die Tickets in großer Stückzahl und zu hohen Einzelpreisen gehandelt werden, drängt sich die Vermutung auf, dass Marktteilnehmer hier eine Lücke entdeckt haben, um rasche Mittelzuflüsse zu generieren", schrieb er erneut an Ebay. Doch die erwartete Reaktion, nämlich dass die noch laufenden Auktionen gestoppt würden, blieb aus.

Spur führt nach Berlin

Brack ist inzwischen zur Polizei gegangen. Seit dieser Woche melden sich auch im Internet immer mehr Geprellte. Auf mindestens 30.000 Euro beläuft sich wohl die Beute. Auf SZ-Anfrage räumte Ebay ein, dass die Sicherheitssoftware nicht jede Betrugsabsicht frühzeitig erkenne. Anfang März habe man von den Verkäufern Beweise verlangt, dass die angebotene Ware auch wirklich existiere. Aber erst als zu viele Kunden die beiden Verkäufer negativ bewerteten, löschte Ebay die Profile. Um Vertrauen zu schaffen und gute Bewertungen der Kunden vorweisen zu können, hatten die Verkäufer zunächst einige Lidl-Tickets geliefert. Dann erhielt plötzlich niemand mehr die bestellte Ware.

Konten einfach leergeräumt

Die Spur der Täter führt nach Berlin. Sie scheinen mit mindestens drei verschiedenen Konten bei der Postbank operiert zu haben. Eines wurde nach SZ-Informationen in Köln geführt, mindestens zwei weitere in Berlin. Auf die Berliner Konten hatten je sieben polnische Staatsbürger Zugriff. Inzwischen sollen beide Konten leergeräumt sein.

Zu den Opfern der Gauner zählt auch Rechtsanwalt Andree Scharnagl aus der Nähe von Frankfurt am Main. Für 80 Euro hatte er am 25. Februar ein Ticket ersteigert. Aber auch bei ihm kam das Ticket nie an, die Freundin musste zum teuren Normalpreis fahren.

Clevere Masche

In den Gaunereien sieht nicht nur Scharnagl eine clevere Masche: Ein begehrtes Produkt wird zu einem relativ moderaten Preis stückweise verkauft. Vereinbart ist eine fünftägige Lieferfrist nach Eingang der Zahlung - die den Tätern etwa zehn Tage Zeit beschert, bevor der Schwindel auffliegt. "Das ist auch deshalb clever, weil wegen 80 Euro niemand klagen kann", sagt Anwalt Scharnagl. Schon die Anwaltskosten seien höher. "Bei einem Produkt, für das 300, 400 Euro gezahlt worden sind, greift vielleicht schon eine Rechtsschutzversicherung." Der Anwalt will dennoch klagen; er kann sich selbst vertreten. Außerdem hat er Strafanzeige gestellt.

Auch Ebay will die Ermittlungen der Polizei unterstützen. Schließlich ist das Unternehmen in den vergangenen Monaten verstärkt ins Visier von Internetbetrügern geraten: Unter anderem waren Profile von Privatanbietern geknackt und für unlautere Geschäfte missbraucht worden.

Anwalt Scharnagl sagt, Ebay habe seine Sorgfaltspflicht vernachlässigt. Immerhin hat die Firma angekündigt, dass Kunden, die über das System Paypal gezahlt haben, ihr Geld zurückbekommen. Scharnagl will dennoch nicht mehr bei Ebay einkaufen. Schließlich sei er auch selbst schuld - denn Geiz sei eben, anders als die Werbung glauben machen will, doch nicht so geil.

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