EBA-Sitz:Bekommt Frankfurt die EU-Bankenaufsicht?

Bankenviertel in Frankfurt/Main

Viele Finanzhäuser haben hier ihren Sitz: Blick auf die Frankfurter Skyline

(Foto: Arne Dedert/dpa)
  • Acht EU-Städte kämpfen darum, die neue Heimat der Europäischen Bankenaufsicht zu werden. An diesem Montag entscheidet sich, wohin die bislang in London angesiedelte EU-Behörde umzieht.
  • Als ein Favorit gilt Frankfurt. Doch Deutschland muss zittern: Das neue Abstimmungsverfahren erschwert Prognosen.
  • Auch um die Europäische Arzneimittel-Behörde bewerben sich mehrere Länder.

Von Daniel Brössler, Brüssel

An diesem Montag fällt in Brüssel die Entscheidung, wohin die Europäische Bankenaufsicht (EBA) und die Europäische Arzneimittel-Behörde (EMA) nach dem Brexit von London aus umziehen. Deutschland bewirbt sich mit Frankfurt für die EBA und Bonn für die EMA, wobei nur Frankfurt ernsthafte Chancen eingeräumt werden.

Die neue Heimat der beiden Behörden wird dabei in einem Verfahren ermittelt, das der Siegerermittlung beim Eurovision Song Contest nicht unähnlich ist. Die Staaten können für die Kandidaten zunächst drei, zwei und eine Stimme vergeben. Insgesamt gibt es 27 Bewerbungen, Ausgang ungewiss. Die Londoner Buchmacher freilich wetten auf Frankfurt als neue EBA-Heimat. Bei ein zu 2,37 stand die Frankfurter Quote am Sonntag. Bei Prag betrug sie eins zu 17.

Zuletzt war die Sache den estnischen Diplomaten fast ein bisschen peinlich. Die stets um Seriosität bemühten Vertreter der amtierenden Ratspräsidentschaft mussten Fragen beantworten, die mehr mit einer Schönheitskonkurrenz oder dem ESC zu tun zu haben schienen als mit ernsthafter Politik: Wie können die Stimmen verteilt werden? Wer zählt? Dürfen Bewerber sich selbst wählen?

Aus der Not, sehr schnell für den Umzug aus EBA und EMA sorgen zu müssen, hat die EU eine Tugend gemacht. Sie hat eine völlig offene und vor allem geheime Abstimmung angesetzt. Die Ortswahl wird also nicht zwischen den Staats- und Regierungschefs ausgekungelt, sondern in einem Verfahren ermittelt, das zumindest formell so etwas wie Chancengleichheit verspricht. 19 Städte haben sich für die EMA beworben, acht für die EBA. In beiden Fällen wird der Sieger in maximal drei Wahlgängen gekürt - im Falle eines Patts notfalls per Losentscheid.

Deutschland bewirbt sich - zumindest offiziell - für beide Agenturen und geht mit Bonn als Standort für die EBA ins Rennen. Doch ein EU-Staat kann höchstens für eine der beiden Agenturen den Zuschlag bekommen, und abgestimmt wird zunächst über die Arzneimittel-Behörde. Gewänne Bonn, wäre Frankfurt aus dem Rennen. Die Gefahr allerdings ist klein. Bonn gehört im Unterschied zu Frankfurt nicht zum Favoritenkreis.

Die Bewerber müssen eine Reihe von Kriterien erfüllen. Vor allen Dingen müssen die Agenturen nach dem Austritt Großbritanniens Ende März 2019 ohne Unterbrechung ihre Arbeit fortführen können. Der Ort soll gut erreichbar sein, über internationale Schulen für die Kinder der Mitarbeiter verfügen sowie Zugang zum Arbeitsmarkt und zur Gesundheitsversorgung für die Angehörigen sicherstellen. Berücksichtigt werden soll auch die "geografische Verteilung". Soll heißen: Wer bisher keine EU-Institution beherbergt, soll Extra-Punkte bekommen. Die EU-Kommission hat zwar neutral gehaltene Einschätzungen zu allen Bewertungen abgegeben, aber in ihrer Abstimmung sind die EU-Staaten völlig frei. Taktische Erwägungen und allerlei vertrauliche Absprachen spielen deshalb eine große Rolle.

Wie sehr das Werben der Deutschen für Frankfurt verfängt, ist daher schwer einzuschätzen. Nicht nur bei den britischen Buchmachern gelten Wien, Dublin und Paris als starke Konkurrenten. Für Prag spräche zumindest der Wunsch, die östlichen Mitgliedstaaten einzubinden. Weitere Bewerber sind Warschau, Brüssel und Luxemburg. Dass eine weitere EU-Institution ins kleine Großherzogtum vergeben werden könnte, gilt aber als unwahrscheinlich.

Schon länger mehr nur als nur ein Geheimtipp: Bratislava

Überhaupt dürfte sich als entscheidend erweisen, wie sehr Fragen der geografischen Gerechtigkeit berücksichtigt werden. Als Favoriten bei der der Bewerbung um die Arzneimittel-Behörde EBA wurden zwar nicht zuletzt Mailand und Amsterdam genannt. Schon länger nicht mehr nur als Geheimtipp gehandelt wird aber Bratislava. Die Slowakei beherbergt bisher keine EU-Agentur, hat sich während ihrer EU-Präsidentschaft 2016 Anerkennung erworben und kann auf die zentrale Lage ihrer Hauptstadt verweisen. Wien, das sich neben der EBA auch um die EMA bemüht, liegt kaum eine Autostunde entfernt. Fast alle Vorzüge, auf die die Österreicher verweisen, gelten indirekt auch für die Slowakei. Auch das Londoner Wettbüro Ladbrokes sah Bratislava zuletzt vorne.

Allerdings: In einer Befragung der fast 900 Mitarbeiter der EMA haben mehr als 70 Prozent angegeben, sich einen neuen Job suchen zu wollen, sollte Bratislava den Zuschlag bekommen. Nur bei einem Umzug nach Amsterdam, Barcelona, Kopenhagen, Mailand oder Wien will eine große Mehrheit bleiben. Zwar sollen die Präferenzen der Angestellten bei der Auswahl keine Rolle spielen, aber durch die Hintertür tun sie das natürlich doch. Aus Westeuropa wird auf die notwendige Arbeitsfähigkeit der Agenturen verwiesen und darauf, dass der Weggang eines großen Teils der Mitarbeiter sich nicht so einfach überbrücken ließe. Gerade das Funktionieren der EBA aber sei für die Menschen in Europa von größter Wichtigkeit.

Die EMA ist für die Sicherheit aller in der EU zugelassenen Medikamente zuständig. Eine Betriebspause wegen fehlender Mitarbeiter dürfe im Interesse von Europas Patienten auf keinen Fall riskiert werden.

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