EADS: Interview mit Bodo Uebber:"Die A380 ist ohne Konkurrenz"

Bodo Uebber ist Verwaltungsratschef des A380-Herstellers EADS. Ein Gespräch über den jüngsten Unfall des "Supervogels", die Forderungen an Rolls-Royce und die neue Konkurrenz aus China.

C. Busse und J. Flottau

Daimler-Finanzvorstand Bodo Uebber, 51, ist seit 2008 auch Verwaltungsratschef beim Luft- und Raumfahrtkonzern EADS. Uebber begann seine Karriere 1985 in der Luftfahrt und wird als Nachfolger von EADS-Chef Louis Gallois gehandelt, der 2012 in den Ruhestand gehen soll. Uebber weist solche Pläne von sich.

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Daimler-Manager Bodo Uebber ist Aufsichtsratschef von EADS.

(Foto: AFP)

SZ: Wir freuen uns, Sie in München zu treffen. Die Gewichte verschieben sich doch immer mehr nach Frankreich.

Uebber: Haben Sie auch Fakten dazu?

SZ: Früher war Ottobrunn schon deutlich mehr wie eine Konzernzentrale als heute.

Uebber: Wir haben seitdem viele traditionsreiche Unternehmen in einen europäischen Luft-, Raumfahrt- und Verteidigungskonzern zusammengeführt, der seine Wurzeln schwerpunktmäßig in Deutschland und Frankreich hat. Also gibt es seit der Gründung eine Zentrale mit zwei Standorten in Paris und München, alles andere wäre nicht gegangen. Dabei wird es auch bleiben. Im Vordergrund stehen bei uns nicht Standortdebatten, sondern die Optimierung von Technologie- und Verwaltungsprozessen. Es wäre fatal, wenn wir uns zu starre Strukturen geben würden, mit denen das nicht mehr möglich wäre. Man verlangt von uns Spitzenprodukte, und die kann man nicht anders liefern.

SZ: Bleibt München also erhalten?

Uebber: Es gibt bei EADS keine Diskussion über die Standortstruktur, die wir haben.

SZ: Es gab ja mal den Vorschlag, alles nach Toulouse zu verlegen.

Uebber: Wie gesagt, wir müssen über Standorte hinweg arbeiten, die Prozesse sind wichtig. Ottobrunn wird es noch lange Zeit geben, genauso wie Paris, Toulouse oder Hamburg. Das Thema sollte man nicht zu hoch hängen. Übrigens sitzt ja auch der EADS-Chairman hier!

SZ: Ihr Vorgänger Rüdiger Grube hat immer sehr hervorgehoben, wie wichtig im Konzern die Balance zwischen Deutschen und Franzosen ist. Sie scheinen mehr auf die Prozesse abzuheben. Wie wichtig ist Ihnen die ausgewogene Machtverteilung?

Uebber: Das sind zwei unterschiedliche Themen, und Rüdiger Grube hat das auch zu einer anderen Zeit gesagt. EADS ist mittlerweile im Verwaltungsrat wie auch im Management sehr international geworden. Insofern sind wir ein Vorbild: Die Erfahrung und Internationalität unseres Verwaltungsrats sucht seinesgleichen - die Aufgaben werden nicht aus einer nationalen, sondern globalen und geschäftlichen Sicht beleuchtet. Die Thematik Deutschland/Frankreich ist dabei in den Hintergrund gerückt. Auch die Mitarbeiter sehen, dass es sachlicher und unpolitischer zugeht. Trotzdem ist EADS als deutsch-französisches, aber auch als spanisches und britisches Unternehmen aufgebaut worden und davon profitieren wir bis heute. Die internationale Zusammenarbeit ist sowohl im militärischen wie auch im zivilen Bereich sehr, sehr wichtig.

SZ: Ist das Festhalten an der formalen Verteilung von Posten noch wichtig?

Uebber: Ich denke, wir gehen mittlerweile natürlich mit dem Thema um. Wir haben jeweils um die 45.000 Mitarbeiter in Frankreich und in Deutschland. Wir brauchen das Formale im Grunde nicht mehr, ich glaube, dass sich bei der Verteilung von Führungsposten automatisch eine natürliche Balance ergibt. Irgendwann wird es die formalen Regeln nicht mehr geben.

SZ: Aber nicht 2012 schon, wenn Konzernchef Louis Gallois in den Ruhestand gehen soll und ein Nachfolger gesucht werden muss.

Uebber: Nein, da noch nicht. Was ich meinte, war eher langfristig gedacht.

SZ: Anfangs gab es ja starke Befürchtungen, dass sich der französische Staat als Anteilseigner sehr einmischen würde.

Uebber: Die Anteilseigner mischen sich viel weniger ein, als Sie denken. EADS hat ihr Eigenleben und eigene Strukturen, die von den Eigentümern nicht in Frage gestellt werden. Ich kenne nicht einen Fall, in dem Daimler, Lagardère oder der französische Staat da national argumentiert haben. Die Staaten greifen natürlich als Kunde ein und verlangen zum Beispiel bei militärischen Aufträgen, dass ein Teil der Wertschöpfung dort stattfindet, wo der Auftrag vergeben wird. Das ist normal.

"Der Spaßfaktor ist sehr hoch"

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Eine A380 der australischen Fluglinie Quantas startet vom Flughafen des Airbus-Werks in Hamburg-Finkenwerder.

(Foto: dapd)

Uebber: Wir haben ja gerade im März die Daedalus-Struktur verlängert (ein deutsches Bankenkonsortium, bei dem ein 7,5-Prozent-Anteil von EADS geparkt ist, Anm. d. Red.). Ich habe mich persönlich dafür eingesetzt, weil ich wollte, dass wir eine stabile Eigentümerstruktur haben, zumal wir damals gerade die Debatte über die A400M bestreiten mussten, dazu noch die Probleme bei der A380 hatten. Eine Diskussion um die Eigentümerstruktur wäre da das Schlimmste gewesen.

SZ: Also wenn reduziert wird, dann auf beiden Seiten gleichzeitig?

Uebber: Es ist wichtig, dass die Eigentümerstruktur balanciert weiterentwickelt wird. Dass man sich dieser Diskussion irgendwann stellen muss, ist richtig. Denn wir haben in der Struktur gewisse Anteile, die sich langfristig vielleicht nicht als stabil erweisen. Dazu kommt noch, dass wir die Banken mit drin haben. Die Vereinbarung mit dem Konsortium gilt bis Ende 2012, aber irgendwann wird es auch dort eine Veränderung geben. Dabei muss man die Balance der Eigentümerstruktur im Kopf behalten, auf deren Basis die internationale Zusammenarbeit weitergehen muss. Die europäischen Staaten setzten ja bei zivilen und militärischen Projekten auf Zusammenarbeit.

SZ: Welchen Anteil Ihrer Arbeitszeit widmen Sie EADS?

Uebber: Etwa 20 Prozent. Das schwankt aber sehr stark. Als das Thema A400M diskutiert wurde, war ich beispielsweise sehr viel im Einsatz. Aber grundsätzlich ist der Spaßfaktor sehr hoch, ich komme ja aus der Branche.

SZ: Mehr Spaß als bei Daimler?

Uebber: Wenn Sie auf die Frage anspielen, ob ich Interesse an der Nachfolge von Louis Gallois habe, dann will ich das gerne gleich beantworten. Zunächst gehört die Diskussion nicht in die Öffentlichkeit, sondern in den Verwaltungsrat und in den Vorstand. Trotzdem: Ich habe meinen Traumjob, nämlich Finanzvorstand bei Daimler zu sein. Aber ich bin auch sehr gerne Chairman bei EADS, schon wegen meiner persönlichen Geschichte und Verbundenheit mit dem Unternehmen.

SZ: Franz Beckenbauer würde sagen "Schaun mer mal".

Uebber: Nein. Ich habe Ihnen ja klar gesagt, was mein Traumjob ist.

SZ: China schwingt sich bereits in vielen anderen Industrien zum Konkurrenten auf, nun auch in der Luftfahrt: Ist das Duopol von Boeing und Airbus am Ende?

Uebber: Wir haben so ungefähr 25 Jahre gebraucht, um Pari mit Boeing zu sein. Unsere Aufgabe ist es sicherzustellen, dass die neuen Konkurrenten viel länger brauchen werden, um aufzuschließen. Dazu müssen wir mit neuer, überlegener Technologie und Produkten den Wettbewerb so lange wie möglich hinter uns lassen. Wenn möglich, nicht 25 Jahre, sondern weit länger. Irgendwann werden diese Länder - China, Russland, Brasilien - ihre Marktanteile ausbauen. Das wird aber lange dauern, und außerdem sind insgesamt die Wachstumsraten in der Luftfahrt sehr hoch. Die sind so gut, dass sich womöglich am Ende der ein oder andere auch neben uns in bestimmten Märkten wird etablieren können.

SZ: Wie kann man reagieren: Mitmachen oder nicht mitmachen?

Uebber: Mitmachen - das machen wir ja heute schon. Wir werden unsere Technologie nicht ewig schützen können. Im Prinzip kann jeder ein Produkt zerlegen und damit wissen, wie es funktioniert und wie man es produziert. Am Ende werden sie auch eigene Technologien haben. Wir müssen trotzdem vor Ort sein. Wir müssen in diesen Ländern letztlich auch Entwicklungskapazitäten haben.

"Die A380 ist ohne Konkurrenz"

SZ: Der Airbus A380 steht im Moment wegen des Beinahe-Unfalls von Qantas im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit...

Uebber: ...und Rolls-Royce hätte ein bisschen offensiver kommunizieren können, auf der anderen Seite geht das natürlich nur auf der Basis von Fakten. Das Schlimmste sind Spekulationen, das verunsichert nur. Wir müssen uns mit den technischen Herausforderungen auseinandersetzen und eine Lösung anbieten. Und genau das passiert ja auch.

SZ: Wollen Sie von Rolls-Royce Schadenersatz verlangen?

Uebber: Die Sicherheit steht im Vordergrund. EADS sind erst einmal die technischen Lösungen wichtig. Für solche Überlegungen ist es zu früh. Ob das ein Thema wird, sehen wir dann irgendwann später.

SZ: Wann wird die A380 profitabel? Die Prognose, mit dem Flugzeug werde 2015 Geld verdient, bezieht sich ja rein auf die operativen Kosten und nicht auf die Entwicklungskosten. Die müssen Sie aber auch noch zurückzahlen.

Uebber: Die Profitabilität von Flugzeug-Programmen kommt immer erst nach vielen Jahren. Die A320 ist heute sehr erfolgreich, und ich glaube, die A380 wird über die gesamte Lebensdauer auch profitabel werden. Sie hat ja 50 Jahre vor sich, ist ohne Konkurrenz und es geht nicht nur um den Verkauf der Flugzeuge, sondern auch um Ersatzteile und Wartung.

SZ: Realistischerweise werden Gewinne nicht vor 2030 zu machen sein.

Uebber: In dieser Industrie muss man oft in langen Zeiträumen denken. Schauen Sie sich die A320 an oder den Eurofighter, man muss da Geduld haben, bis man Geld verdient. Bei der A400M ist das vielleicht ein bisschen weiter gestreckt, und da wird es sehr davon abhängig sein, wie erfolgreich wir im Export sein werden. Aber aufgeben? Niemals. Dazu haben wir viel zu viele Chancen, und wir haben immer bewiesen, dass wir Geld verdienen können: Wir machen dieses Jahr 1,1 Milliarden Euro Ergebnis, irgendwoher muss das Geld ja kommen.

SZ: Ist die neue Version der A320, die A320NEO, die Sie in der vergangenen Woche gestartet haben, genug, um neue Konkurrenten wie China in Schach zu halten, oder hätten Sie eigentlich mehr tun müssen?

Uebber: Die Entscheidung war gut vorbereitet, das Team hat sich sehr lange Zeit genommen, wir wollten erst klären, ob wir auch die Ressourcen dafür haben. Außerdem hat Airbus langfristig vor, ein völlig neues Flugzeug auf den Markt zu bringen. Airbus hat einen Zeitplan, wann wir was machen können. Die A320NEO erhöht unsere Wettbewerbsfähigkeit mittelfristig - und dann legen wir in etwa 15 Jahren noch einmal nach.

SZ: EADS will in den USA zukaufen. Sie haben ja zehn Milliarden Euro auf der Bank. Worauf warten Sie noch?

Uebber: Das Geld sollte uns bei Übernahmen nicht zu falschen Entscheidungen verleiten. Klar, wir können uns was leisten, aber das sollte nicht zu Schnellschüssen führen. Und man sollte gar nicht so viel darüber reden, was man sucht, das treibt nur die Preise nach oben. Wir haben keinen Zeitdruck.

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