E-Mobilität:Abgasfrei 2030: Wie der Verkehr der Zukunft aussehen könnte

Mobilität der Zukunft: Bosch und Daimler kooperieren beim vollautomatisierten und fahrerlosen Fahren; WIR

Geplatzte Vision des automatisierten Taxis: So haben Daimler und Bosch ihre großen Plänen vor drei Jahren illustriert.

(Foto: oh)

Tschüss Benziner, Adieu Diesel: Fahren die Deutschen in ein paar Jahren ohne Verbrennungsmotor? Und wie klimafreundlich sind E-Autos wirklich?

Von Hanno Charisius, Max Hägler und Marlene Weiß

Jetzt also auch die Bundeskanzlerin. Sie halte den Ausstieg aus Benzin und Diesel für richtig, sagte Angela Merkel dieser Tage in einem Interview mit der Super Illu: "Ich kann jetzt noch keine präzise Jahreszahl nennen, aber der Ansatz ist richtig." Die Bundesländer haben sich übrigens schon festgelegt, wenn auch nicht einstimmig. Im vergangenen Jahr forderte die Mehrheit per Ratsbeschluss, in der EU sollten Anreizsysteme geschaffen werden, damit "spätestens ab dem Jahr 2030 unionsweit nur noch emissionsfreie Pkw zugelassen werden".

Das baldige Ende von Benzin- und Diesel-Autos, das oft nur als lautstarke Forderung der Grünen wahrgenommen wird, könnte näher sein, als viele annehmen. Doch wie wäre das eigentlich, wenn tatsächlich bereits in zwölf Jahren keine Fahrzeuge mehr verkauft werden dürften wie wir sie kennen, sondern vor allem E-Autos? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Reicht der Strom überhaupt?

3,4 Millionen Autos werden in Deutschland jährlich neu zugelassen. Derzeit sind 46 Millionen Pkw unterwegs, davon nur 34 000 Elektroautos und 165 000 Hybrid-Fahrzeuge. Sollten von 2030 an nur noch Wagen mit emissionsfreien Antrieben verkauft werden, dürfte ihr Anteil schon vorher schnell steigen. Unklar ist, wie schnell. Das Beratungsunternehmen Accenture rechnet wie auch die Gewerkschaft IG Metall damit, dass 2030 bereits ein Drittel aller Autos in Deutschland vollelektrisch fahren.

Die Bundesnetzagentur ist in ihrem Szenario für eine schnelle Energie- und Verkehrswende konservativer, sie erwartet, dass im Jahr 2030 rund sieben Millionen Elektrofahrzeuge unterwegs sind. Diese Flotte würde dann gut vier Prozent des heutigen Stromverbrauchs benötigen. Der Gesamtverbrauch könnte trotzdem in etwa konstant bleiben, sofern eintritt, was die Netzagentur annimmt: Viele Geräte werden effizienter und könnten den E-Auto-Verbrauch ausgleichen. Dazu kommt, dass das Stromnetz künftig intelligent gesteuert werden soll: Dass also beispielsweise nicht alle Autos, die an der Steckdose hängen, gleichzeitig laden.

Und wie kommt Strom zu den Autos?

Wenn künftig Millionen Deutsche ihre Elektroautos parallel aufladen wollen, würde das nicht nur die Stromerzeugung strapazieren, sondern auch die heutigen Netze überfordern, heißt es von den Stromversorgern. Das gilt besonders dann, wenn sich Schnellladestationen mit bis zu 350 Kilowatt Ladeleistung verbreiten, wie sie die Autokonzerne an Schnellstraßen errichten wollen. Dafür müssten vielerorts die Verteilnetze auf Mittelspannung verstärkt werden, die Kabel mit 300 Quadratmillimetern Querschnitt erfordern, doppelt so viel wie bei Niederspannung - man kommt kaum umhin, die Straße dafür aufzureißen. Noch unklar ist, wer die Kosten trägt, ob nur die Autofahrer oder die Stromkunden generell. Auch anderswo muss viel gebaut werden: Der Energieversorger EnBW verdoppelt in Neubaugebieten jetzt schon die Anzahl der Trafostationen.

Reichen die Rohstoffe für Batterien?

Lithium gilt derzeit als wichtigster Rohstoff für Autobatterien, aber in den Energiespeichern stecken außerdem Kobalt, Kupfer, Nickel, Mangan, Aluminium und andere Metalle, die zum Teil mit großem Energieaufwand gefördert und verarbeitet werden müssen. Obwohl es reichlich Lithium auf der Erde gibt, hat sich der Preis seit 2014 mehr als verdoppelt.

Die Frage, ob es zur Mangelware werden könnte, lässt sich jedoch nicht beantworten: Das hängt davon ab, welche Technologie sich durchsetzt. Derzeit konkurrieren mehr als vier Batterie-Varianten, die neben Lithium weitere Metalle benötigen. Es werden auch Ersatzstoffe für Lithium erforscht und so könnten auch Batterien ohne Lithium das Rennen machen. Offen ist zudem, wie sich E-Autos in anderen Ländern durchsetzen oder ob man dort alternativen Antrieben den Vorzug gibt. Schließlich ist auch noch Recycling ein Thema: Es gibt zwar bereits Verfahren, um Lithium und andere Materialien aus Batterien wiederzuverwerten, derzeit sind sie allerdings noch zu teuer.

Wie gut für das Klima sind E-Autos wirklich?

Ist Strom die einzige Alternative?

Neben dem Elektromotor gibt es weitere Antriebskonzepte, die zumindest rechnerisch emissionsfrei sein können. Synthetische Treibstoffe, die aus nachwachsender Biomasse gewonnen und in darauf optimierten Motoren verbrannt werden, stoßen zwar Kohlendioxid aus, doch nur so viel, wie die Pflanzen zuvor aus der Luft gebunden haben. Bei einem Antrieb per Brennstoffzelle, die Wasserstoff, Methan oder Methanol in elektrischen Strom verwandelt, entsteht nur Wasser. Allerdings müssen diese chemischen Energieträger zuvor gewonnen werden. Am umweltfreundlichsten gelingt das derzeit mit überschüssigem Strom aus Windkraft- oder Solaranlagen. Der Wirkungsgrad ist jedoch nicht sehr hoch und der Wasserstoff lässt sich nicht gut speichern und transportieren.

Einfacher geht das mit flüssigem Methanol oder mit Methangas. Reagiert Wasserstoff unter kontrollierten Bedingungen mit dem Treibhausgas Kohlendioxid, entsteht dabei Methan, das sich einfach im bestehenden Erdgasnetz speichern und in angepassten Benzinmotoren verbrennen lässt. Solche künstlich hergestellten Treibstoffe haben gegenüber Batterien große Vorteile: Sie brauchen nur kleine Veränderungen der bestehenden Infrastruktur für fossile Energieträger und wegen ihrer vergleichsweise hohen Energiedichte haben die Fahrzeuge größere Reichweiten, als mit heutigen Batterien möglich ist.

Schützen E-Autos das Klima?

Heute ist der Klimaschutz-Effekt von Elektroautos überschaubar. Beim aktuellen deutschen Strommix werden pro Kilowattstunde Strom (kWh) etwa 530 Gramm CO₂ frei. Kompaktwagen wie der BMW i3 verbrauchen mit Ladeverlusten im Realbetrieb rund 17 kWh pro hundert Kilometer - macht etwa 90 Gramm CO₂ pro Kilometer. Kompakt-Benziner brauchen mehr als das Doppelte, wenn man die Emissionen hinzuzählt, die durch Gewinnung und Transport des Kraftstoffs entstehen.

Bei Elektroautos kommt jedoch der Klimaschaden in der Herstellung hinzu, vor allem der Batterien: Der Bau eines Kompaktwagens mit bescheidenen 24 kWh Batteriekapazität produziert laut einer Berechnung des Heidelberger Ifeu-Instituts etwa drei Tonnen CO₂ mehr als der Bau eines vergleichbaren Benziners. Für den gesamten Lebenszyklus kommt das Ifeu-Institut zum Ergebnis, dass die Stromer aus Klimasicht vergleichbar mit Dieseln sind und nur rund 20 Prozent besser als Benziner.

Im Jahr 2030 dürften jedoch ganz andere Bedingungen gelten. Bei einem einigermaßen zügigen Ausbau sollte der Anteil erneuerbarer Energien im Strommix bis dahin auf mehr als 50 Prozent steigen; anders sind die deutschen Klimaziele kaum zu erreichen. Auch die Herstellung der Batterien dürfte mit zunehmender Nachfrage effizienter werden. Das Ifeu-Institut schätzt daher, dass Elektroautos 2030 insgesamt im Vergleich zu Benzinern rund 40 Prozent CO₂ einsparen.

Um den weitgehend klimaneutralen Verkehr zu erreichen, den Deutschland im Paris-Abkommen für das Jahr 2050 versprochen hat, wird allerdings mehr nötig sein: eine ganz andere Mobilität. Tatsächlich werden wir uns anders fortbewegen, prophezeit das Beratungsunternehmen Accenture: Wenn Car-Sharing, Elektromobilität und Autonomes Fahren Serienreife erreichen, würden diese Technologien verschmelzen. Viele Autos würden im Jahr 2030 geteilt genutzt, mit Auswirkungen auf das Klima, den Platz auf Straße und den Geldbeutel: Für etwa fünf Cent pro Kilometer könnte man in Roboter-Taxis fahren, so die Schätzung, weit günstiger als im eigenen Auto. Für die Anbieter ist das ein riesiger Markt: 1,2 Billionen Euro könnten weltweit mit solchen Mobilitätsdienstleistungen umgesetzt werden.

Und Lärm und Luft in den Städten?

Auch wenn angesichts des Dieselbetrugs ein anderer Eindruck entstanden sein mag: Die Luft in den Städten ist in den vergangenen Jahrzehnten tendenziell immer sauberer geworden. Gut genug, um sie unbedenklich einzuatmen, ist sie an vielen Stellen trotzdem noch nicht. Elektroautos können die Luft in Städten sicher verbessern; ob die Atmosphäre global betrachtet auch sauberer wird, ist stark davon abhängig, woher der Strom für die Fahrzeuge stammt. Kohle- oder Gaskraftwerke sind dafür weit weniger hilfreich als regenerative Quellen wie Wasserkraft oder Sonnenenergie.

Ob mit den Elektroautos auch Ruhe in die Städte einkehren würde, hängt nicht nur von der Antriebsart ab, sondern auch von der Stadtplanung und dem Autodesign. E-Autos in Schleichfahrt sind zwar kaum zu hören, aber außerhalb von Tempo-30-Zonen sind Abrollgeräusche und Fahrtwind sogar lauter als die Geräusche von Verbrennungsmotoren. Das wird mit E-Antrieben nicht zwangsläufig besser. Immerhin gibt es beim Elektromotor keine Abgasanlage mehr, die man auf Lärm hin frisieren könnte. Wer es dann noch laut haben will, müsste schon die Stereoanlage aufdrehen.

Was bedeutet das für die Jobs?

Elektroautos sind weit weniger komplex als heutige Wagen mit Verbrennungsmotoren: für Motor und Getriebe sind nur noch 200 Einzelteile nötig statt 1400. Daraus ergibt sich zweierlei: Die Hersteller könnten diesen Umstieg schaffen, zumal sie bereits jetzt immer mehr E-Autos auf den Markt bringen. Doch am Ende werden weniger Menschen in den Fabriken benötigt; einige Zehntausend arbeiten derzeit etwa direkt an der Dieseltechnik. Ihre Jobs bei Herstellern und Zulieferern fallen weg. Insofern wäre ein langsamer Wechsel der Antriebstechnik von Vorteil, heißt es etwa vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: "Das gibt die Zeit, um den Wandel bei den Jobs möglichst ohne Entlassungen zu organisieren, sondern über natürliche Verrentung und Jobwechsel."

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