E-Commerce:Die Prozesse unter dem Eisberg

Das Rückgaberecht beim Onlinekauf ist sehr verbraucherfreundlich - Retouren daher zahlreich. Wer darauf nicht vorbereitet ist, muss mit hohen Kosten rechnen.

"Offline shoppen" ist out: Immer mehr Menschen kaufen Waren und Dienstleistungen lieber im Netz als im Laden.

FedEx-Paketsortierung

Ein FedEx-Angestellter bei Sortieren von Paketen am firmeneigenen Flughafen des Logistikdiensleisters in Oakland, Kalifornien.

(Foto: Foto: afp)

Ob der Online-Shopper sein heiß ersehntes Päckchen auch schnell bekommt, hängt von den logistischen Fähigkeiten des Händlers ab.

Und gute Logistik ist dann am besten, wenn man sie nicht sieht.

Einen solchen Kraftakt hatte Amazon.de noch nicht erlebt. Fast eine viertel Millionen Bücher musste der Online-Buchversand gleichzeitig ausliefern, als vor einigen Monaten die englische Ausgabe des siebten "Harry Potter"-Bandes erschien.

Zaubern war dabei nicht gefragt, sondern knallharte Logistik. Schließlich hätte jeder Harry-Potter-Fan seinen Postboten wohl am liebsten in eine Kröte verwandelt, wenn das lang erwartete Buch auch nur einen Tag später auf der Türschwelle lag.

Die Umsätze im elektronischen Handel wachsen rasant. Beim Handel mit Privatkunden spricht man von "Business-to-Consumer", kurz B2C. Im Jahr 2006 kauften die deutschen Verbraucher laut dem Branchenverband BITKOM Waren und Dienstleistungen im Wert von 46 Milliarden Euro im Internet ein.

Logistik die Achillesferse des E-Commerce

"Dank attraktiver Angebote und hoher Sicherheitsstandards wird das Internet bei den Konsumenten immer beliebter.

Neben dem stationären Handel und dem traditionellen Versandgeschäft hat es sich als dritte Säule fest etabliert", so BITKOM-Vizepräsident Jörg Menno Harms.

Der Branchenverband schätzt, dass bis zum Jahr 2010 der Umsatz im elektronischen Handel mit Privatkunden auf 145 Milliarden Euro zulegen wird. Die Wachstumsrate liege bei durchschnittlich 33 Prozent pro Jahr.

Die beliebtesten Produkte sind Bücher, Tickets für Veranstaltungen und Bekleidung. Auch höherwertige Artikel und Dienstleistungen, etwa elektronische Geräte und Reisen, gehen immer öfter über den virtuellen Ladentisch.

Während der stationäre Versandhandel an Boden verliert, wächst der Online-Handel - Neckermann/Quelle, Otto und Tchibo sind dafür gute Beispiele. Der aufstrebende E-Commerce hat allerdings eine Achillesferse: die Logistik.

Rückgaberecht beim Onlinekauf sehr verbraucherfreundlich

"Der Kunde sieht bei der Bestellung im Internet nur die Spitze des Eisbergs - die logistischen Prozesse dahinter bleiben ihm verborgen. So soll es auch sein, denn Logistik ist dann am besten, wenn man sie nicht sieht", sagen Christian Brem und Sebastian van Baal, Logistik-Experten beim E-Commerce-Center Handel am Institut für Handelsforschung der Universität Köln.

Kunden erwarten schnelle Lieferzeiten und möglichst niedrige Versandkosten. Bestellt werden meist nur wenige Produkte auf einmal, so dass große Händler mit einer großen Zahl von Kleinsendungen hantieren müssen. So mancher Händler ohne Erfahrungen in der Distributionslogistik ist schon auf die Nase gefallen, weil die Kosten einer schlecht organisierten Logistik den Gewinn erheblich schmälern können.

Da das Rückgaberecht beim Onlinekauf sehr verbraucherfreundlich gestaltet ist, müssen Händler außerdem eine große Zahl von Retouren in Kauf nehmen.

Je mehr Elektronik, desto effizienter

Die Logistik umfasst den kompletten Prozess von der Entgegennahme und Bearbeitung der Bestellung über Kommissionierung, Verpackung und Transporteinleitung bis hin zur Sendungsverfolgung. Viele Kunden wollen über den Verlauf ihrer Bestellung immer auf dem Laufenden gehalten werden.

Wenn Mitarbeiter solche Informationen selbst überprüfen und den Kunden benachrichtigen müssen, fällt schnell eine unkalkulierbare Menge Arbeit an. Deshalb kommt es auf ein leistungsfähiges "Shop-System" an, das dem Händler die Arbeit abnimmt. Das macht hohe Investitionen in Hard- und Software nötig.

Ein "High-End"-System wie das von Amazon.de verschickt automatisch Emails, wenn es irgendwelche Probleme gibt oder sich der Preis seit der Bestellung verringert hat.

Hälfte der Logistikkosten entfällt auf Retouren-Management

Damit die Kette von der Bestellung bis zur Auslieferung möglichst lückenlos bleibt, arbeiten große Online-Händler eng mit Paket- und Express-Dienstleistern wie DHL, DPD, FedEx oder UPS zusammen. So wird manchmal der Versand mit dem Paketdienst direkt in das Shop-System des Online-Händlers eingebaut.

Ein enormer Kostenfaktor ist die Abwicklung von Retouren. "Aufgrund des Widerrufsrechts, das im Fernabsatzgesetz festgehalten ist, können Kunden online bestellte Produkte ohne Angabe von Gründen innerhalb von zwei Wochen an den Anbieter zurücksenden.

Gerade bei Mode- und Textilwaren kommt das häufig vor", so die Logistik-Experten Christian Brem und Sebastian van Baal. So kann es sein, dass bis zu 50 Prozent der Logistikkosten allein durch das Retouren-Management aufgefressen werden.

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