Dupont:Die Lady ist Geschichte

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Gab in der Schlacht gegen den Investor auf: Ellen Kullman.

(Foto: Daniel Acker/Bloomberg)

Nach dem Rücktritt der Vorstandschefin verdichten sich beim traditionsreichen US-Chemiekonzern die Gerüchte über eine Aufspaltung.

Von Kathrin Werner, New York

Man kann sich das vorstellen. Wie sie ihren Blazer ein letztes Mal zurechtrückt, einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel wirft. Wie sie die Zeitung liest - vielleicht steht zum letzten Mal etwas über sie darin? Wie sie die Haustür hinter sich zuzieht, ins Auto steigt, zur Arbeit fährt. Zum letzten Mal. Zum letzten Mal ihre Morgen-Routine. Danach: Rente

In den Lokalzeitungen in Delaware ist jetzt vom Ende einer Ära die Rede

Der vergangene Freitag war der letzte Tag von Ellen Kullman an der Spitze des Chemiekonzerns Dupont, dem Erfinder von Teflon, Nylon und Neopren. Die Lokalzeitungen in Delaware, der Heimat des Unternehmens an der amerikanischen Ostküste, nennen Kullmans Abgang das Ende einer Ära, einen Verrat, eine Niederlage am Ende einer Schlacht. Die Artikel klingen wie ein Nachruf. "Uncle Dupie ist tot", lässt sich eine ehemalige Managerin im News Journal aus Delawares Hauptstadt Wilmington zitieren. Uncle Dupie ist der liebevolle Spitzname des Konzerns, den Éleuthère Irénée du Pont im Jahr 1802 als Schießpulver-Fabrik gründete. DuPont ist eines der uramerikanischsten Unternehmen, es hat die Familie Du Pont zu einer der reichsten des Landes gemacht und mit seinen Erfindungen die Welt verändert.

Dupont ist längst an der Börse, ein internationaler Chemiegroßkonzern, und hat trotzdem den Ruf, intern ein Familienunternehmen geblieben zu sein, eine Firma mit Werten, die sich um die Mitarbeiter kümmert - dafür steht "Uncle Dupie". Womöglich ist das schon lange mehr Legende als Realität, der Abgang der Firmenchefin macht es nun offensichtlich.

Kullman hat über Monate hinweg eine öffentliche Schlacht mit dem berüchtigten Großinvestor Nelson Peltz geführt. Dessen Hedgefonds Trian Fund Management hatte 2013 2,7 Prozent der Aktien von Dupont gekauft und viele Veränderungen bei dem Konzern verlangt. Dupont solle profitabler werden und mehr dafür tun, dass der Aktienkurs steigt. Der erste Plan des 73-Jährigen sah vor, dass Dupont in drei Teile zerschlagen werden soll: Das Saatgutgeschäft, die Plastiksparte und die anderen Materialien sollen separate Unternehmen werden. Peltz wollte Kosten sparen, die Firma solle sich mehr spezialisieren, größere Risiken eingehen und zum Beispiel höhere Schulden aufnehmen.

Peltz ist einer der gefürchtetsten Finanzinvestoren. Wenn sein Fonds Trian bei einem Unternehmen einsteigt, müssen oft Manager gehen, werden Jobs gestrichen und Unternehmensbereiche verkauft. Peltz bekommt meist, was er will. Und meist ohne dass viele Meldungen darüber in die Öffentlichkeit gelangen. Aktivistische Aktionäre wie er sind in den vergangenen Jahren auch bei großen Beteiligungsgesellschaften wie Pensionsfonds beliebter geworden, weil sie oft für bessere Aktienkurse oder Dividenden sorgen. Und Vorstände legen sich ungern mit ihnen an, weil sie ihre größten Aktionäre nicht vergraulen wollen.

Kullman aber wehrte sich, sie hielt vor allem den Aufspaltungsplan für falsch. Peltz begann, öffentlich um Sitze im Verwaltungsrat zu kämpfen. Er kritisierte, dass Dupont Gewinnprognosen verfehlte - Kullman entgegnete, dass sich ihr Unternehmen besser entwickele als die wichtigsten Aktienindizes. Peltz warf Kullman vor, Geld zu verschwenden, die falschen Unternehmensbereiche zu verkaufen, und das auch noch zu billig, und insgesamt keinen Plan für die Zukunft zu haben. Bei einem seiner Vorträge über Dupont legte er eine Powerpoint-Folie auf, die den Titel "Management-Strategie" trug und sonst nur eins: ein riesiges Fragezeichen.

Doch Kullman gewann, zunächst. Fünf Monate ist das her. Die Aktionäre verwehrten Peltz und drei weiteren Trian-Managern den Einzug in den Aufsichtsrat. Die Entscheidung war denkbar knapp, hätte nur ein größerer Investor für Peltz gestimmt, hätte Kullman verloren. Bei den Mitarbeitern, kleineren Investoren und Lokalzeitungen wurde sie als Siegerin gefeiert - als eine, die endlich den Optimierern die Stirn bietet.

Die 59-Jährige gilt als Bewahrerin der alten Dupont-Werte. Sie ist seit 27 Jahren im Unternehmen, seit sieben Jahren ist sie Vorstandschefin. Ihr Ruf war bis zu Trians Einstieg exzellent. Sie hatte Dupont nach der Wirtschaftskrise stabilisiert, Kosten gespart und den Umbau begonnen. Dupont soll sich statt auf die weniger profitable Massenchemie auf Spezialprodukte etwa für die Nahrungsmittelindustrie konzentrieren. Zugleich erfüllte sie zumindest einen Teil der Forderungen des aktivistischen Investors. Sie spaltete die Sparte für Autolacke ab und sparte Kosten. Dupont verkündete, aus dem historischen Hauptsitz mitten in Wilmington umzuziehen und das Dupont-Hotel zu verkaufen, das Peltz als Geldverschwendung attackiert hatte. Doch Peltz verkaufte die Dupont-Anteile nicht. Die Geschichte mit dem Unternehmen sei für ihn noch nicht vorbei, ließ er über einen seiner Manager ausrichten.

Nur verlässt Kullman doch Dupont. Warum genau, hat sie nicht gesagt. "Es ist an der Zeit für eine neue Führung, die das Tempo der Veränderung weiterführen wird", sagte sie. Es soll ihre eigene Entscheidung gewesen sein, heißt es. Sie habe gemerkt, dass der Aufsichtsrat und wichtige Aktionäre sie seit dem öffentlichen Kampf nicht mehr unterstützen. Viele finden nun, die Kontrolleure hätten Kullman verraten. "Dass der Aufsichtsrat so wenig Rückgrat hat, ist eine Schande", sagte etwa Jeffrey Sonnenfeld von der Yale School of Management dem News Journal. Ihr Abgang trifft zusammen mit schlechten Ergebnissen: Dupont muss wieder die Gewinnprognose kappen. Bis zur Ankündigung von Kullmans Abgang hat das Unternehmen binnen zwölf Monaten 27 Prozent an Börsenwert verloren. Seither steigt der Kurs.

Die Fans der alten Unternehmenskultur fürchten nun, dass Dupont so wird, wie Peltz sich das vorstellt - vor allem mit weniger Jobs. Für Kullman übernimmt übergangsweise Edward Breen, er sitzt seit Februar im Aufsichtsrat. Die anderen Kontrolleure haben ihn angeworben, um Peltz und die anderen Trian-Manager milde zu stimmen. Breen gilt als Spezialist für die Aufspaltung von Unternehmen. Als Vorstandschef teilte er den Elektronikkonzern Tyco gleich zweimal in mehrere Teile und verkaufte etliche Tochterfirmen. Er soll Dupont führen, bis ein Nachfolger gefunden ist, vermutlich einer von außen. Was die 59-jährige Kullman nun machen will, ist nicht bekannt.

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