Dubiose Aktiendeals:Freie Bahn für die Fahnder

Das Verfassungsgericht hilft den Ermittlern. Sie können weiterhin gegen Banken und andere vorgehen, die dem Fiskus beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende mehr als zehn Milliarden Euro gestohlen haben sollen.

Von Klaus Ott, Frankfurt

Der wichtigste Satz in einem jetzt veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe steht ganz am Ende. "Diese Entscheidung ist unanfechtbar." Das bedeutet: Staatsanwälte und Steuerfahnder in ganz Deutschland haben freie Bahn in einem der mutmaßlich größten Kriminalfälle im Wirtschaftsbereich. Die Ermittler können weiterhin gegen Banken und andere Akteure vorgehen, die dem Fiskus beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende mehr als zehn Milliarden Euro gestohlen haben sollen. Denn die Karlsruher Richter haben eine Beschwerde gegen solche Untersuchungen "nicht zur Entscheidung angenommen" und insofern verworfen. Das Vorgehen der Behörden, die einem "hinreichenden Tatverdacht" der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall nachgingen, sei verfassungsrechtlich "nicht zu beanstanden". Sagen die Karlsruher Richter.

Das Strafmaß bei schwerer Steuerhinterziehung beträgt bis zu zehn Jahre Gefängnis

Die Verfassungsbeschwerde stammte von einem mutmaßlichen Cum-Ex-Akteur, der bei den Aktiendeals eine zentrale Rolle gespielt haben soll; der das aber bestreitet. Der Beschuldigte, gegen den die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt und die Staatsanwaltschaft Köln ermitteln, wehrt sich seit Jahren bei Gericht gegen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse. In dem Verfahren beim Verfassungsgericht ging es um den Frankfurter Fall, in den auch die Hypo-Vereinsbank (HVB) verwickelt war. Die HVB hat längst Verfehlungen zugegeben und, zusammen mit einem früheren Geschäftspartner, rund 200 Millionen Euro an den Fiskus zurückgezahlt. Ein Bußgeld in Millionenhöhe kam hinzu.

Der Trick bei den Cum-Ex-Deals bestand darin, sich vom Fiskus Kapitalertragsteuern erstatten zu lassen, die zuvor gar nicht an die Finanzämter gezahlt worden waren. Solche Steuern werden auf Dividendenerlöse fällig. Die HVB gestand den Griff in die Staatskasse. Der Verdächtige, der die Verfassungsbeschwerde einreicht, bestreitet das nach wie vor und bezichtigt die Behörden der Verfolgung Unschuldiger. "Wir sind der festen Überzeugung, dass dieser Cum-Ex-Handel gesetzeskonform war und daher nicht strafbar gewesen sein kann", sagte der Anwalt dieses Beschuldigten schon bei früherer Gelegenheit. Nach vielen vergeblichen Beschwerden ist der Verdächtige jetzt aber so gut wie endgültig gescheitert; beim Bundesverfassungsgericht. Die erste Kammer des zweiten Senats lehnte es ab, sich dieser Sache anzunehmen. Der Kammer gehört auch Andreas Voßkuhle an, der seit 2010 Präsident des Bundesverfassungsgericht ist.

Dem Beschuldigten bleibt eigentlich nur noch eine Chance: sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu wenden. Die Staatsanwälte und Steuerfahnder würde das nicht aufhalten. In diesem, spätestens im nächsten Jahr ist mit ersten Anklagen zu rechnen; Musterprozesse zeichnen sich ab. Die Ermittler wollen Hauptverdächtige ins Gefängnis bringen. Das Strafmaß beträgt bis zu zehn Jahre Haft.

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