Duales Studium:Schneller Nachwuchs

Auch diese praxisorientierte Form der Ausbildung wurde in Baden-Württemberg erfunden. Und nachgeahmt.

Von Jan Schmidbauer und Vivien Timmler

Ein Zufall ist es wohl nicht, dass ausgerechnet Baden-Württemberg das Schulfach Wirtschaft als Pflichtfach einführen wird. Das wirtschaftlich starke Bundesland ist seit jeher Vorreiter, wenn es darum geht, die ansässigen Unternehmen mit gut ausgebildeten Nachwuchskräften zu versorgen. Auch das duale Studium, das sich gerade bei den Wirtschaftswissenschaften als Alternative zum herkömmlichen Hochschulstudium etabliert hat, wurde in Baden-Württemberg erfunden.

Beim dualen Studium besuchen Studenten nicht nur die Vorlesungen an der Hochschule, sondern arbeiten zusätzlich in einem Unternehmen mit. Oft ist auch eine Berufsausbildung, beispielsweise zum Industriekaufmann, integriert. Das Modell ist heute erfolgreicher denn je. Laut einer Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) studierten im vergangenen Jahr deutschlandweit 95 000 Studenten im dualen System, verteilt auf mehr als 1500 Studiengänge.

Die Idee stammt aus den frühen 70er-Jahren. Sie kam allerdings nicht vom Kultusministerium. Die Initiative ergriffen stattdessen Unternehmen aus der Region Stuttgart, die eine zunehmende Akademisierung des Nachwuchses beklagten. Der damalige Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer kritisierte, dass die Ausbildungsberufe zu stark an die Universitäten heranrücken würden. Stattdessen brauche es mehr Inhalte aus der Praxis. "Man kann nicht ständig am Bedarf vorbei produzieren", sagte Schleyer damals.

Die Unternehmen behalfen sich schließlich selbst. Daimler-Benz, Bosch und die Standard Elektronik Lorenz AG gründeten zusammen mit der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie (VWA) in Stuttgart und der IHK Mittlerer Neckar ein neuartiges Hochschulmodell: das duale Studium. Am 1. Oktober 1974 starteten die ersten Dualstudenten an den neu gegründeten Berufsakademien in Stuttgart und Mannheim. Laut Angaben der Hochschule entschieden sich im ersten Jahr 164 Abiturienten für den neuen Ausbildungsweg. Die Einführung des dualen Studiums verfolgte ein klares Ziel: Die Studenten sollen die gleiche Qualifikation erlangen, ihre Ausbildung soll aber nicht so lange dauern wie bei den Universitätsstudenten. Kein Wunder, dass das duale System seinen Ruf als "Schmalspurstudium" nie so richtig losgeworden ist.

Für die Studenten hat das Modell jedoch entscheidende Vorteile. Sie bekommen meist ein festes Ausbildungsgehalt und haben außerdem gute Einstiegschancen in den Beruf, da sie bereits während des Studiums bei einem Unternehmen angestellt sind.

Duale Studiengänge gibt es inzwischen auch im Sozialwesen und im Gesundheitssektor. Der Schwerpunkt liegt jedoch weiterhin woanders. Wer dual studiert, möchte in der Regel Ingenieur oder Betriebswirt werden und kann das meist innerhalb von drei Jahren schaffen. Auch bei den Arbeitgebern ist das duale Studium beliebt. In den Kooperationslisten der Hochschulen finden sich längst nicht nur die Mittelständler aus der Industrie wieder. Bankhäuser und Fluggesellschaften bilden heute ebenfalls duale Studenten aus.

Inzwischen ist das "Schmalspurstudium" auch vom Staat als "richtiges Studium" anerkannt worden. Zumindest erhielt die baden-württembergische Berufsakademie im Jahr 2009 den offiziellen Status einer Hochschule. Seitdem können die dualen Studenten ihren weiterführenden Master auch an einer staatlichen Universität machen - wenn die "Schmalspurstudenten" sich dafür noch Zeit nehmen.

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