Drohung aus Moskau:Teures Überflugverbot

Flugbewegung

Russland hat eine Sperrung seines Luftraums für europäische und amerikanische Fluggesellschaften ins Gespräch gebracht - wieder einmal.

(Foto: dpa)

Im Konflikt mit dem Westen droht Moskau mit einer Sperrung seines Luftraums. Würde die Drohung wahr werden, hätte sie für viele Fluggesellschaften unangenehme Folgen - allerdings auch für Russland selbst.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Russlands Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew ist überzeugt, dass seine Idee durchschlagende Wirkung haben würde: "Wenn westliche Gesellschaften unseren Luftraum umfliegen müssten, könnte dies mehrere angeschlagene Gesellschaften in den Bankrott treiben." Deswegen findet Medwedjew auch: "Diesen Weg sollten wir nicht gehen." Ins Gespräch gebracht hat er eine Sperrung des russischen Luftraums für europäische und amerikanische Fluggesellschaften trotzdem - wieder einmal.

Wie wahrscheinlich ein solcher Schritt tatsächlich ist, lässt sich angesichts etlicher böser Überraschungen, mit denen die russische Außenpolitik zuletzt aufgetreten ist, schwer vorhersagen. Würde Medwedjew mit seiner Drohung ernst machen, dann hätte sie in der Tat für viele Fluggesellschaften unangenehme Folgen, allerdings auch in Russland selbst.

Lange Umwege, die sehr ins Geld gehen

Die kürzesten Strecken zwischen Europa und Zielen im nordöstlichen Teil Asiens wie Peking, Seoul oder Tokio führen über Russland, deswegen haben die Fluggesellschaften ein starkes wirtschaftliches Interesse daran, sie auch künftig nutzen zu können. Auch amerikanische Airlines wären betroffen, denn sie nutzen für Verbindungen von der Ostküste nach Südostasien - etwa New York-Hongkong - polare Routen, die über lange Strecken über Sibirien führen.

Würde Russland im Streit mit dem Westen über den Ukraine-Konflikt den eigenen Luftraum dichtmachen, so müssten Fluglinien wie Lufthansa, Air France, aber auch Air China oder Japan Airlines zumindest lange Umwege fliegen, die sehr ins Geld gehen können. Lufthansa will sich nicht dazu äußern, wie groß die Umwege wären, doch mit einer zusätzlichen Stunde oder mehr müssten Besatzungen und Passagiere womöglich rechnen. Im schlimmsten Fall sind sogar Zwischenlandungen nötig und spätestens dann wären die Flüge wirtschaftlich kaum mehr darstellbar.

Die Lufthansa fliegt derzeit rund 180 Mal pro Woche über sibirischen Luftraum. Besonders problematisch wäre eine Sperrung für die Tochtergesellschaft Lufthansa Cargo, die viele ihrer Asien-Verbindungen über das russische Krasnojarsk führt.

Drohung aus Moskau: SZ-Grafik: Hanna Eiden

SZ-Grafik: Hanna Eiden

Dass Russland damit droht, ausländische Fluggesellschaften nicht durchfliegen zu lassen, ist allerdings keine neue Idee. Schon vor einigen Wochen wurde sie angeblich schon einmal erwogen, dann aber für den Moment wieder verworfen. Bereits vor dem aktuellen Ukraine-Konflikt hat das Land dieses Szenario immer wieder als Druckmittel genutzt. Lufthansa Cargo hat im Laufe der Jahre schon viel Erfahrung mit russischem Druck sammeln müssen.

Hohe Risiken für Russland

Die Fracht-Tochter des Konzerns hatte lange Schwierigkeiten mit den Überflugrechten, bis sie ab 2009 ihre Frachter in Krasnojarsk, und nicht mehr im kasachischen Almaty auftanken ließ. Derzeit finden 34 Lufthansa-Cargo-Flüge pro Woche in Krasnojarsk statt. Die Maschinen fliegen von dort in Richtung Osten, nach Tokio, Peking und Shanghai. Von dort aus fliegen sie in der Regel auch wieder über Russland zurück.

Der Westen könnte mit ähnlichen Sanktionen reagieren

Die russischen Sanktionen würden allerdings auch die eigenen Unternehmen treffen. Rund 200 Millionen Dollar nimmt das Land pro Jahr an Gebühren für die Überflüge ein. Diese landen zum großen Ärger der internationalen und lokalen Konkurrenten, die sich über eine ungerechte Wettbewerbsverzerrung beklagen, nahezu ungefiltert bei der staatlichen Aeroflot. Ohne diese Einnahmen würde Aeroflot rote Zahlen schreiben - und die eigene Fluglinie dürfte Medwedjew kaum gemeint haben, als er von Pleitegefahr sprach. Das würde das Land niemals zulassen.

Ein weiteres Risiko für die russischen Fluggesellschaften besteht darin, dass der Westen mit ähnlichen Sanktionen reagieren könnte. Dies wäre für Aeroflot, S7 Airlines, Transaero und die vielen kleineren Unternehmen äußerst schmerzlich. Denn Westeuropa ist mittlerweile ein beliebtes Urlaubs- oder Geschäftsreiseziel für die russische Mittel- und Oberschicht. Und angesichts der enormen Distanzen gibt es kaum eine Alternative zum Flugzeug.

Auch die VolgaDnepr-Gruppe und ihre Tochter Air Bridge Cargo kann kein Interesse an einer Eskalation haben. Air Bridge Cargo ist mittlerweile ein großer Anbieter von Frachtflügen am Frankfurter Flughafen. Schon die bereits bestehenden Sanktionen machen dem Unternehmen das Leben schwer.

Ernsthaft ins Gespräch gebracht hat die Möglichkeit solcher Gegensanktionen allerdings noch niemand. Und kaum einer in der Luftverkehrsindustrie äußert sich derzeit zu den drohenden Folgen. Die Fluggesellschaften wollen nicht durch lautes Klagen Aufsehen erregen und damit das Thema größer machen als es vielleicht eigentlich ist.

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