Drohende Staatspleite in Argentinien:Mitten im Sturm

Drohende Staatspleite in Argentinien: Muss mit ihrer Regierung versuchen, die Staatspleite abzuwenden: Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner.

Muss mit ihrer Regierung versuchen, die Staatspleite abzuwenden: Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner.

(Foto: AFP)

Die Vergangenheit holt Argentinien ein - dabei hat das Land zuletzt viele Schulden beglichen. Jetzt muss die Regierung von Präsidentin Cristina Kirchner versuchen, die Staatspleite abzuwenden. Ein schwieriges Unterfangen.

Ein Kommentar von Peter Burghardt, Buenos Aires

Die Vergangenheit holt Argentinien ein, dabei hatte sich das Land zuletzt wirklich bemüht. Die Regierung von Cristina Fernández de Kirchner begleicht seine Verpflichtungen beim Pariser Club, zu dem Deutschland gehört. Außerdem entschädigte Buenos Aires den spanischen Konzern Repsol, dessen argentinische Tochter YPF zuvor ebenso wie die Fluglinie Aerolineas Argentinas wieder verstaatlicht worden war.

Sogar das Problem der Inflation (inzwischen mehr als 30 Prozent) gibt die Staatschefin im Rahmen einer realistischeren Statistik ansatzweise zu, und der verfallende Peso wurde abgewertet. Kurz, der Paria der Finanzwelt schien mit relativ orthodoxen Maßnahmen wieder salonfähig zu werden und Zugang zu den Finanzmärkten zu bekommen. Und jetzt das.

Über Monate hing das Unheil aus den USA wie eine schwarze Wolke über der Nation. Dann brach der Sturm los. Der Oberste Gerichtshof in Washington bestätigte ein Urteil des New Yorker Richters Thomas Griesa von 2012, wonach Argentinien mehrere Hedgefonds unverzüglich und vollständig auszuzahlen habe. Die Kläger gehören zu jener Minderheit der Gläubiger, die Argentiniens Umschuldung ablehnen.

2001/2002 hatte sich die Republik für zahlungsunfähig erklärt, es waren ein fulminanter Konkurs und eine soziale Katastrophe. 2005 und 2010 bot der damalige Präsident Néstor Kirchner den Anlegern danach ungefähr ein Drittel ihrer Einlagen an, 93 Prozent stimmten notgedrungen zu. Die restlichen "holdouts" weigern sich und bemühen sich mit teilweise abstrusen Versuchen um ihr Geld. Mal sollte die argentinische Präsidentenmaschine Tango 01 gepfändet werden, mal eine argentinische Dinosaurier-Ausstellung. Das Segelschulschiff Libertad wurde wochenlang am Hafen der ghanaischen Stadt Accra festgehalten, auch dahinter steckten die Eintreiber von NML Capital des Milliardärs Paul Singer aus New York.

Was tun, wenn Argentinien nicht zahlt?

Nun schloss sich der Supreme Court der Ansicht an, dass die unter US-Verwaltung stehenden Bonds von Argentinien sofort beglichen werden müssen. Andernfalls sei auch die Einigung mit der übrigen Mehrheit hinfällig. Konkret geht es bei den Forderungen von NML Capital oder Aurelius zwar um vergleichsweise läppische 1,5 Milliarden Dollar, zahlbar bis Ende Juni. Doch für Argentinien steht die Umstrukturierung der Staatsschuld auf dem Spiel.

Was also tun? Zahlt Argentinien nicht, dann dürften laut dem Schiedsspruch auch die genannten 93 Prozent der Investoren nicht bedient werden, die für ihre Papiere Abschläge von 70 Prozent und längere Laufzeiten in Kauf nahmen.

Zahlt Argentinien, dann wäre das ein Anreiz für jene übrigen "holdouts", ebenfalls zu klagen. Die Rechnung würde sich dann schnell auf mindestens die Hälfte der Devisenreserven von kaum noch 29 Milliarden Dollar summieren. Frau Kirchner hat schon darauf hingewiesen, dass das nicht ginge. Obendrein müsste gemäß einer Klausel auch bei jener Kundschaft nachgebessert werden, die das billigere Angebot annahm, falls andere ein besseres Angebot auf den Tisch bekommen, das wären dann theoretisch mehr als 100 Milliarden Dollar. Schon macht wieder das Gespenst eines Bankrotts die Runde, wobei weniger vom Pleitegeier die Rede ist als von Geierfonds.

Das Kabinett Kirchner ist am Desaster nicht schuldlos

So nennt Argentinien die aggressiven Hedgefonds, fondos buitre. Beistand kommt aus vielen Ecken. Sogar der Währungsfonds IWF ist besorgt über den Beutezug der Spekulanten. Hedgefonds wie NML Capital hatten sich nach dem Zusammenbruch der argentinischen Wirtschaft vor zwölf Jahren spottbillig mit argentinischen Anleihen eingedeckt und von Anfang an vor, den Wert von Juristen nach oben treiben zu lassen. Ginge das Konzept auf, wäre das ein zynisches Geschäft mit astronomischen Gewinnen auf Kosten verarmter Argentinier.

Schuldlos ist das Kabinett von Cristina Fernández natürlich nicht an dem Desaster. Man hat den zunächst beachtlichen Aufschwung verpuffen lassen und die Realität zu lange ignoriert. Es wurde wieder mehr ausgegeben als eingenommen, nicht zuletzt für volkstümliche, aber langfristig unbezahlbare Subventionen. Auch die Korruption wuchert wie gehabt. Doch die gigantische Altschuld ist ein Erbe frivoler Vorgänger wie Carlos Menem, aufgeblasen von Kreditgebern wie dem früheren Lehrmeister IWF. Und die Umstrukturierung der Verbindlichkeiten gelang Néstor Kirchner bei aller Kritik nicht schlecht. Seine Witwe braucht Geld für Schulen und Krankenhäuser statt für fremde Fonds. Bei den Verhandlungen sollte Argentinien unterstützt werden, sonst gehen die Geier bald auf ihr nächstes Ziel nieder.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: