Drohende Insolvenz von Prokon:Windige Versprechen

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Prokon investiert vor allem in Windkraft. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Der grünen Branche droht ein neuer Skandal: Der Öko-Investor Prokon steht vor der Pleite, Zehntausende Kleinanleger bangen um ihr Geld. Der Fall lenkt die Aufmerksamkeit auf den Markt für nachhaltige Geldanlagen. Der boomt seit Jahren, doch das Geschäft mit Ethik und Ökologie ist kaum reguliert und lockt auch fragwürdige Anbieter.

Von Markus Balser, Berlin

Am liebsten läuft Carsten Rodbertus barfuß durch die Chefetage, die weiße Mähne zum Zopf gebunden. Der Chef der Windkraftfirma Prokon aus Itzehoe in Schleswig-Holstein inszeniert sich gerne als bodenständiger Ökoinvestor, als grüner Robin Hood, der es den Banken zeigt. Die Botschaft: Hier kümmern sich keine Finanzhaie um das Geld der Anleger, sondern vertrauenswürdige Querdenker. Wie für die Kinder vorsorgen - und für die eigene Zukunft? Keine Frage: "Mit einem Engagement für Erneuerbare Energien", wirbt Rodbertus im Imagefilm von Prokon.

Damit in Deutschland wirklich jeder die richtige Antwort kennt, warb seine Firma unermüdlich zur besten Sendezeit im Fernsehen oder per Plakat in Bussen und Bahnen - mit großem Erfolg. Denn trotz aller Warnungen von Verbraucherschützern vor hohen Risiken der Anlagen schuf Gründer Rodbertus ein Öko-Imperium. Rund 74.000 Anleger zahlten bislang 1,4 Milliarden Euro ein - der Öko-Energie-Finanzierer Prokon wurde zum mit Abstand größten Anbieter ökologischer Kapitalanlagen in Deutschland. Damit baute das Unternehmen vor allem Windparks und verkaufte den Strom.

Seit dem Wochenende geht unter den Investoren die Angst um. Denn Prokon könnte bald für ein Superlativ der ganz anderen Art stehen: Dem umstrittenen Ökokonzern droht die Pleite. Sollte es nicht gelingen, die Liquiditätslage sehr schnell wieder zu stabilisieren, sei Prokon gezwungen, "eine Planinsolvenz wegen drohender Zahlungsunfähigkeit einzuleiten", warnte das Unternehmen per Rundschreiben an die eigenen Anleger. Die Insolvenz drohe noch im Januar - es sei denn Investoren verzichten vorübergehend auf Geld.

Zehntausende Kleinanleger bangen um ihr Geld

Kommt es zur Pleite, wäre das eine der größten am grauen Kapitalmarkt überhaupt. Mit der schleppenden Energiewende hat der Engpass nichts zu tun. Schuld sollen die Anleger selbst sein, die Prokon offenbar aus Angst den Rücken kehren. Das Unternehmen fordert die Investoren jetzt in einem wohl einmaligen Appell auf, ihr Geld bis mindestens zum 31. Oktober 2014 nicht zurückzufordern, und auch auf die direkte Auszahlung von Zinsen zu verzichten. Eine Insolvenz könne nur verhindert werden, wenn Anleger diesem Vorgehen für mindestens 95 Prozent des Genussrechtskapitals zustimmten oder wenn genügend frisches Geld eingehe. "Das ist kaum zu erfüllen", sagte ein Verbraucherschützer der Süddeutschen Zeitung.

Damit müssen Zehntausende Kleinanleger um ihr Geld bangen. Dabei hatte Prokon sie mit großen Versprechen angelockt. In Zeiten mickriger Zinsen für die Bankeinlagen lockt das Unternehmen mit acht Prozent für Genussrechte - das Vielfache etwa von Zinsen für Festgeld. Genussrechte sind eine spezielle Anlageform des schwach regulierten grauen Kapitalmarkts in Deutschland. Anleger gehen damit ein hohes Risiko ein. Anders als Aktionäre dürfen Genussrechtsinhaber im Konzern nicht mitbestimmen. Laufen die Geschäfte schlecht, kann sich das Unternehmen an den Einlagen der Anleger zum Ausgleich von Verlusten bedienen. Im schlimmsten Fall müssen grüne Sparer nun sogar der Totalverlust fürchten. Eine Einlagensicherung wie bei den Banken gibt es nicht.

Damit droht der grünen Branche ein neuer Skandal. Verbraucherschützer haben seit Jahren Zweifel am Geschäftsmodell von Prokon. Erst im Dezember hatte die Stiftung Warentest nach der Veröffentlichung schwacher Geschäftszahlen vor wachsenden Risiken für Anleger gewarnt. Kritiker warfen Prokon vor, ein System aufgebaut zu haben, das einem Schneeballsystem ähnelt. In dem werden Zinsen und Tilgungen alter Anleger mit dem Zufluss neuer Anleger finanziert. Prokon hat das stets dementiert. In der Konzernzwischenbilanz weist Prokon einen Verlust von 210 Millionen Euro aus. Damit bleibt offen, wie in Zukunft Zinsen gezahlt werden sollen. Fragen der Süddeutschen Zeitung ließ das Unternehmen unbeantwortet.

Fragwürdige Anbieter

Der Fall Prokon könnte in dieser Woche auch die Politik erreichen. Angesichts von rund 1300 Arbeitsplätzen, die auf dem Spiel stehen - davon allein 500 am Konzernsitz in Itzehoe -, will sich das schleswig-holsteinische Arbeitsministerium Anfang der Woche in Gesprächen mit dem Unternehmen über die Lage informieren. "Es geht darum, möglicherweise behilflich zu sein, eine Planinsolvenz zu verhindern", sagte ein Ministeriumssprecher.

Die Aktionärsschützer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) kritisieren dagegen das Vorgehen der Prokon-Manager heftig. Auf die betroffenen Anleger wirkten die aktuellen Verlautbarungen wie eine klassische Erpressung, sagt DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler. Er forderte Prokon-Chef Carsten Rodbertus dazu auf, anstelle mit Drohungen zu arbeiten endlich für Transparenz bei den Zahlen und dem Geschäftsmodell zu sorgen. Bis heute lägen keine von einem Wirtschaftsprüfer testierten Zahlenwerke für den Konzern vor.

Der Fall Prokon wirft damit auch ein Schlaglicht auf den Markt für nachhaltige Geldanlagen. Der boomt seit Jahren, doch das Geschäft mit Ethik und Ökologie ist in manchen Segmenten kaum reguliert und lockt auch fragwürdige Anbieter. Vor zwei Jahren war in einem Strudel von Skandalen bereits der Solarkraftwerkeplaner Solar Millennium untergegangen. 30.000 Anleger, Aktionäre und Anleihegläubiger verloren schätzungsweise gut 200 Millionen Euro. Im Herbst sorgte die Insolvenz der schwäbischen Windfirma Windreich für Wirbel. Windreich hat über zwei Anleihen 125 Millionen Euro bei Anlegern eingesammelt. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt wegen des Verdachts auf Insolvenzverschleppung und des Kapitalanlagebetrugs.

© SZ vom 13.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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