Drohende Immobilienblase:"Immer mehr Leute mit immer weniger Eigenkapital"

Immobilienblase sz grafik

Mietpreisentwicklung in Deutschland: Die Kaufpreise laufen den Mieten davon.

(Foto: SZ Grafik)

Droht auf dem deutschen Häusermarkt eine Preisblase wie in den USA oder Spanien? Experten befürchten, dass der Markt überhitzen könnte. Einige regionale Blasen gebe es bereits.

Von Harald Freiberger

Steffen Sebastian, Professor für Immobilienfinanzierung an der Universität Regensburg, war einer der ersten, der das ominöse Wort in den Mund nahm: Schon vor mehr als zwei Jahren warnte er, Deutschland könne sich am Anfang einer "Immobilienblase" befinden. Inzwischen sieht er sich darin bestätigt, gerade nach der Entscheidung der Europäischen Zentralbank von letzter Woche, die Zinsen erneut zu senken - von 0,25 auf 0,15 Prozent. "Nun werden sich noch mehr Privatleute in Deutschland überlegen, sich eine Immobilie anzuschaffen, anstatt das Geld anderweitig anzulegen", sagt Sebastian. "Auch professionelle Anleger nutzen die Gelegenheit der niedrigen Zinsen - mit der Gefahr, dass sich die Blase weiter aufbaut."

Immobilienblase - das Wort verbreitet Schrecken, weil man aus der jüngeren Vergangenheit weiß, was passiert, wenn eine Blase platzt: Als nach 2007 in den USA, Irland und Spanien die überhitzten Hauspreise einbrachen, führte dies zur weltweiten Finanzkrise. In Deutschland dagegen sanken die Hauspreise bis 2010 tendenziell eher. In den letzten drei, vier Jahren änderte sich dies jedoch: Aus Angst vor einer möglichen Inflation oder gar einer Währungsreform setzten viele Anleger auf Immobilien, zumal andere Anlagen, etwa Staatsanleihen oder Tagesgeld, immer weniger einbrachten. Die Folge war, dass auch in Deutschland die Immobilienpreise stark anzogen.

Preise um bis zu 25 Prozent überhöht

Vielen ist das nicht geheuer. Im Februar dieses Jahres sorgte die Bundesbank für Aufsehen, als sie in einem Monatsbericht vor überhitzten Immobilienmärkten warnte, gerade in Metropolen wie München, Hamburg oder Frankfurt. Die Preise dort seien um bis zu 25 Prozent überhöht. Als die Aufregung zu groß zu werden drohte, versuchte die Bundesbank das Thema wieder einzufangen: Von einer Immobilienblase könne jedenfalls keine Rede sein.

Eine Auswertung des Finanzportals Immobilienscout24.de zeigt, dass es keine flächendeckende Immobilienblase gibt, aber eine Reihe kleinerer und mittlerer regionaler Blasen. Dies betrifft nicht nur die Großstädte, sondern auch eine Reihe boomender Mittelstädte wie Regensburg, Freiburg oder Ingolstadt (siehe Grafik). Der Maßstab für die Überhitzung ist dabei der Unterschied zwischen der Steigerung der Kaufpreise und der Mieten von 2007 bis 2010. Denn je mehr der Kaufpreis der Miete davonläuft, umso niedriger ist auch die Rendite, die sich mit dem Objekt erzielen lässt. Ab einer Differenz von 20 Prozentpunkten sprechen die Experten von Überhitzung. Demnach sind die Preise bereits in neun deutschen Städten überteuert.

Wichtige Unterschiede zu USA und Spanien

Die Studie besagt allerdings nicht, dass in Deutschland bereits spanische oder amerikanische Verhältnisse drohen. Die Situation in diesen Ländern war deshalb so bedrohlich, weil die Preise zum einen gewaltig gestiegen waren, zum anderen das Angebot größer war als die Nachfrage und schließlich die Banken die Immobilien oft windig finanziert hatten. Als die Zinsen stiegen, konnten viele Besitzer Zins und Tilgung nicht mehr leisten, was wiederum viele Banken in Not brachte.

"Von einer flächendeckenden Blasenentwicklung kann derzeit in Deutschland nicht die Rede sein", sagt Frank M. Mühlbauer, Chef des Immobilienfinanzierers WL Bank, der zum genossenschaftlichen Finanzverbunds gehört. Es gebe eine Reihe wichtiger Unterschiede zu Ländern wie den USA oder Spanien. So seien die höheren Preise durch die Nachfrage getrieben, nicht durch das Angebot; noch immer steige der Bedarf an Wohnraum in Deutschland, vor allem, weil zwar die durchschnittliche Größe der Haushalte ab-, ihre Anzahl jedoch zunimmt.

Ein anderer Unterschied: Banken und Immobilienfinanzierer vergeben ihre Kredite moderater und sie verlangen hohe Sicherheiten. Verhältnisse wie in den USA, wo selbst Kunden ohne Einkommen Kredit bekamen, sind hierzulande undenkbar. Außerdem finanzieren zahlreiche Anleger in Deutschland ihre Immobilie fast ohne Kredit: Sie verkaufen Staatsanleihen oder Produkte, die ihnen zu wenig Zinsen einbringen und erwerben mit dem Geld ein Haus oder eine Wohnung. Auch aus diesem Grund kommt die Bundesbank zu dem Schluss, dass die Entwicklung der Immobilienpreise in Deutschland nicht das gesamte Finanzsystem in Gefahr bringen kann. Selbst wenn die Preise einbrechen würden, hätte dies mit großer Wahrscheinlichkeit keine Bankenkrise zur Folge.

"Preise, die vor zwei Jahren noch undenkbar waren"

Für einzelne Anleger kann die Entwicklung aber durchaus problematisch sein. "Es werden inzwischen Preise gezahlt, die vor zwei Jahren noch undenkbar waren", sagt Professor Sebastian. Professionelle Investoren kauften B-Lagen jetzt zum Preis, der bisher für A-Lagen üblich war und meinten, damit ein gutes Geschäft gemacht zu haben. Sie wollten später wieder verkaufen, aber niemand habe die Garantie, dass die Preise weiter stiegen.

Für Privatleute ist die größte Gefahr, dass sie sich übernehmen. "Ich beobachte, dass immer mehr Leute mit immer weniger Eigenkapital immer mehr Immobilie kaufen wollen", sagt der Experte. Damit gingen sie ein großes Klumpenrisiko ein. Wer 50 000 Euro habe und sich 200 000 Euro von der Bank leihe, um eine einzige Immobilie zu kaufen, setze alles auf eine Karte. 30 Prozent Eigenkapital seien das Minimum. Kreditnehmer sollten die niedrigen Zinsen lange festschreiben, möglichst 15 Jahre, und auf eine hohe Tilgung zu achten, mindestens zwei, besser drei Prozent im Jahr. Sebastian: "Grundsätzlich sollten Anleger ihr Geld streuen - auch das Geld, das sie in Sachwerte stecken wollen." In Frage kämen offene Immobilienfonds, Aktien, Rohstoffe, Tagesgeld oder Staatsanleihen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: