Drogeriekette in der Kritik:Politiker gegen Schlecker

Arbeitsmarktexperten wollen den Missbrauch der Zeitarbeit per Gesetz stoppen. Anlass ist die Personalpolitik von Schlecker. Die Drogeriekette soll Frauen systematisch in die Leiharbeit gedrängt haben.

Thomas Öchsner

Führende Arbeitsmarktpolitiker von Union und FDP wollen den Missbrauch der Zeitarbeit per Gesetz stoppen. Anlass ist das Geschäftsgebaren der Firma Schlecker. Europas größter Drogeriekette wird vorgeworfen, Frauen in den Filialen systematisch in die Leiharbeit zu drängen und so die Löhne zu drücken.

Schlecker, ddp
(Foto: Foto: ddp)

Gegen Schlecker hat sich eine ungewöhnliche Koalition gebildet: Gewerkschaften, Bürgermeister und Vertreter aller Bundestagsparteien sind über das Verhalten des Unternehmens mit mehr als 30.000 Mitarbeitern in Deutschland empört.

Neue Geschäftsstrategie sorgt für Aufregung

Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Karl Josef Laumann (CDU) wirft Schlecker systematische Tarifflucht vor, "die das soziale Gefüge in Schieflage bringt". Zeitarbeit sei dazu da, betriebliche Auftragsspitzen abzufangen oder im Falle von Urlaub und Krankheit Vertretungen bereitzustellen. Sie dürfe aber nicht dazu missbraucht werden, "um mit ihrer Hilfe Stammbelegschaften zu ersetzen", heißt es in einem Brief Laumanns an Schlecker-Mitarbeiter.

Der Grund für die Aufregung ist die neue Geschäftsstrategie des Unternehmens: Der Konzern macht alte AS-Filialen dicht und eröffnet neue großzügigere XL-Märkte, um so Marktanteile zurückzugewinnen. Die Mitarbeiterinnen in den neuen Filialen verdienen nach Angaben der Gewerkschaft Verdi aber nur noch halb so viel wie diejenigen in den AS-Märkten, weil sie als Leiharbeitskräfte beschäftigt sind.

Als Partner der Drogeriekette fungiert dabei die Firma Meniar ("Menschen in Arbeit") in Zwickau, deren Geschäftsführer ein langjähriger Personalmanager von Schlecker ist. Meniar verleiht die Mitarbeiterinnen an Schlecker, zahlt dabei aber nur noch Stundenlöhne von 6,50 bis 7 Euro. Außerdem gibt es weniger Urlaubstage und kein Weihnachts- und Urlaubsgeld. Meniar hat laut Verdi bereits mehr als 4000 Leiharbeiter an Schlecker vermittelt.

Der FDP-Arbeitsmarktexperte Heinrich Kolb kündigte nun an, dass die Koalition gegen den Missbrauch der Zeitarbeit vorgehen wolle. "So, wie das bei Schlecker läuft, darf das nicht sein", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Darin sei er sich mit dem Arbeitsmarktexperten der Unions-Fraktion Karl Schiewerling (CDU) einig. Schiewerling will noch im Januar mit Arbeitsministerin Ursula von der Leyen über das Thema sprechen.

Der CSU-Abgeordnete Josef Göppel ruft ebenfalls zu einer Initiative gegen die Drogeriemarktkette auf. Göppel spricht von "Dumping-Löhnen" und betont, dass der Staat den niedrigen Verdienst in den neuen XL-Schlecker-Filialen mit Hartz IV aufstocken müsse. Er hält es aber für einen Missbrauch von staatlichen Lohnzuschüssen, wenn die Steuerzahler einen erheblichen Teil der Kosten für den Umbau eines Unternehmens mittragen.

Wenn das Modell Schlecker Schule mache, "droht eine Abwärtsspirale bei den ohnehin niedrigen Löhnen im Handelssektor auf Kosten der Allgemeinheit", schrieb Göppel an von der Leyen. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigte sich in einem Brief an den Firmenchef Anton Schlecker besorgt.

Die frühere rot-grüne Regierung hatte das Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz liberalisiert, um Unternehmen den Einsatz von Zeitarbeitern zu erleichtern und für Menschen mit geringen Qualifikationen Jobs zu schaffen. Die schwarz-gelbe Koalition müsste nun dieses Gesetz überarbeiten, um Praktiken wie bei Schlecker zu verhindern.

Auch andere Unternehmen missbrauchen das Gesetz

Der FDP-Arbeitsmarktexperte Kolb sagte, neben Schlecker gebe es auch andere Unternehmen, die das Gesetz missbrauchen. Er räumte aber ein, dass es juristisch keine leichte Aufgabe sei, dies in Zukunft zu verhindern. "Wir wollen den Missbrauch ausschließen, ohne die Zeitarbeit generell zu erschweren." Denn die habe sich als Instrument am Arbeitsmarkt bewährt.

Grüne und Linke hatten die Drogeriekette bereits zuvor heftig kritisiert. Im fränkischen Heroldsberg, in dem Schlecker eine bestehende Filiale schloss und 300 Meter weiter einen neuen Markt mit geringer bezahlten Arbeitskräften eröffnete, bezeichnete Bürgermeister Johannes Schalwig das Vorgehen des Unternehmens als "nicht gerade menschlich". Er legte den Rathausmitarbeitern nahe, bei Einkäufen für die Gemeinde das neue Schlecker-Geschäft nicht zu nutzen.

Auch die Zeitarbeitsbranche rückt von Schlecker ab. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Zeitarbeit (BZA), Ludger Hinsen, erklärte, das Geschäftsgebaren der Firma "entspricht nicht dem ursprünglichen Sinn der Zeitarbeit und schadet unserem Image".

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