Dosenpfand ohne Wirkung:Jede zweite Flasche wird Müll

Die Mehrwegquote ist so gering wie nie. Nun fordert die Umwelthilfe eine Abgabe auf Wegwerfbehälter.

M. Bauchmüller und S. Lankhorst

Die Mehrwegflasche ist auf dem Rückzug. Nach Berechnungen der Genossenschaft Deutscher Brunnen (GDB) war 2008 nicht einmal jede zweite Flasche wiederbefüllbar. Besonders stark ist der Rückgang bei Mineralwasser. Dort ist nur noch jede dritte Flasche eine Mehrwegflasche.

Dosenpfand ohne Wirkung: "Keine Trendwende": Mehrwegflaschen werden immer unbeliebter - die Deutschen greifen zur Einwegflasche.

"Keine Trendwende": Mehrwegflaschen werden immer unbeliebter - die Deutschen greifen zur Einwegflasche.

(Foto: Foto: ddp)

Die Genossenschaft, hinter der vor allem Mineralwasser-Firmen stehen, hatte dazu die offiziellen Zahlen von 2006 um neuere Werte der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung ergänzt. Die Hochrechnung kommt auf einen Mehrweganteil von 48,2 Prozent. Auch Experten der Wiesbadener Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM), die im Auftrag des Bundes jährlich den Anteil der Mehrwegflaschen erhebt, bezeichnen einen solchen Wert als plausibel. "Nichts deutet darauf hin, dass es eine Trendwende gibt", heißt es bei der GVM. Genauere Zahlen will die Gesellschaft erst Ende des Monats vorlegen.

Damit entfernt sich die so genannte Mehrwegquote weiter von dem gesetzlich vorgeschriebenen Wert. In der Verpackungsverordnung hatte der Bund schon 1998 als Zielmarke einen Anteil von 80 Prozent festgelegt. Dieser Wert umfasste auch die Verpackungen, die als ökologisch unbedenklich gelten. Da die Mehrwegquote in der Folge weiter absank, führte die rot-grüne Bundesregierung 2003 ein Pfand auf Einweg-Verpackungen ein, das "Dosenpfand". Damals hatte die Mehrwegquote noch bei knapp 64 Prozent gelegen.

Discounter mischen mit

Vor allem der Verkauf von Mineralwasser in Mehrwegflaschen ist seither regelrecht eingebrochen. Lag sein Anteil 2003 noch bei 73 Prozent, kommt die Brunnen-Genossenschaft GDB nun nur noch auf gut 34 Prozent. "Wir sind meilenweit von der Mehrwegquote entfernt", klagt Andreas Rottke, Vorstand der Brunnen-Genossenschaft. "Wenn das Bier nicht wäre, wäre die Quote noch wesentlich schlechter." Beim Absatz von Bier hatte sich in den vergangenen Jahren die Pfandflasche behaupten können, der Anteil liegt nach den GDB-Berechnungen immer noch bei 83,5 Prozent.

Dagegen haben bei den alkoholfreien Getränken mittlerweile Kunststoffflaschen deutlich Marktanteile gewinnen können. Verbraucher müssen sie zwar ebenfalls zurückbringen, die Flaschen werden aber in den Märkten zerstört. Vor allem Discounter sind inzwischen groß in das Wassergeschäft eingestiegen - zum Leidwesen der klassischen Mineralbrunnen. "Wir fordern eine Lenkungsabgabe, die die Benachteiligung unserer Systeme auffängt." Eine solche Abgabe würde die Einweg-Flaschen künstlich verteuern. Ähnliches fordert die Deutsche Umwelthilfe, sie nennt es Klimaabgabe. "Das Pfand alleine wird es nicht richten", sagt Umwelthilfe-Geschäftsführer Jürgen Resch. "Die Discounter werden sonst mit Billig-Angeboten den Markt aufrollen."

Profitieren vom Pfandschlupf

Schon heute kostet die 1,5 Liter Einweg-Flasche Mineralwasser bei einigen Discount-Märkten nur noch 19 Cent. "Kleinere Getränkemärkte können da nicht mithalten", sagt Sandra Murphy vom Verband Deutscher Mineralbrunnen VDM in Bonn. Über den so genannten Pfandschlupf profitieren die Discounter zusätzlich von Einweg-Getränkeverpackungen: "Discounter machen Gewinn mit nicht zurück gebrachten Flaschen." 25 Cent Pfand pro nicht zurückgebrachter Flasche verbleiben so in den Kassen von Aldi, Penny und Co.

Auch für das Absatzplus der Deutschen Mineralbrunnen von 2,2 Prozent im vergangenen Jahr waren vor allem die Discount-Ketten verantwortlich - profitiert haben deshalb nur wenige große Mineralbrunnen. Die meisten regionalen und mittelständischen Mineralwasserabfüller machten Verluste. So setzen nach Angaben von Brancheninsidern einige Mineralwasser-Firmen verstärkt auf Einwegflaschen, um dem Verdrängungswettbewerb standhalten zu können. Einige regionale Firmen hingegen investieren jetzt erst recht in die Mehrwegflasche, um sich gezielt von den Discountern abzuheben und mit besserem Geschmack aus der Glas- oder PET-Flasche zu werben.

Auch das Bundesumweltministerium denkt darüber nach, wie sich der Verfall der Mehrwegquote stoppen lässt. "Unser Ziel muss sein, den Anteil zu stabilisieren", sagte ein Ministeriumssprecher in Berlin. Entsprechende Instrumente würden derzeit geprüft. Eine Abgabe allerdings stehe "derzeit nicht zur Debatte". Zum 1. Januar 2010 muss die Bundesregierung einen Bericht zum Erfolg des Dosenpfands vorlegen.

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