Dorint:Eine Nacht mit vier Sternen

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Wütende Anleger, leere Betten: Dem Unternehmen drohte in der Finanzkrise die Pleite. Nun wächst eine der ältesten deutschen Hotelketten wieder.

Von Benedikt Müller, Köln

Schon im 19. Jahrhundert war der Herrenkrugpark die Sommerfrische der Magdeburger: nördlich der Stadt, nahe der Elbe, mit Obstgärten und Schankwirtschaft. Im Park steht bis heute ein Hotel aus rotem Backsteinfachwerk mit Schönheitsfarm und Biergarten. Die Hotelkette Dorint hat den "Herrenkrug" in diesem Jahr gepachtet, mindestens für die nächsten 20 Jahre. Das Unternehmen hofft auf Wochenendtouristen - vor allem aber auf Konferenzen und Veranstaltungen.

Dorint ist eine der bekanntesten und ältesten Hotelketten in Deutschland, die freilich wechselvolle Jahre hinter sich hat. Nach der Wiedervereinigung hat sich das Kölner Unternehmen verkalkuliert, in der Finanzkrise verloren Anleger Geld mit Dorint-Immobilien. Doch nun zeugen neue Häuser in Magdeburg, Chemnitz oder Düren davon, dass die Kette wieder wächst.

Vorläufigen Zahlen zufolge haben die 46 Hotels der Marke ihren Umsatz im vergangenen Jahr um 1,4 Prozent gesteigert. "Insgesamt wurden im vergangenen Jahr knapp 280 Millionen Euro Umsatz unter der Marke Dorint erwirtschaftet", sagt Dirk Iserlohe, Chef des Mutterkonzerns Honestis. Die endgültigen Jahreszahlen will Dorint am Mittwoch vorlegen.

Iserlohe, 53, arbeitet seit zwei Jahrzehnten für die Hotelkette. Seit Ende 2016 führt der frühere Banker die Finanzholding Honestis, deren wichtigste Tochter Dorint ist. Honestis gehört mittlerweile 15 großen Aktionären, die 126 Millionen Euro investiert haben. Die Holding strebt nun jedes Jahr eine Rendite von fünf Prozent an. Zwar profitiert die Hotelbranche derzeit von der guten Wirtschaftslage; zudem legen Investoren im Zinstief mehr Geld in Hotelimmobilien an. Dennoch bleibt die Hotellerie abhängig von den Reisebudgets der Unternehmen und Privatleute sowie regional von Messen und Großveranstaltungen. Obendrein haben Vergleichsportale und Buchungsplattformen wie Booking.com den Preiswettbewerb verschärft. Stark gewachsen sind in den vergangenen Jahren Ketten wie B&B oder Motel One, die sparsame Reisende ansprechen. Dorint setzt hingegen auf Vier-Sterne-Häuser mit dem ganzen Drumherum eines Kongresshotels: Tagungsräume, Bar, Wellnessbereich. Im Schnitt zahlt ein Gast 106 Euro netto pro Nacht.

Die wechselvolle Geschichte von Dorint beginnt im Jahr 1959 mit einem ersten Kongresshotel in Mönchengladbach, dem schnell weitere folgen. Nach der Wiedervereinigung investiert Dorint viel Geld in den neuen Bundesländern, wächst auf 100 Hotels heran. Doch verfehlen die neuen Standorte die Erwartungen. Danach setzen die Terroranschläge vom 11. September 2001 der ganzen Branche zu. Nachdem der französische Hotelkonzern Accor im Jahr 2007 seine Beteiligung an Dorint abgibt, bleibt die Kette mit nur mehr 40 Hotels beim Alteigentümer Ebertz und Partner. Als Manager Iserlohe die alte Holding im Jahr 2008 übernimmt, braut sich gerade die Finanzkrise zusammen, unter der auch die Hotelkonjunktur leiden sollte. Iserlohe erbt damals eine komplizierte Struktur, die ihm viel Ärger einbringen sollte. Denn auch zur heutigen Holding Honestis gehört eine Tochterfirma namens Honasset, die geschlossene Immobilienfonds verwaltet. Anleger haben etwa 1,5 Milliarden Euro in diese Fonds investiert, ihnen gehören unter anderem Seniorenresidenzen, Kaufhäuser oder eben Dorint-Hotels.

Dieses Konstrukt sollte Iserlohe gar Strafanzeigen wütender Anleger einbringen: Denn in den Krisenjahren erklären sich die Fondsmanager bereit, der schwächelnden Dorint Pachtzahlungen zu stunden. So saniert sich die Hotelkette - auf Kosten der Fondsanleger.

"Seit Ende 2016 gibt es keinen einzigen Pachtrückstand mehr."

Zwar glaubt Iserlohe, dass sich dieser Interessenskonflikt zwischen Hotel- und Fondstochter in den existenzbedrohenden Jahren ausgezahlt habe: "Gemeinsam sind wir besser durch die Krise gekommen." Doch habe er mittlerweile derlei Konflikte minimiert. So haben Honestis und Dorint einen Entherrschungsvertrag geschlossen. "Dorint soll sich unter dem Dach der Honestis AG autark entwickeln können", sagt Iserlohe. Der Holding-Chef sitzt zwar im Aufsichtsrat der Hotelkette, könne dort aber auch überstimmt werden. Zudem laufen die Geschäfte besser: "Seit Ende 2016 gibt es keinen einzigen Pachtrückstand mehr", sagt Iserlohe. "Seitdem ist auch unterjährig jede Pacht bezahlt worden."

Gleichwohl entstehen neue Verflechtungen zwischen Iserlohes Immobilien- und Hotelgeschäften. Beispielsweise hat eine Tochterfirma von Honestis die Immobilie Herrenkrug in Magdeburg zu 82 Prozent übernommen; gleichzeitig wurde Dorint dort Pächterin. Die Pacht bleibt mithin zu einem Gutteil im Honestis-Konzern.

In Zwickau hat Iserlohes Holding im Frühjahr ein ehemaliges Gymnasium gekauft. Honestis will den denkmalgeschützten Altbau nun zum Hotel umbauen, das im Jahr 2020 öffnen soll. Als Pächterin ist - natürlich - Dorint vorgesehen.

Iserlohe hofft, dass seine Hotelkette auch im laufenden Jahr wachsen wird. Bis Ende nächsten Jahres, wenn Dorint 60. Geburtstag feiert, wünscht sich der Unternehmer 60 Hotels unter der Marke: "Das ist unser Zwischenziel." Mittelfristig hält Iserlohe 88 Hotels für möglich. "Wir wollen aber nicht um jeden Preis wachsen, sondern stets kontrolliert und nachhaltig."

Neue Standorte könne die Kette daher vor allem als Franchisegeberin eröffnen. So firmiert etwa das Hotel am Dom in Erfurt seit Herbst 2016 unter der Marke Dorint. Jedoch besitzt und betreibt eine Unternehmensgruppe aus Berlin die Immobilie. Sie zahlt eine Franchisegebühr dafür, dass sie die Marke Dorint nutzen darf. Derlei Zahlungen bewegen sich in der Branche üblicherweise im einstelligen Prozentbereich des Umsatzes; die genaue Höhe ist aber Gegenstand geheimer Verhandlungen.

Die Landkarte von Dorint hat immer noch einige weiße Flecken. Während die Kette zwei Hotels in Frankfurt und gleich drei Standorte in Köln betreibt, ist Dorint bislang weder in München noch Leipzig vertreten.

© SZ vom 25.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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