Dominique Strauss-Kahn in China:Lebenszeichen aus Fernost

Dominique Strauss-Kahn hält nach monatelanger Abstinenz in Peking eine öffentliche Rede. Als ehemaliger Direktor des Internationalen Währungsfonds gibt er nun den Wirtschaftsweisen - und greift EU-Politiker scharf an.

Stefan Ulrich

Von einer Renaissance zu sprechen, wäre verfrüht, aber ein kräftiges Lebenszeichen hat Dominique Strauss-Kahn doch gegeben. Der frühere Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) zeichnete auf einer Wirtschaftskonferenz in Peking ein düsteres Bild Europas und kritisierte die EU-Politiker scharf.

Former IMF chief Dominique Strauss-Kahn delivers a speech during an economic forum in Beijing

Nach sieben Monaten: Die erste öffentliche Rede von Dominique Strauss-Kahn in Peking.

(Foto: REUTERS)

Europa habe weniger eine Schulden- als eine Wachstums- und Führungskrise, sagte der 62-jährige Franzose bei seiner ersten öffentlichen Rede seit sieben Monaten. Dem Kontinent drohten sieben magere Jahre, in denen die Wirtschaft kaum wachse. Die bisher gegen die Krise ergriffenen Maßnahmen seien ungenügend. Zudem habe er den Eindruck, dass sich der französische Präsident Nicolas Sarkozy und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel nicht gut verstünden.

Strauss-Kahn war im Mai in New York unter dem Verdacht festgenommen worden, eine Hotelangestellte vergewaltigt zu haben. Er trat als IWF-Chef zurück und verzichtete darauf, für die Sozialisten bei der französischen Präsidentenwahl anzutreten. Die US-Justiz stellte das Verfahren gegen ihn schließlich ein. Strauss-Kahn kehrte nach Frankreich zurück, wo er nun in eine Zuhälterei-Affäre verwickelt ist. Über seine Zukunftspläne wird in Paris gerätselt.

In Peking griff der brillante Ökonom bei einer Tagung des Internet-Unternehmens Netease erstmals seit seinem tiefen Fall wieder ausführlich in die Debatte ein. Nachdem er zuletzt gebeugt und mit weißgrauem Vollbart in Paris zu sehen war, trat er nun frisch rasiert, im dunklem Anzug und rosafarbener Krawatte in der Rolle des Weltwirtschaftsweisen auf. Dabei war es kein Zufall, dass er sich Peking für seine Rückkehr aussuchte. Er ist in China nach wie vor beliebt, da er dem Land mehr Einfluss im IWF verschafft hatte. Zudem musste Strauss-Kahn dort nicht mit vielen kritischen Fragen rechnen. Auf Fragen nach den diversen Affären antwortete er: "Kein Kommentar."

Kritik über Kritik

Umso auskunftsfreudiger war DSK, wie er genannt wird, in Sachen Euro-Krise. Er warf den europäischen Politikern vor, den Ernst der Lage immer noch zu leugnen. Die Euro-Zone verglich er mit einem "untergehenden Floß". Wenn Europa nicht vorankomme, dann liege das wohl auch am mangelnden Verständnis zwischen Sarkozy und Merkel, bemängelte er. Sie seien zu sehr aufs Sparen fixiert und vernachlässigten das Wirtschaftswachstum. Der kürzlich in Brüssel vereinbarte Stabilitätspakt sei eine schlechte Nachricht für die europäische Bevölkerung. Zudem komme der Euro-Rettungsschirm (ESM) viel zu spät.

Strauss-Kahn bedauerte, dass es für die Euro-Zone noch keine Fiskalunion gebe. Während die Politiker von Krisengipfel zu Krisengipfel hasteten, breche das Vertrauen der Investoren zusammen. Die strenge Sparpolitik vergrößere die Probleme, weil sie die Nachfrage schwäche und es den Staaten so schwerer mache, ihre Schulden zurückzuzahlen.

Die Ratschläge kommen schlecht an

Für die Zukunft verlangte der französische Sozialist eine engere EU-Integration und ein gemeinsames Budget. "Die Europäische Union muss eine echte Union werden. Das ist der einzige Weg, um aus der Krise zu kommen." China forderte er auf, den Europäern direkt oder über den IWF zu helfen. Dies sei angesichts der Globalisierung im eigenen Interesse Pekings, das enge Handelsbeziehungen mit Europa pflege.

In Frankreich kommen die Ratschläge Strauss-Kahns schlecht an. Ein Sprecher der Sozialisten sagte, DSK sei kein Akteur der nationalen Politik mehr. "Man sollte ihn in Ruhe lassen." Valérie Pécresse, die Sprecherin der konservativen Regierung, sagte, die Ermahnungen Strauss-Kahns seien unwillkommen. Sie trügen nicht dazu bei, Vertrauen zu schaffen und zeigten "die Verbitterung von jemandem, der vom Akteur zum Kommentator geworden ist".

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