DIW-Studie zu Alleinunternehmern:Unfreiwillig selbständig

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Endlich sein eigener Chef sein und mit eigenen Ideen groß rauskommen - doch der Traum von der Selbstständigkeit sieht in der Realität oft anders aus. Mehr als die Hälfte der frei Arbeitenden ist mittlerweile solo selbstständig. Sie schaffen keine Arbeitsplätze, viele kommen selbst kaum über die Runden. Der Arbeitsmarkt zwingt sie in die wenig erfüllende Freiheit.

So hatten sich das manche junge Existenzgründer nicht vorgestellt: Kaum waren sie ihr eigener Chef, gerieten sie auch schon in die nächste Abgängigkeit - in die des örtlichen Jobcenters. Weil ihre Geschäftsidee nicht genug abwarf, haben im September 2012 mehr als 125.000 Selbstständige - ob Imbissbesitzer oder Gebrauchtwagenhändler, Grafiker oder freie Journalisten - Hartz IV bezogen. "Aufstockende Selbstständige" nennt die Bundesagentur für Arbeit das Phänomen. BA-Vorstandschef Frank-Jürgen Weise sieht darin inzwischen eine "Fehlentwicklung", die er lieber heute als morgen abstellen möchte.

Den Trend weg vom Angestellten hin zum Alleinunternehmer belegen neue Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW): Zwischen 2000 und 2011 stieg die Zahl der Ein-Personen-Unternehmen um etwa 40 Prozent auf 2,6 Millionen. Damit haben 57 Prozent aller Selbstständigen keine Mitarbeiter.

Die Zeiten, in denen Selbstständigkeit für hohes Einkommen und eine gesicherte Zukunft stand, scheinen vorbei. Diesen Eindruck vermitteln jüngere Studien über die Lage der Solo-Selbstständigen in Deutschland wie die neueste Untersuchung des DIW.

Nach Erkenntnissen des DIW-Volkswirts Karl Brenke haben die Umwälzungen am Arbeitsmarkt auch die Existenzgründer erreicht. Inzwischen steht hinter einer Existenzgründung eher selten eine pfiffige Geschäftsidee, mit der der frischgebackene Chef den Markt aufmischt und dabei ordentlich Kasse macht. Immer mehr Bundesbürger entschieden sich eher aus der Not heraus für ein Leben als Freiberufler.

Das liege auch daran, dass immer mehr Betriebe Aufgaben auslagerten und sie von Freiberuflern erledigen ließen, sagt Brenke. "Das ist keine Modernisierung, sondern eine Segmentierung des Arbeitsmarktes, die nicht nur positive Züge hat", schlussfolgert der Wissenschaftler. Abzulesen ist das etwa von den Einkommen von Freiberuflern.

Der Durchschnittsverdienst eines Solo-Selbstständigen in Deutschland liegt etwa bei 13 Euro die Stunde; allerdings gebe es krasse Einkommensunterschiede, berichtet Brenke. Einige Solo-Selbstständige brächten es auf deutlich höhere Einkommen als die Mehrzahl der Erwerbstätigen. Ein Drittel von ihnen aber müsse sich mit einem Einkommen im Niedriglohnbereich zufrieden geben.

Jeder Achte kann seine Existenz nicht selber sichern

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sieht die Lage der Alleinunternehmer nicht ganz so dramatisch. Das IAB hält die von Freiberuflern erzielten Einkommen durchaus für "existenzsichernd". Unter die monatliche Armutsgrenze von 925 Euro fielen lediglich 12,5 Prozent der Solo-Selbstständigen, heißt es in einer Studie von Ende vergangenen Jahres.

Einig sind sich die Fachleute in einem Punkt: Vor allem Solo-Selbstständigen fehlt das Geld, um für das Alter vorzusorgen. Mehr als 14 Prozent haben keine Altersversorgung, die meisten nur eine unzureichende.

Aber auch andere Mythen der Freiberuflichkeit sind nach Erkenntnissen von Volkswirten und Arbeitsmarktforschern in den vergangenen zehn Jahren ins Wanken geraten. So schafft kaum noch ein Existenzgründer zusätzliche Arbeitsplätze. Seit dem Jahr 2000 waren Existenzgründer fast ausschließlich Solo-Selbstständige; 2010 war ihre Zahl auf knapp 2,5 Millionen gestiegen, während die der Chefs mit eigenen Mitarbeitern seit dem Jahr 2000 bei etwa 1,9 Millionen stagniert.

Arbeitsmarktforscher führen dies hauptsächlich auf die Förderpolitik der Bundesagentur zurück. Die hatte zwischen 2003 bis 2006 mit ihrer Ich-AG-Förderung und ab Mitte 2006 mit ihrem Gründungszuschuss für einen Boom bei Solo-Selbstständigen gesorgt. Selbst fünf Jahre nach der Existenzgründung arbeitete die Mehrzahl noch immer als Ein-Mann-Betrieb.

Inzwischen hat die Bundesagentur - nicht zuletzt wegen der guten Arbeitsmarktlage - die Existenzgründungsförderung von Arbeitslosen stark zurückgefahren.

© Süddeutsche.de/dpa/infu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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