Disney:Milliardengeschäft mit Prinzessinnen

Disney

2009 erschien der Disney-Film "Küss den Frosch" mit der Prinzessin Tiana.

(Foto: REUTERS)

Königstochter Schneewittchen brachte die ersten Millionen ein: Seitdem hat sich aus den Märchenprinzessinnen bei Disney ein äußerst lukrativer Geschäftszweig entwickelt. Und die nächsten beiden Figuren warten schon auf ihre Krönung.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Da! Da sind sie! Da sind Anna und Elsa! Die Menschen im Village Haus Restaurant drehen ihre Köpfe und starren mit offenen Mündern auf die beiden jungen Frauen, die lächelnd in Richtung Big Thunder Mountain schlendern. Kinder juchzen und jubeln, Erwachsene seufzen selig, einem fällt der Hamburger aus der Hand. Die Aufregung wäre nicht größer, würden Michael Jackson und Elvis Presley Händchen haltend vorbeispazieren. Ja, so geht es zu derzeit in Disneyland im Süden von Los Angeles. Die beiden Figuren aus dem Animationsfilm "Frozen" warten jeden Tag von zehn bis 16.30 Uhr im Fantasyland auf Besucher, zwischen dem Haus von Pinocchio und diesem Restaurant, das irgendwie deutsch sein soll.

Zweieinhalb Stunden stehen die Besucher für ein Foto mit Anna und Elsa an - achtmal so lange wie für eine Fahrt in einem Star-Wars-Raumschiff und mindestens dreimal so lange wie für eine Begegnung mit einer anderen Disney-Prinzessin wie etwa Cinderella, Rapunzel oder Arielle. "Es ist auf eine wunderbare Weise verrückt", sagt ein Disneyland-Mitarbeiter. "Wir hatten keine Ahnung, dass aus ,Frozen' das werden würde, was es ist."

Diese Aussage verwundert dann doch, schließlich sind die Disney-Themenparks nicht gerade für Ahnungslosigkeit oder mangelnde Vorbereitung ihres Managements bekannt. Im Gegenteil: Walt Disney höchstselbst fand einst heraus, dass Menschen durchschnittlich 27 Schritte gehen, ehe sie Abfall einfach auf den Boden fallen lassen. Aus diesem Grund muss ein Besucher, gleich wo im Park er sich gerade aufhält, nie mehr als 27 Schritte bis zum nächsten Abfalleimer machen.

Elsa-Kostüme für 1500 Dollar

"Frozen", basierend auf Hans Christian Andersens Märchen "Die Schneekönigin" und kürzlich mit zwei Oscars ausgezeichnet, hat gerade die Eine-Milliarde-Dollar-Marke beim weltweiten Umsatz an der Kinokasse passiert und könnte bald "Toy Story 3" als erfolgreichsten Animationsfilm der Geschichte ablösen. Allein über die Einnahmen aus Kinotickets, DVD-Verkäufen und TV-Lizenzen dürfte der Disney-Konzern mit dem Film, dessen Herstellung und Vermarktung 323 Millionen Dollar gekostet hat, eine Milliarde Dollar verdienen. "Die Magie von Disneys Geschäftsprinzip ist, dass sie ein Produkt haben, das sie abseits der Kinokasse monetarisieren können", sagt Dan Salmon von der Analysefirma BMO Capital Markets.

Spielzeughersteller Mattel hat bereits lizenzierte Artikel im Wert von mehr als 100 Millionen Dollar verkauft, Elsa-Kostüme sind im Disney-Store seit Monaten ausverkauft - bei Ebay werden sie derzeit für 1500 Dollar pro Stück feilgeboten. Vom Titelsong "Let it Go" wurden mehr als eine Million Exemplare veräußert. Und die DVD, die am Freitag in den USA auf den Markt kam - für Deutschland ist der Start zwei Wochen später terminiert -, dürfte laut Branchenexperten die erfolgreichste des Jahres 2014 werden.

"Es ist ein Phänomen", sagt Janice Marinelli. Sie ist bei Disney seit September zuständig für den Vertrieb von Filmen und Serien, nachdem sie im Kino oder TV gelaufen sind. "Frozen" sei ein Glücksfall für sie: "Es ist eine großartige Geschichte, die einen inspiriert. Es trifft jede einzelne Note." Noch muss man sich auf solche Äußerungen stützen: Der Konzern selbst hat sich bislang weder zu einer möglichen Fortsetzung noch zum finanziellen Erfolg des Filmes geäußert. Salmon schätzt, dass aufgrund der Einnahmen durch "Frozen" der operative Gewinn der Filmsparte im Jahr 2014 um 48 Prozent auf 979 Millionen Dollar steigen dürfte, der Gewinn pro Anteil am Disney-Konzern um 21 Prozent auf 4,09 Dollar. Ach ja: Der Aktienkurs von Disney ist seit dem Erscheinen des Films um knapp 20 Prozent gestiegen.

Keine Auf-den-Prinzen-Warterinnen mehr

Noch sind Anna und Elsa noch keine offiziellen Disney-Prinzessinnen, sie sollen jedoch in diesem Jahr bei einer aufwendigen Zeremonie gekrönt werden. Schneewittchen war die erste; das Mädchen mit der weißen Haut, den schwarzen Haaren und den roten Lippen war neben Mickey Mouse die wohl bedeutsamste Figur für Walt Disney. Der wollte unbedingt einen abendfüllenden Trickfilm in die Kinos bringen. Disneys Torheit wurde das in Hollywood genannt, doch der Firmenchef belieh sogar sein Haus, um die - für damalige Verhältnisse gigantischen - Kosten von knapp zwei Millionen Dollar stemmen zu können, bei einem Flop wäre er ruiniert gewesen. Der Film erschien nach drei Jahren Produktionszeit im Jahr 1937 und setzte erst einmal acht Millionen Dollar um.

Es folgten zahlreiche Film-Prinzessinnen - doch erst Ende der Neunzigerjahre kam jemand darauf, dass sich mit ihnen sehr viel Geld verdienen lässt. Andy Mooney, gerade von Nike zu Disney gewechselt, besuchte damals die Show "Disney on Ice". "Als ich in der Schlange stand, waren um mich herum kleine Mädchen in Prinzessinnen-Kostümen, da ging mir ein Licht auf", sagte er in einem Interview mit der New York Times. Er schuf als Chef der Sparte Consumer Products die Tochterfirma Disney Princess und führte die ersten offiziellen Prinzessinnen ein: Schneewittchen, Cinderella, Dornröschen, Arielle, Belle, Jasmine, Pocahontas und Fa Mulan. Später kamen Tiana, Rapunzel und Merida dazu. Es funktionierte, und wie: Setzte Disney im Jahr 2001 mit Consumer Products noch 300 Millionen Dollar um, waren es im vergangenen Jahr 3,55 Milliarden. Die Umsätze dürften in diesem Jahr wegen Anna und Elsa noch einmal steigen, Disney Princess ist laut der Licensing Industry Merchandisers' Association die erfolgreichste Lizenz-Franchise in der Unterhaltungsbranche. Vor "Star Wars", vor Superman - und vor Mickey Mouse.

Die Prinzessinnen sind mittlerweile keine stereotypen Auf-den-Prinzen-Warterinnen mehr. Fa Mulan ist keine Prinzessin und wird auch nicht durch Heirat zu einer. Merida war im Jahr 2012 die erste Prinzessin ohne Liebesgeschichte, in "Frozen" gibt es den wunderbaren selbstironischen Satz: "Wer bitte schön heiratet denn den nächstbesten Kerl? So schnell? So voreilig? Du kennst diesen Mann doch gar nicht!" Anna heiratet am Ende nicht den Prinzen, sondern den Abenteurer Kristoff. Elsa ist ohnehin bereits Königin.

Sie dürften bald die Prinzessinnen zwölf und 13 werden. Doch auch ohne offizielle Krönung erkennt jeder, der zweieinhalb Stunden mit seinem Kind auf eine Begegnung wartet oder dem der Hamburger aus der Hand fällt, nur weil die beiden unvermutet vorbei schreiten: Elsa und Anna sind derzeit die unbestrittenen Königinnen von Disneyland.

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