Discounter:Wie spricht man denn "Lidl" aus?

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Größer als in Deutschland, aber noch immer kleiner als US-Supermärkte: einer der neuen Lidl-Läden.

(Foto: picture alliance/AP Images)
  • An diesem Donnerstag eröffnet Lidl die ersten neun Filialen in den USA.
  • US-Handelsketten fürchten sich vor dem Einstieg des deutschen Discounters in einer ohnehin schwierigen Zeit.

Von Kathrin Werner, New York

Eine der ersten Herausforderungen ist der Name. Amerikaner haben keine Ahnung, wie man dieses komische Wort ausspricht: Lidl? Die Zeitung Washington Post rät zu "lee-duhl", die Nachrichtenseite Business Insider schlägt "LEE-dil" vor. USA Today weist als Eselsbrücke darauf hin, dass sich das Wort mit "beetle" reimt, Käfer.

Der Name ist jedenfalls eindeutig deutsch und die Supermarktkette versteckt nicht, dass sie aus Deutschland kommt: "time to say hallo!", wirbt sie auf ihrer Website, auf der ein Countdown bis zur Eröffnung der ersten Läden in den Vereinigten Staaten läuft. Auf Amerikanisch müsste es "hello!" heißen - oder "hi!".

An diesem Donnerstag eröffnet Lidl die ersten neun Filialen in den USA. Sie liegen alle im Südosten des Landes, in Virginia, North Carolina und South Carolina. Es wird eine große Feier geben in jedem der Geschäfte, samt Band-Durchschneiden, Gutschein-Verlosung und Sonderangeboten, die Menschen in die Läden locken sollen, die von Lidl vorher noch nie gehört haben - also Sonderangebote zusätzlich zu den ohnehin schon günstigen Lidl-Waren. "Wir können es gar nicht abwarten, unsere ersten US-Geschäfte zu eröffnen", sagt Brendan Proctor, der Chef von Lidls neuer Amerikatochter. "Es ist unsere Mission, den Kunden weniger Komplexität, niedrigere Preise, bessere Auswahl und größeres Vertrauen zu bringen." Bis zu 50 Prozent billiger als bei der US-Konkurrenz sollen die Produkte bei "lee-duhl" sein.

Walmart will den Billigheimer-Titel zurück

Die amerikanischen Handelsketten fürchten sich vor dem Einstieg des deutschen Discounters in einer ohnehin schwierigen Zeit. Die Supermarkt-Preise fallen immer weiter, im Schnitt lagen sie im April laut Daten des Landwirtschaftsministeriums USDA 0,8 Prozent unter dem Vorjahr. Das klingt zuerst nach wenig, ist aber viel in einer Branche, die eine Gewinnmarge von zwei Prozent schon für großartig hält und in der die alten Rivalen einander Marktanteile abjagen wollen und mit neuen Rivalen kämpfen müssen.

Die größte Supermarktkette der USA, Kroger, hat im ersten Quartal zum ersten Mal sinkende Umsätze gemeldet, wenn man Neueröffnungen herausrechnet und nur die bestehenden Läden vergleicht. Immer mehr neue Konkurrenten mischen mit, vor allem Lebensmittel-Lieferdienste, bei denen man im Internet bestellen kann. Amazon drängt in den Markt und ein Start-up nach dem anderen versucht, den Markt aufzumischen. Einen Preiskampf mit Lidl kann die Branche nicht gebrauchen. Die Nachrichtenagentur Reuters, die für übertriebene Zuspitzungen eigentlich nicht bekannt ist, spricht vom "Krieg der Supermärkte".

Das Konzept soll nicht nur "billig" beinhalten

Krogers Manager haben sich bereits auf Europareise begeben und Städte besucht, in denen Lidl und andere Discount-Supermärkte gegen die alten Platzhirsche kämpfen.Die Kette, die auch etliche Läden in der Gegend betreibt, die Lidl für den Markteintritt auserkoren hat, will selbst die Preise senken und Eigenmarken anbieten, die mit denen von Lidl mithalten können, sagte Finanzchef Michael Schlotman. Auch Walmart, der weltweit größte Handelskonzern, dessen Filialen weniger einem Supermarkt als einem Kaufhaus ähneln, bereitet sich auf Lidl vor.

Der Konzern kämpft darum, den Billigheimer-Titel zurückzugewinnen und übt Druck auf die Zulieferer aus, Walmart die Waren um 15 Prozent günstiger zu verkaufen als der Konkurrenz. Außerdem sollen die Läden moderner werden und vor allem praktischer, es soll Express-Kassen geben und eine Smartphone-App, mit der Kunden Produkte scannen und die Kassen umgehen können.

Discounter: Größer als in Deutschland, aber noch immer kleiner als US-Supermärkte: einer der neuen Lidl-Läden.

Größer als in Deutschland, aber noch immer kleiner als US-Supermärkte: einer der neuen Lidl-Läden.

(Foto: David Keith)

Angesichts der Furcht der Konkurrenz klingen Lidls Expansionspläne bislang eher bescheiden: bis zum Sommer 2018 will die Kette 100 Filialen eröffnen, nicht viele in dem großen Land, in dem der deutsche Konkurrent Aldi bereits mit mehr als 1600 Läden präsent ist und weiter expandieren will .

Handelsexperten vermuten, dass Lidl spätestens nach dem ersten Jahr das Tempo anziehen und Hunderte weitere Geschäfte eröffnen wird, wenn sich zeigt, dass das Konzept funktioniert. Bislang ist vorgesehen, dass die 100 Läden 5000 Jobs schaffen. Das Handels-Marktforschungshaus Fung Global Retail and Technology erwartet, dass Lidl im Jahr 2018 auf US-Umsätze von rund einer Milliarde Dollar kommt, 2019 sollen es zwei Milliarden Dollar und 2020 vier Milliarden Dollar werden, wenn die Kette knapp 100 Filialen pro Jahr eröffnet.

In den USA fällt Lidl auf - nicht nur mit dem Namen und wegen der Preise. Das ganze Konzept ist ungewöhnlich. Obwohl sie deutlich größer sind als Lidl-Filialen in Deutschland, sind die Geschäfte im Vergleich mit US-typischen Riesenmärkten Winzlinge. Es gibt deutlich weniger Auswahl. Und rund 90 Prozent der Produkte sind Eigenmarken. Doch die Shopping-Gewohnheiten der Amerikaner ändern sich. Markentreue sinkt und die Menschen achten mehr auf die Preise - was Preisvergleiche im Internet erleichtern.

Discount-Supermärkte sind in den USA noch relativ neu, werden aber immer beliebter, sagen die Marktforscher von der Boston Consulting Group und erwarten, dass sie in manchen Teilen der USA bald die Hälfte des Supermarktgeschäfts unter sich verteilen. Ob Lidl es schaffen wird, in dem Krieg der Supermärkte mitzuhalten, weiß aber noch niemand - schließlich ist die deutsche Kette ein später Einsteiger. Dabei hat das Unternehmen aus Neckarsulm den Markteintritt bereits vorgezogen und liegt weit vor seinem ursprünglichen Zeitplan. Eigentlich war der Vorstoß in die USA erst für 2018 vorgesehen.

Auf den Einpacker an der Kasse will Lidl verzichten

Lidl betont, dass sich das Konzept nicht nur um billige Preise dreht, Qualität komme zuerst. Die deutsche Firma hat einen Star der Wein-Szene angeheuert, Adam Lapierre, und mit dem Wein-Angebot bereits Preise gewonnen.

Auch Heidi Klum, Modell, Moderatorin und einer der bekanntesten deutschen Promis in den USA, soll dem Discounter helfen, Kunden anzulocken und bekannter zu werden: Im Laufe des Jahres wird es eine extra für Lidl designte und nur dort erhältliche Modekollektion von Klum geben.

Die Lebensmittelpreise sollen nicht wegen schlechterer Qualität, sondern wegen besserer Organisation viel geringer sein als im Supermarkt-Durchschnitt, verspricht Lidl. Pro Filiale sollen weniger Menschen arbeiten, Äpfel etwa sollen anders als bei der Konkurrenz nicht adrett gestapelt werden, sondern noch im Lieferkarton im Regal liegen - das spart Regaleinräumer. Es wird weder kostenlose Plastiktüten geben noch Menschen, die Einkäufe in Tüten packen wie sonst in den USA üblich. "Lee-duhl" beziehungsweise "LEE-dil" bringt den Amerikanern so einiges, an das sie sich erst gewöhnen müssen.

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