Discounter:Eine alles erdrückende Übermacht

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Abhängigkeit, Existenzangst, niedrige Löhne: Billig-Lebensmittel haben weitreichende Folgen und viele Verlierer - nur die marktbeherrschenden Discounter profitieren.

Silvia Liebrich

In kaum einem anderen europäischen Land können Verbraucher Lebensmittel so günstig einkaufen wie in Deutschland. Doch die niedrigen Preise sind teuer erkauft. Denn der harte Konkurrenzkampf im Lebensmitteleinzelhandel geht zunehmend zu Lasten der Lieferanten und ihrer Arbeitskräfte.

Marktbeherrscher Lidl: Fast ein Viertel aller Umsätze von Lebensmitteldiscountern entfällt auf den Billiganbieter. (Foto: SZ-Graphik)

"Die Supermarktketten sitzen beim Einkauf am längeren Hebel", sagt Marita Wiggerthale, Handelsexpertin der Hilfsorganisation Oxfam. "Ihre unfairen Einkaufspraktiken erhöhen den Druck auf die Löhne und verschlechtern die Arbeitsbedingungen, auch in vielen Entwicklungsländern."

Kritik kommt auch von Gewerkschaftsseite: "Es vergeht in der Ernährungswirtschaft kaum eine Tarifverhandlung oder Verhandlung mit einem Betriebsrat, in der Unternehmensvertreter nicht Forderungen nach niedrigeren Löhnen und geringeren Sozialleistungen mit dem Preisdruck im Handel begründen", meint Franz-Josef Möllenberg von der Gewerkschaft Nahrungsmittel, Genuss und Gaststätten.

Verdacht auf Absprache

Tatsächlich hat die Konzentration im deutschen Lebensmitteleinzelhandel in den vergangenen zehn Jahren zugenommen. Während 1999 noch acht große Supermarktketten am Markt waren, geben inzwischen nur noch sechs Spieler den Ton hierzulande an: Edeka, Rewe, Aldi, Lidl, Metro und Tengelmann. Zusammen kontrollieren sie gut 90 Prozent des gesamten Marktes.

Eine Entwicklung, die inzwischen auch das Kartellamt auf den Plan gerufen hat. Anfang des Jahres durchsuchten Mitarbeiter der Behörde die Geschäftsräume großer Handelskonzerne, die unter anderem im Verdacht stehen, illegale Preisabsprachen getroffen zu haben. Die Ermittlungen dazu sind noch nicht abgeschlossen.

Wiggerthale fordert eine umfassende Untersuchung des Missbrauchs der Nachfragemacht durch den Einzelhandel. "Wir brauchen mehr Transparenz für Verbraucher und verbindliche Regeln zur Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards in der gesamten Lieferkette", ergänzt sie.

Der Druck wächst

Die Konzentrationswelle im Lebensmitteleinzelhandel war vergangene Woche auch Thema einer Anhörung in Berlin, bei der die Ernährungsindustrie einen unabhängigen Schiedsrichter zum Schutz vor der Marktmacht der Supermarkt-Ketten vorschlug. Ein solcher "Ombudsmann" könne den Beschwerden der Industrie nachgehen, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE), Jürgen Abraham, vor dem Bundestagsausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Viele Unternehmen seien so sehr von wenigen Supermarkt-Ketten abhängig, dass sie in ihrer "Existenz unmittelbar bedroht" seien, wenn sie auf Preisforderungen nicht eingingen, ergänzte Abraham.

Der scharfe Wettbewerb führte in den vergangenen zwei Jahren zu einer beispiellosen Preisschlacht im deutschen Lebensmitteleinzelhandel, mit mehr als zehn Preissenkungsrunden. Eine Entwicklung, die vor allem von den großen Discountern Aldi und Lidl angeführt wurde, die mehr und mehr unter Druck geraten, weil ihnen die Wettbewerber Netto und Penny Marktanteile abnehmen.

Vor allem Aldi Nord und Aldi Süd verloren 2009 laut GfK Marktforschung zusammen 4,4 Prozent ihres Umsatzes. Ein Trend, der auch 2010 anhält. Erstaunlich ist aber, dass die Discounter trotz Preisschlacht im vergangenen Jahr ihren Anteil am Lebensmitteleinzelhandel von 45 Prozent nicht weiter ausbauen konnten.

© SZ vom 14.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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