Digitale Währung in Israel:Gelobtes Geld aus dem Gelobten Land

Israelis gather at the Western Wall during celebrations marking Israel's 66th Independence Day in Jerusalem

Israel feiert seine Unabhängigkeit in Jerusalem. Zum 66. Jubiläum bekommt das Land nun eine neue Währung.

(Foto: REUTERS)

Gegen die Macht der Banken: Aus Straßenprotesten entsteht in Israel eine virtuelle Währung - der Isracoin. Er soll weiten Teilen der Bevölkerung zugutekommen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Es ist Unabhängigkeitstag, überall im Land flattern zum Fest der Staatsgründung vor 66 Jahren die blau-weißen Fahnen - und zum Jubiläum bekommt Israel eine neue Währung. Keine Sorge, der altgediente Schekel bleibt im Umlauf. Aber zumindest im Internet wird man von diesem Dienstag an auch noch mit anderer Münze zahlen können: Isracoin heißt das digitale Geld für das Land, das sich selbst so gern als Start-up-Nation vermarktet. "Es ist eine neue Ära in der Kryptowährung", sagt Amnon Dafni, der zu den Erfindern von Isracoin zählt. Dann nimmt er einen kräftigen Schluck vom gewiss gesunden Möhrensaft und verkündet: "Ich bin sicher, dass die Israelis sofort darauf anspringen. Denn wir werden wirklich einen Mehrwert für die Bevölkerung schaffen."

Das gelobte Geld aus dem Gelobten Land bereichert das fast schon ausfransende Feld der Cyber-Währungen: Spanien hat die Spaincoin, Island die Auroracoin und selbst die Lakota-Indianer aus Nordamerika haben mit der Mazacoin ihr eigenes Digitalgeld erschaffen. Das große Vorbild für alle bleiben die Bitcoins, die auf dem Höhepunkt der Bankenkrise 2009 von einem geheimnisumwitterten Unbekannten mit dem Pseudonym Satoshi Nakamoti als Parallelwährung im Internet eingeführt wurden und seitdem ein lebhaftes Eigenleben entwickelt haben - mit dramatischen Aufs und Abs.

Isracoin - ein Ausfluss der Sozialproteste

Isracoin hat wie alle Nachahmer die revolutionäre und durchaus anarchische Bitcoin-Idee übernommen, eine Währung unabhängig von der Kontrolle durch Staaten und Notenbanken zu schaffen. Für die Kryptowährung bürgt also kein Staat und kein Goldstandard. Sie basiert allein auf Treu und Glauben in der Netz-Community, die sie nutzt - und natürlich auf dem Vertrauen in die Technik, die das virtuelle Geld im Computer mittels komplizierter Algorithmen generiert. Für Amnon Dafni und seine Mitstreiter ist das Cyber-Geld eine Waffe im Kampf gegen Bankenmacht und Wirtschaftstycoons. "Ich sage das als Aktivist ungern", meint er, "aber mit Geld kannst du wirklich Dinge bewegen."

Doch das Vorbild Bitcoin ist nicht nur durch Erfolge, sondern auch durch manche Schattenseite ins Gerede gekommen. Gerade erst ging die Internet-Börse Mt. Gox pleite, weil 850 000 Bitcoins irgendwo in den Tiefen des Netzes verschwanden. Überdies kann man mit dem Cyber-Geld zwar mittlerweile in Tausenden Geschäften weltweit bezahlen, aber es bleibt das Problem der schmuddeligen Ecken, in denen mit Bitcoins fernab jeder Kontrolle Waffen und Drogen gehandelt werden oder Geld gewaschen wird. Der Kurs unterliegt ohnehin einer Achterbahnfahrt. 2013 sprang er von 13 Dollar plötzlich auf 1200, heute liegt er bei gut 400 Dollar.

Amnon Dafni kennt all diese Probleme. Mit Isracoin will er es "besser machen für unser Land". Bitcoin, klagt er, sei eine Spekulationswährung geworden und leide an zu großer Konzentration, weil "ungefähr 50 Prozent in der Hand von einigen Hundert Leuten sind". Isracoin dagegen soll weiten Teilen der Bevölkerung zugutekommen, denn nicht umsonst ist die Idee dazu ein direkter Ausfluss der Sozialproteste, die vor drei Jahren Hunderttausende auf die Straße trieben. "Wir haben beschlossen, nicht mehr zu protestieren, sondern eine Alternative zu schaffen", sagt Dafni.

"Wenn die Währung in der Welt ist, kann sie keiner mehr stoppen."

Zum Gespräch über Isracoin trifft man ihn in einer Kneipe im Künstlerviertel Florentin, abseits der glasverspiegelten Bankenpaläste, die den Rothschild-Boulevard säumen. Genau dort, auf der teuersten Meile des Landes, hatten im Sommer 2011 die Israelis ihrem Frust über schwindelerregende Mieten und enorme Lebenshaltungskosten Luft gemacht. Und natürlich war Amnon Dafni dabei, als damals eine Abordnung der Demonstranten Stanley Fischer traf, den viel gelobten früheren Chef der israelischen Zentralbank. "Er hat einen guten Job gemacht, um die Banken zu stabilisieren", sagt Dafni. "Aber er hat nichts für die Menschen getan." Das wollen er und seine Mitstreiter mit Isracoin ändern. Künftig soll man im Geldverkehr die Großbanken umschiffen können, die Dafni zufolge in Israel noch dominanter sind als in den anderen Industriestaaten. 20 Familien, so doziert er, hielten einen Großteil der Wirtschaft in den Händen, fünf Banken kontrollierten mehr als 90 Prozent des Geschäfts. "Seit 40 Jahren ist in Israel keine Bank mehr gegründet worden." Nun soll neues Geld in andere Bahnen gelenkt werden.

In der ersten Phase steht die neue Währung vom Dienstag an für israelische Firmen zur Verfügung. Die ersten 50 000 Interessenten bekommen 500 Isracoin als Startkapital umsonst. In der zweiten Phase einen Monat später können sich bis zu 2,85 Millionen Israelis je 100 kostenlose Isracoins sichern. Danach, ist Amon Dafni sicher, wird die Währung ein Selbstläufer. "Wenn sie in der Welt ist, kann sie keiner mehr stoppen", sagt er selbstbewusst.

Die Banken allerdings bleiben gegenüber den Cyber-Währungen gelassen. Bei allem Wirbel ums neue Geld sind die Transaktionen bislang eher übersichtlich. Die Bundesbank rechnet vor, dass den täglich 70 000 Bitcoin-Geschäften weltweit allein in Deutschland 60 Millionen Zahlungen mit konventionellen Währungen gegenüberstehen. Den Optimismus von Amnon Dafni dämpft das keineswegs. In fünf Jahren, glaubt er, sei Isracoin fest etabliert als Zahlungsmittel neben dem Schekel. In etwa zehn Jahren soll die festgesetzte Ausgabegrenze von 4,8 Milliarden Isracoins erreicht sein. Und wenn nicht, wird eben umgedacht. "Bitcoin und Isracoin sind Ideen, die jeder kopieren und weiterentwickeln kann", sagt er. "Wir können eine Währung einführen, an die die Leute glauben - und wenn nicht, dann können sie etwas anderes erschaffen."

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