Digitale Bauplanung:Wie Dobrindt ein zweites BER-Desaster verhindern will

  • Verkehrsminister Dobrindt will den Bau großer Infrastrukturprojekte mit digitaler Planung verbessern.
  • Zunächst soll die Technologie im Straßenbau genutzt werden sowie bei Brücken und Unterführungen. Langfristig sollen auch Großprojekte digital entwickelt werden, um künftig Baudesaster wie am Berliner Flughafen zu verhindern.

Von Guido Bohsem, Berlin

Der Fehler war nicht besonders groß, mit bloßem Auge kaum zu erkennen. Und doch waren die 45 Zentimeter teuer für den Steuerzahler. Weit über eine halbe Million Euro wurden zusätzlich ausgegeben, um die Autobahn 2 zwischen Hamm und Kamen auf sechs Spuren auszubauen. Denn eine der Brücken stand nicht dort, wo sie sollte, sondern eben diesen knappen halben Meter weiter. 600 Meter Autobahn mussten anders gebaut werden als geplant. Ursache war ein Planungsfehler.

Geht es nach Alexander Dobrindt (CSU) soll es in Zukunft deutlich seltener zu solchen Pannen kommen. Der Verkehrsminister will die Planung und den Bau von Fernstraßen oder Schienen mithilfe von digitalen Technologien von Grund auf verändern. "Durch ihren Einsatz können wir beim Bau von Großprojekten eine frühzeitige Vernetzung, enge Kooperationen und eine intensive Kommunikation aller Beteiligten sicherstellen", sagt der Minister. Im Endeffekt könnten durch Bauen 4.0 die Baukosten und auch die Bauzeiten deutlich gesenkt werden. An diesem Dienstag will er das Vorhaben vorstellen.

Digitales Bauen soll Desaster wie am Berliner Flughafen verhindern

Der Schlüssel für diese digitale Umwälzung der Bauindustrie ist nicht neu, aber in Deutschland noch nicht verbreitet. Er heißt BIM, was für Building Information Modeling steht. Grob gesprochen wird dabei das ganze Vorhaben erst mal im Computer gebaut. Die unterschiedlichen Projektteilnehmer sind angebunden. Alle geometrischen Informationen werden festgelegt und mit anderen Angaben verknüpft wie zum Beispiel Material, dessen Lebensdauer, umweltrelevante Eigenschaften, Schalldurchlässigkeit oder Brandschutz.

Zunächst soll BIM im Straßenbau eingesetzt werden und bei Brücken, Autobahnen und Unterführungen helfen. Setzt sich das Modell durch, könnte es - BIM-Salabim - aber schnell auch bei anderen öffentlichen Bauten eingesetzt werden und dort seinen Zauber wirken. Vielleicht könnte das digitalisierte Bauen sogar dazu beitragen, ein Baudesaster wie am Berliner Flughafen zu verhindern oder zeitliche Verzögerungen wie bei der Hamburger Elbphilharmonie auszuschließen.

BIM soll auch bessere Vorhersagen möglich machen

BIM-Projekte sollen nämlich auch mit den Faktoren Zeit und Kosten angefüttert werden, sodass auch Planungs- und Bauprozess vorausberechnet und virtuell angezeigt werden können. Nach Angaben des Ministeriums können dadurch schon bei der Planung Aussagen über die Nutzungskosten getroffen werden. Der Bauherr erfahre daher nicht nur, was Planung und Bau kosteten, sondern auch was er für Instandhaltung, Ersatz und Betriebskosten aufwenden müsse. Dazu enthält das Programm für jedes einzelne Bauteil Informationen über das Material, seine Lebensdauer und wie oft es in der Regel ausgewechselt oder repariert werden muss.

Dieser Aspekt spiele insbesondere bei den Partnerschaften von öffentlicher Hand und Wirtschaftsunternehmen (ÖPP) eine Rolle. In der Regel bauen die Firmen dabei etwa eine Straße im öffentlichen Auftrag und übernehmen auch den Betrieb - über etwa 30 Jahre. Durch den Einsatz von BIM könnten damit die tatsächlichen Kosten für das Unternehmen besser berechnet werden, denn die höchsten Sparpotenziale seien nicht beim Bau selbst, sondern bei der Instandhaltung zu erzielen.

So will Dobrindt dem Bürger Großprojekte schmackhaft machen

Die Experten in Dobrindts Ministerium sind zudem zuversichtlich, dass BIM auch dazu dienen kann, den Bürgern umstrittene Großprojekte schmackhaft zu machen. Massenproteste wie gegen den Bahnhof Stuttgart 21 sollen so gar nicht erst entstehen. Die Demonstrationen waren damals mit einer hohen Zahl von Polizisten und dem Einsatz von Wasserwerfern aufgelöst worden und hatten das Projekt verzögert.

Was BIM gegen die Wut der Bürger bereithalten soll, nennt sich Visualisierung. Bauwerke könnten durch die digitale Planung deutlich besser sicht- und erkennbar gemacht werden, schreibt Dobrindts Ministerium. Dies vermindere bestehende Unsicherheiten, die Bürger fühlten sich besser informiert, die Akzeptanz des Projektes sei höher und das Risiko von Bürgerprotesten werde vermieden.

Vor real kommt digital

In den USA, den skandinavischen Ländern, in Großbritannien und den Niederlanden wird die Nutzung von BIM derzeit vorangetrieben. Deutschland hinkt nach Einschätzung des Verkehrsministeriums hinterher. Deshalb will Dobrindt einen Stufenplan vorstellen, der die Nutzung von BIM vorantreiben soll. "Die öffentliche Hand muss als großer Bauherr vorangehen und den Kulturwandel treiben", sagt der Minister. Künftig müsse der Grundsatz gelten: "Erst digital, dann real bauen." Bis 2020 solle BIM zum neuen Standard für Infrastrukturprojekte werden, an den sich alle zu halten haben.

Das Ministerium hat bereits vier Projekte gestartet, an denen BIM erprobt werden soll. Es handelt es sich um den Eisenbahntunnel Rastatt, die Eisenbahnüberführung Filstal, den Neubau der Auenbachtalbrücke und die Erneuerung der Brücke über den Petersdorfer See in der mecklenburgischen Seenplatte. Um Anlaufprobleme bei BIM zu umgehen, werden alle Projekte zwar herkömmlich geplant. Parallel soll ein anderes Team die Vorhaben aber auch mit BIM planen, um am Ende dann die beiden Verfahrenswege direkt miteinander zu vergleichen. Das Ministerium unterstützt das Vorhaben mit insgesamt 3,4 Millionen Euro. Erste Ergebnisse sollen 2017 vorliegen. Gleichzeitig sollen die ungeklärten rechtlichen Fragen beantwortet, Leitfäden für effektives Vorgehen entwickelt und über die beste Aus- und Weiterbildung für BIM entschieden werden.

Denn nach Aussagen des Ministeriums müssen die Planer und Bauausführenden natürlich erst mit BIM vertraut sein. Der Startschuss 2020 räume allen Beteiligten genügend Zeit ein, sich an die neuen Anforderungen anzupassen. Kleinen und mittleren Unternehmen wolle man dafür besondere Hilfen zur Verfügung stellen.

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