Dieselskandal:Für Rupert Stadler wird es enger

FILE PHOTO: Audi CEO Stadler attends company's annual news conference in Ingolstadt

Die Eigentümer-Familien von Volkswagen haben Audi-Chef Rupert Stadler bislang stets geschützt. Aber wie lange noch? Dem Manager wird vorgeworfen, die manipulierten Abgassysteme nicht schnell genug gestoppt zu haben.

(Foto: Michael Dalder/Reuters)

Staatsanwälte durchsuchen wegen der Abgasaffäre das Privathaus des Audi-Chefs. Zum Verhängnis könnte ihm jetzt werden, was bei Audi geschah, nachdem 2015 die Abgasbetrügereien bei Volkswagen enthüllt wurden.

Von Klaus Ott

Vor wenigen Tagen waren sie alle noch bester Laune, die Großaktionäre und Chefs im Volkswagen-Imperium. Die Stuttgarter VW-Tochter Porsche feierte 70. Geburtstag. Im Juni 1948 war deren erster Sportwagen zugelassen worden, der Porsche 356 Roadster. Der neue Konzernchef Herbert Diess schwärmte von "geilen Autos", die Volkswagen baue. Wolfgang Porsche, Oberhaupt der österreichischen Industriellenfamilie, die maßgeblich die Geschicke des Fahrzeugherstellers steuert, strahlte. Auch Hans Dieter Pötsch, Aufsichtsratschef von VW und enger Vertrauter der Familie, war da und freute sich mit. Es konnte ja auch niemand von dem neuesten Unheil ahnen, dass sich da gerade über VW zusammenbraute. Ein Unheil, das mit Audi-Chef Rupert Stadler zu tun hat, der in Stuttgart nicht mitfeierte. Audi gilt wie Porsche als Perle im VW-Reich.

Während die Konzernspitze mit Ausnahme von Stadler das Jubiläum bei Porsche genoss, hatten die in der Abgasaffäre tätigen Ermittler bereits zum nächsten Schlag ausgeholt, der an diesem Montag erfolgte. Die Staatsanwaltschaft München II durchsuchte das Privathaus von Stadler, dem nun wie vielen anderen meist ehemaligen Managern Betrug von Autokäufern vorgeworfen wird. Die Strafverfolger hatten den Audi-Chef bereits im Mai als Beschuldigten in die Akten eingetragen und die Aktion in aller Ruhe vorbereitet, was die Festgesellschaft in Stuttgart natürlich nicht wissen konnte. Zu feiern gibt es jetzt erst einmal nichts mehr.

Vielmehr drängt sich mehr denn je eine Frage auf, die schon seit langem immer wieder gestellt wird: Wie lange kann sich Stadler noch an der Spitze von Audi halten, wo doch nach Erkenntnissen der Ermittler vor allem bei der Ingolstädter VW-Tochter jene Software entwickelt worden war, die zu einem der größten deutschen Industrieskandale geführt hat? Es handelt sich um ein so genanntes Defeat Device, das die Abgasreinigung manipuliert. Auf dem Prüfstand, bei den offiziellen Messungen der Behörden, werden gesundheitsschädliche Stickoxide weitgehend herausgefiltert. Im Straßenverkehr hingegen wird die Abgasreinigung weitgehend abgeschaltet, zu Lasten von Mensch und Natur. Ab Mitte vergangenen Jahrzehnts hatten Audi-Ingenieure dieses System mit entwickelt. Stadler will aber nicht mitbekommen haben, was da im eigenen Hause geschah.

Zum Verhängnis könnte ihm jetzt werden, was bei Audi geschah, nachdem US-Behörden im September 2015 die Abgasbetrügereien bei Volkswagen enthüllte hatten. Genauer gesagt, was bei Audi daraufhin nicht geschah. Die für Audi zuständige Staatsanwaltschaft München II wirft Stadler vor, dieser hätte von Ende 2015 an dafür sorgen müssen, dass in Europa nicht länger Fahrzeuge aus Ingolstadt und anderen Werken mit manipuliertem Abgassystem auf den Markt kommen. Die Vorwürfe beziehen sich also nicht auf die jahrelangen dubiosen Praktiken im eigenen Unternehmen bis 2015, sondern darauf, wie er sich nach Beginn der Affäre verhielt: Offenbar abwartend, zögernd, statt durchzugreifen, und damit neue Verstöße gegen Vorschriften riskierend. Klagen, Stadler habe die Dinge treiben lassen, gibt es schon lange. Aus der Bundesregierung, nachdem das Verkehrsministerium und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) immer wieder neue Audi-Modelle mit Defeat Devices entdeckten. Und sogar aus dem Volkswagen-Konzern.

Die Stuttgarter VW-Tochter Porsche bezieht ihre Diesel-Motoren von Audi. Als Porsche nach Beginn der Affäre von Audi wissen wollte, ob solche Motoren infiziert seien; und falls ja, welche, soll es mit den Antworten sehr lange gedauert haben. Porsche-Manager sollen sich massiv in Ingolstadt beschwert haben, bis hin zu Stadler. Der bekam auch das eine oder andere Schreiben aus Stuttgart auf den Tisch, dass Audi für die Kosten der Affäre bei Porsche geradestehen müsse. Doch bislang hatte Stadler die Abgasaffäre nichts anhaben können. Die Industriellenfamilien und VW-Hauptaktionäre Porsche wie auch Piëch, denen der Ingolstädter Vorstandschef sehr nahe steht, hielten stets zu ihm. Und Stadlers größter und vielleicht auch einziger Kritiker im Aufsichtsrat von Audi, der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber, ist dort kürzlich ausgeschieden.

Neu ist jetzt allerdings, dass eines der bisherigen Argumente bei Volkswagen und den Familien für Stadlers Verbleib im Amt nicht mehr zählt: Gegen den Audi-Chef werde ja nicht ermittelt. Aber auch der Umstand, dass Stadler Beschuldigter ist, muss nicht das Ende seiner Karriere bedeuten. Ein Ermittlungsverfahren ist noch keine Anklage. Und selbst wenn es zu einer Anklage käme, hätte eine solche nicht automatisch einen Prozess zur Folge. Und ein Prozess wäre noch nicht gleichbedeutend mit einer Verurteilung. Es gilt, solange jemand nicht rechtskräftig verurteilt ist, die Unschuldsvermutung. Darauf verweist Audi; und Stadler selbst weist seit jeher alle Vorwürfe zurück.

So gesehen könnte er noch lange im Amt bleiben.

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